Rätselhafte Explosionen

Rätselhafte Explosionen

Polizei ermittelt nach Detonationen in einem Munitionslager in Ostmähren

10. 12. 2014 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: Policie ČR

Augenzeugen berichten von Zuständen wie im Krieg, die Polizei ermittelt und die Regierung schickt Soldaten: Nach mehreren Explosionen in einem Munitionslager im ostmährischen Vrbětice bleiben viele Fragen offen. Auch eine vorsätzliche Straftat wird nicht ausgeschlossen.

Die erste Lagerhalle mit etwa 50 Tonnen Munition war bereits am 16. Oktober explodiert. Sie befand sich auf dem Gelände des tschechischen Verteidigungsministeriums im Kreis Zlín. Zwei Arbeiter kamen bei der Detonation ums Leben. Sie waren bei der Firma Imex Group aus Ostrava beschäftigt, die das Lager gemietet hat. Pyrotechniker reinigten das Gelände daraufhin bis Ende November, die verbleibende Munition sollte anschließend abtransportiert werden. Am 3. Dezember kam es jedoch auf dem Gelände in einem zweiten Lager der gleichen Firma zu einer weiteren Explosion mit fast 13 Tonnen Zündstoff.

Seitdem warten die Spezialisten darauf, dass neun Tage vergehen, ohne dass es zu einer neuen Detonation kommt. Erst dann können sie damit beginnen, das Gelände auf den Abtransport der verbleibenden Munition vorzubereiten. Da bis Dienstagnachmittag keine Zwischenfälle gemeldet wurden, wollen die Experten am kommenden Montag über das weitere Vorgehen entscheiden. Polizeiangaben zufolge kann der Abtransport der etwa 7.000 Tonnen Munition frühestens Ende Dezember beginnen.

Hermetisch abgeriegelt
Die Regierung hat mittlerweile 450 Soldaten in die Region geschickt, die das Lager bewachen sollen. Innenminister Milan Chovanec (ČSSD) sagte am Montag, dass das Gelände hermetisch abgeriegelt werden solle. Das hänge mit den Ermittlungen zusammen, da nun davon ausgegangen werde, dass es sich möglicherweise um eine vorsätzliche Straftat handeln könne. „Die Soldaten und Polizisten werden im Abstand von 90 Metern platziert, sie werden Sichtkontakt haben und das Gelände so bewachen, dass es wirklich niemand betreten kann“, erklärte Chovanec.

Die Oppositionsparteien forderten eine außerordentliche Sitzung des Abgeordnetenhauses, in der es um die Ursachen der beiden Explosionen gehen soll. Um eine solche Sitzung einzuberufen, benötigen sie die Unterschriften von 40 Abgeordneten, gemeinsam verfügen die Oppositionsparteien über 89 Stimmen, auch Politiker der Koalitionsparteien KDU-ČSL und ANO sprachen sich dafür aus. Wahrscheinlich wird es in der nächsten Woche zu der geforderten außerordentlichen Sitzung kommen.

Ob die Regierung die Ursachen für die Explosionen bis dahin kennt, ist unklar. Laut Jiří Lačňák, der das Team von Pyrotechnikern der Polizei leitet, gilt es jedoch als „sehr unwahrscheinlich“, dass die beiden Lager von selbst explodiert sind. Die Polizei untersucht die beiden Vorfälle und schließt mittlerweile auch eine mutwillige Gefährdung der Allgemeinheit nicht aus, ein Team aus Spezialisten des Polizeipräsidiums wurde eingesetzt.

Schadensersatz für Anwohner
Finanzminister Andrej Babiš (ANO) plädierte am Sonntag dafür, die etwa 1.500 Anwohner der nahegelegenen Ortschaften, die nach den Explosionen mehrfach evakuiert wurden, zu entschädigen. Außerdem kritisierte er öffentlich die Firma Imex Group, die Babiš zufolge keinen guten Namen habe. Deren Anwalt Radek Ondruš wiederholte am Montag, er fordere von Babiš eine Erklärung dieser Aussagen, sonst werde er ihn verklagen. Babiš hatte das Unternehmen im Tschechischen Fernsehen außerdem als kontrovers bezeichnet und sich überzeugt gezeigt, dass das zweite Munitionslager nicht zufällig explodiert sei. Imex-Anwalt Ondruš beteuert dagegen, dass der Finanzminister lüge.

Neben den Ursachen wollen die Abgeordneten von der Regierung auch wissen, welche Maßnahmen sie ergriffen hat, um ähnliche Vorfälle in anderen Munitionslagern im Land zu verhindern. Es sei auch noch nicht beantwortet, wer für die Beseitigung der Folgen der Explosion aufkommen müsse, sagte Karel Fiedler (Úsvit). Auch die Anwohner seien seiner Meinung nach nicht ausreichend informiert worden. Er wolle sich dafür einsetzen, dass auch der Bürgermeister der Gemeinde Vlachovice, zu der Vrbětice gehört, bei den Verhandlungen anwesend sein werde, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Abgeordnetenhauses Petr Gazdík (STAN).

Der Vorsitzende der Christdemokraten Pavel Bělobrádek zeigte sich „beunruhigt über die Unübersichtlichkeit der Situation“. Verteidigungsminister Martin Stropnický (ANO) zufolge gebe es einige Unklarheiten, zum Beispiel was die Pflicht zur Kontrolle des Munitionslagers betreffe. Seiner Meinung nach habe die Armee nur die Menge der gelagerten Munition überprüfen können, für den Inhalt der einzelnen Depots und Kisten sei die Polizei zuständig gewesen.

Ebenfalls offen ist, was mit der verbleibenden Munition geschehen soll. Ein Teil davon könnte bis Ende des Jahres 2015 auf dem Militärgelände in Květná nahe der Stadt Svitavy im Kreis Pardubice lagern. Die Bürgermeister von Květná und umliegenden Gemeinden fordern vom Staat eine Sicherheitsgarantie, die das Risiko auf ein Minimum reduzieren soll. In dem Lager sollen vorübergehend 2.800 Tonnen Munition des Unternehmens Excalibur Army gelagert werden. Vertreter des Verteidigungs- und Innenministeriums erklärten nach einem Treffen des Sicherheitsrates am Dienstag, sie würden sich bemühen, den Forderungen nachzukommen.