Presseschau: Orhan Pamuk, ramponierte Kirchen und der Euro-Komplott

 

12. 6. 2013 - Text: PZText: PZ

 

Hospodářské noviny
Ein ebenso prominenter wie berufener Kommentator kommt in der Zeitung „Hospodářské noviny“ zur Situation in der Türkei zu Wort: Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk nennt die Regierung Erdogan, gegen die in Istanbul derzeit Zehntausende protestieren, autoritär. „Ich lebe seit sechzig Jahren in Istanbul und ich kann mir nicht vorstellen, dass in dieser Stadt ein einziger Mensch lebt, der nicht wenigstens eine Erinnerung an den Taksim-Platz hat“, schreibt der Schriftsteller. Dass gerade gerade dort eine der letzten Grünflächen im Zentrum geopfert werden soll, nur damit ein weiteres Einkaufszentrum entstehen kann, spreche für den antidemokratischen Kurs Erdogans. Die Tatsache, dass solche bedeutenden Veränderungen an einem Ort vorgenommen werden sollen, der sich in die Erinnerungen von Millionen Istanbulern eingeprägt hat, ohne sich vorher mit den Bürgern zu beraten, war ein schwerer Fehler Erdogans, schreibt Pamuk.

Respekt
Ein jahrzehntelanger Rechtsstreit wurde in der vergangenen Woche beigelegt. Nachdem eine Gruppe von Senatoren im Februar gegen das Gesetz zur Rückgabe von während des Kommunismus konfisziertem Eigentum Verfassungsklage eingereicht hatte, wurde die Beschwerde vom Verfassungsgericht zurückgewiesen. Laut dem Chefredakteur der Zeitschrift „Respekt“ Erik Tabery sei es berechtigt zu glauben, dass die Kirchenrestitution das Land voranbringen wird. Immerhin sei damit der ewige Streit, ob der Besitz nun zurückerstattet wird oder nicht, von den Schultern des Landes gefallen. „Endlich können sich viele Gemeinden von den Grundstücken lösen, die über Jahre hinweg blockiert waren. Wenn die Kirche nun in die Renovierung dieser Denkmäler investiert, die Verwaltung der Wälder verbessert und vor allem die Hilfsbedürftigen unterstützt, dürfte das auch ihr ramponiertes Bild in der Öffentlichkeit wieder aufpolieren.“

Lidové noviny
Lenka Zlámalová kommentiert in der Tageszeitung „Lidové noviny“ das Eingeständnis des Internationalen Währungsfonds (IWF). Der IWF hatte zugegeben, bei der Rettung Griechenlands vor dem Staatsbankrott Fehler begangen zu haben. Das, was als großzügige Rettung präsentiert wurde, habe die Griechen in Wirklichkeit zu einer tiefen Rezession verdammt, meint Zlámalová. Der Grund läge auf der Hand: Über das meiste Geld auf den Konten im Schuldenstaat habe Frankreich verfügt. Um vor der damals noch anstehenden Parlamentswahl keinen großen Wirbel in Paris zu erzeugen und um den französischen Banken Zeit zu geben, habe der damalige Präsidentschaftsanwärter und IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn Griechenland geopfert. „So sieht Solidarität in der Eurozone und im unabhängigen IWF aus. Die politischen Eliten Griechenlands waren immer sehr pro-europäisch und haben alles angenommen, was ihnen Brüssel servierte. Auch das hilft einem kleinen, „für das System unbedeutenden“ Land nicht.

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