Prestigeprojekt durchgesetzt

Prestigeprojekt durchgesetzt

Nach mehreren Anläufen hat das Parlament die elektronische Umsatzerfassung verabschiedet

24. 2. 2016 - Text: Ivan DramlitschText: Ivan Dramlitsch; Foto: APZ

„Ich glaube, das bringt gar nichts und kostet mich nur Geld und Nerven. Aber was soll ich machen“, zuckt Jaroslav Navrátil (Name von der Redaktion geändert) resigniert mit den Schultern. Der Mittfünfziger betreibt in einer mittelgroßen ostböhmischen Stadt einen kleinen Kiosk. So wie er werden sich demnächst hunderttausende Kleinunternehmer und Gewerbetreibende im ganzen Land auf die elektronische Umsatzerfassung, tschechisch kurz EET genannt, umstellen müssen.

Die EET ist ein Prestigeprojekt der Regierung und vor allem von Finanzminister Andrej Babiš (ANO). Das Prinzip besteht darin, dass der Gewerbetreibende permanent mit den Servern der Finanzverwaltung in Verbindung steht und jede Zahlung per Bargeld, Scheck, Gutschein und Kreditkarte sofort online registriert wird. Laut Regierung soll damit die Schattenwirtschaft bekämpft werden. Babiš rechnet zudem mit Steuermehreinnahmen von etwa 18 Milliarden Kronen (etwa 660 Millionen Euro). Inspiriert hat sich der Finanzminister in Kroatien, wo eine ähnliche Umsatzerfassung seit 2013 funktioniert.

Gegen die Einführung des Systems liefen Verbände und Oppositionspolitiker monatelang Sturm. Mehrfach musste die Verabschiedung des Gesetzes vertagt werden, da die Mitte-rechts-Parteien TOP 09 und ODS eine Abstimmung zu verhindern wussten. Vergangene Woche gelangte die Regierung von Sozial­demokraten, ANO und Christdemokraten dann doch ans Ziel – wenn auch nur unter Verletzung der parlamentarischen Geschäftsordnung, weshalb die Verabschiedung des Gesetzes ein verfassungsgerichtliches Nachspiel haben wird.

Kritik an der Datensicherheit
Die Opposition betrieb allerdings nicht nur eine Blockade­politik, sondern brachte auch Sachargumente gegen die Neuregelung vor – diese benachteilige vor allem die kleinen Gewerbetreibenden, auf die nun zusätzliche Kosten und ein zeitlicher Mehraufwand zukommen. Die Pflichtteilnahme setzt einen technischen Standard voraus, in den viele erst einmal investieren müssen. Auch werden die angenommenen Mehreinnahmen bezweifelt. Das Beispiel Kroatien zeige vielmehr, dass davon keine Rede sein könne – die Einnahmen aus der Umsatzsteuer seien dort gleich geblieben. „Dieses System benachteiligt ausnahmslos alle Unternehmer und Gewerbetreibende, anstatt sich auf die rechtswidrigen Praktiken einer kleinen Minderheit zu konzentrieren“, so ODS-Chef Petr Fiala.

Ein weiterer Kritikpunkt ist der mögliche Missbrauch sensibler Daten. Auf den Servern der Finanzverwaltung werden Informationen über Millionen von Geschäftsbeziehungen lagern, Informationen, die Gold wert sein können. Experten kritisieren die bisher vom Minister vorgelegten Unterlagen in Bezug auf die Datensicherheit als völlig unzureichend. „Wer so laxe Sicherheitsbestimmungen formuliert, sollte auf keinen Fall über solche Datenmengen verfügen“, sagte IT-Experte Ivan Bartoš im Tschechischen Fernsehen.

Möglicher Datenmissbrauch ist für Kioskbesitzer Navrátil das kleinste Problem. „Die Steuer­betrüger werden weiter betrügen. Das Ganze ist doch für bestimmte Leute ein Riesengeschäft. Und die Zeche zahlen mal wieder wir.“