„Regenbogenfamilien kaum sichtbar“

„Regenbogenfamilien kaum sichtbar“

Bürgerrechtlerin Štěpánková über Vorbilder und Vorrechte

29. 5. 2013 - Interview: Martin Nejezchleba

Vor sechs Jahren kämpfte Martina Štěpánková für die Einführung der eingetragenen Partnerschaft. Jetzt hat sie sich und der Bürgerinitiative PROUD ein neues Ziel gesetzt: das Recht auf Stiefkindadoption für Regenbogenfamilien. Warum gerade die Adoption durch Schwule und Lesben so stark kritisiert wird, erklärte sie PZ-Redakteur Martin Nejezchleba.

Die EU-Agentur für Grundrechte hat am 17. Mai, dem Internationalen Tag gegen Homophobie, eine Studie veröffentlicht, nach der sich knapp die Hälfte der LGBT-Personen (Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle) in Europa diskriminiert fühlen. Wie schätzen Sie die Lage in Tschechien ein?
Štěpánková: Die Studie hat unserem Land kein ganz so schlechtes Zeugnis ausgestellt. Diskriminierung am Arbeitsplatz etwa ist nicht besonders verbreitet in Tschechien. Wo wir schlecht abschneiden, ist etwa Schikane von Homo­sexuellen in Schulen.

Homosexuelle können in Tschechien also relativ problemfrei leben?
Štěpánková: Die Situation ist recht positiv. Allerdings zeigt etwa das Thema der Adoption, dass es Bereiche gibt, in denen die Homophobie deutlich zu Tage tritt. Elternschaft wird als Vorrecht ausschließlich der Heterosexuellen wahrgenommen.

Was steckt hinter dieser traditionellen Orientierung? Tschechien gilt ja nicht gerade als Land, das besonders an christlichen Werten hängt.
Štěpánková: Ich würde gar nicht sagen, dass die Tschechen besonders traditionell veranlagt sind. Sonst gäbe es auch keine Scheidungsrate von fast 50 Prozent. Bei den Bedenken vor homosexuellen Eltern ist wohl eher entscheidend, dass diese Familien kaum sichtbar sind. Wenn von Adoptionen die Rede ist, dann wird immer danach gefragt, ob Schwule oder Lesben Kinder erziehen sollten. Wir betonen dabei immer: Diese Frage stellt sich gar nicht. Denn das geschieht längst. Aber diese Familien werden kaum in der Öffentlichkeit wahrgenommen.

Sind in Prag Homosexuelle generell nicht weniger sichtbar als in anderen europäischen Großstädten? Händchenhaltende Männer sieht man hier so gut wie nie. Gibt es immer noch Angst?
Štěpánková: Teilweise ja. Outing wird in Tschechien kaum unterstützt. Wir haben beispielsweise keine Spitzenpolitiker, die sich zu ihrer Homosexualität bekennen würden. Auch im Sport gibt es keine solchen Rollenvorbilder.

Zum Thema: Das Wohl des Kindes