Ring frei für die vielleicht letzte Runde
Seit 24 Jahren kämpft Kristina Colloredo-Mansfeld vor Gericht um Schloss Opočno, den einstigen Stammsitz der Familie. Der jüngste Entscheid hat ihre Erfolgschancen deutlich erhöht
21. 1. 2015 - Text: Ivan DramlitschText: id/čtk; Foto: Kixx
Das Kreisgericht in Hradec Králové (Königgrätz) hat in der vergangenen Woche der Wiederaufnahme des Restitutionsverfahrens zugestimmt, in dem die Eigentumsverhältnisse des Schlosses Opočno in Ostböhmen geklärt werden sollen. Das Gericht bestätigte damit eine Entscheidung des Bezirksgerichts vom vergangenen Jahr, gegen das der Staat als derzeitiger Eigentümer der Immobilie in Berufung gegangen war. Damit geht eines der längsten und wohl auch spektakulärsten Rückerstattungsverfahren der Nachwendezeit in die nächste Runde.
Ein Blick zurück: Der Justizmarathon begann im Jahr 1991. Damals klagte Kristina Colloredo-Mansfeld, Erbin und Tochter des letzten adeligen Eigentümers, auf Herausgabe des Schlosses, das nach dem Krieg auf der Grundlage der Beneš-Dekrete enteignet wurde. Zunächst jedoch mit wenig Erfolg, die Ansprüche der Klägerin wurden von den tschechischen Gerichten mehrfach abgelehnt. Ganze neun Jahre dauerte der Weg durch die Berufungsinstanzen, bis im Jahr 2000 der Oberste Gerichtshof zum ersten Mal zu Gunsten der Erbin entschied. Als 2003 das Schloss samt wertvollem Inventar und dazugehörigen Grundstücken (Schätzwert über 40 Millionen Euro) tatsächlich herausgegeben wurde, schien die Gräfin am Ziel zu sein.
Neues Beweisstück
Die Rolle der Schlossherrin durfte Kristina Colloredo-Mansfeld jedoch nur vier Jahre spielen. 2007 musste sie den Besitz nach einem aufsehenerregenden Berufungsverfahren, das bis vor das Verfassungsgericht ging, wieder an den Staat zurückgeben. Seitdem bemühte sich die 74-Jährige ihrerseits um eine Revision des Urteils – sie habe neue Beweise, die ihr vorher nicht bekannt waren. Es dauerte aber weitere sieben Jahre bis das tschechische Verfassungsgericht die Beschwerde anerkannte und eine Wiederaufnahme des Verfahrens für möglich erklärte.
Das Urteil von vergangener Woche beruft sich ausdrücklich auf diese Entscheidung des Verfassungsgerichts.
„Die Klägerin legte zwei neue Beweise vor, die im ursprünglichen Verfahren noch unbekannt waren. Diese belegen die jüdische Herkunft ihres Vaters und ihrer Großmutter“, erklärte der zuständige Richter Igor Pařízek in Hradec Králové. Diese Dokumente, so Pařízek, könnten für die Entscheidung in der Sache von maßgeblicher Bedeutung sein. Der Anwalt von Colloredo-Mansfeld, Tomáš Nahodil, sprach in diesem Zusammenhang von den „letzten Mosaiksteinchen“, die für die Wiederaufnahme des Verfahrens nötig seien – den Beleg über die teilweise jüdische Herkunft beziehungsweise die „rassisch motivierte“ Verfolgung der Familie Colloredo-Mansfeld durch die Nationalsozialisten.
Historische Bedeutung
Bei dem Beweisstück soll es sich um einen Auszug aus einem jüdischen Adelsalmanach von 1913 handeln, der angeblich die jüdische Herkunft der Großmutter belegt und damit zusammenhängend auch beweisen soll, dass die Enteignung der Colloredos durch die Nazis 1942 nicht nur einen politischen, sondern teilweise auch einen „rassischen“ Hintergrund hatte. Weil die Gräfin genau das im ursprünglichen Verfahren nicht hatte hinreichend belegen können, entschied das Gericht gegen sie. Zwar bedeutet die aktuelle Entscheidung nicht, dass es nun automatisch zu einem Wechsel des Eigentümers kommt; zunächst ermöglicht sie nur die Wiederaufnahme des Verfahrens. Würde das Gericht in diesem Verfahren allerdings das neue Beweismittel anerkennen, würden sich auch die Chancen auf eine Rückgabe deutlich erhöhen.
Das etwa 25 Kilometer östlich von Hradec Králové gelegene Schloss Opočno gilt unter anderem wegen seiner einzigartigen Waffen- und Gemäldesammlung als einer der bedeutendsten historischen Adelssitze Böhmens. Das Renaissanceschloss wurde Anfang des 18. Jahrhunderts im Barockstil umgebaut, der Kern des Schlosses blieb jedoch erhalten. Seit 1635 befand sich Opočno im Besitz der Grafen zu Colloredo. Historische Bedeutung erlangte es im Juni 1813, als dort der russische Zar Alexander I., der preußische König Friedrich Wilhelm III. sowie Fürst Metternich und Staatskanzler Hardenberg über ein antinapoleonisches Bündnis verhandelten.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“