Neues Kapitel aufgeschlagen

Prag und Peking vertiefen wirtschaftliche Beziehungen
3. 9. 2014 - Text: Marcus HundtText: mh; Foto: vlada.cz
In der vergangenen Woche konnten die Leser tschechischer Zeitungen den Eindruck gewinnen, die Wirtschaft ihres Landes werde bald von China dominiert. Auch in den Fernsehnachrichten war mehr als sonst von chinesischen Unternehmen und den Beziehungen nach Fernost die Rede. „Finanzministerium wünscht sich Filiale der Industrial & Commercial Bank of China in Prag“, „Tschechische Exportbank verstärkt Zusammenarbeit mit chinesischer Export Import Bank“, „Chinesischer Präsident lädt Zeman zum Staatsbesuch ein“, „Direkte Flugverbindung zwischen Prag und Shanghai geplant“, „Anzahl chinesischer Touristen hat sich in drei Jahren mehr als verdoppelt“, „Vereinigung für die wirtschaftliche Zusammenarbeit Europas mit China soll in Tschechien ihren Hauptsitz haben“ – eine Flut von Schlagzeilen überschwemmte die tschechische Medienlandschaft.
Wem das alles chinesisch vorkommt, sollte wissen, dass am Donnerstag und Freitag vergangener Woche in Prag hochrangige Vertreter aus Politik und Wirtschaft zum Chinesischen Investitionsforum zusammenkamen. Die mehr als 1.200 Teilnehmer aus Tschechien und China, unter ihnen auch der für Wirtschaft und Finanzen zuständige chinesische Vizepremier Zhang Gaoli, debattierten über eine künftige Zusammenarbeit in den Bereichen Industrie, IT, Wissenschaft und Gesundheitswesen. Den Tschechen ging es im Grunde genommen nur darum, so viele chinesische Investoren wie möglich in ihr Land zu locken.
Der tschechische Parlamentsvorsitzende Jan Hamáček (ČSSD) zeigte sich zum Abschluss des Forums mehr als zufrieden. Mit der Veranstaltung sei ein neues Kapitel in den Beziehungen beider Länder aufgeschlagen worden – und das nicht nur auf wirtschaftlicher, sondern auch auf politischer und kultureller Ebene. Bohuslav Sobotka (ČSSD) hatte bereits in seiner Eröffnungsrede im Spanischen Saal der Prager Burg betont, dass die Zusammenarbeit mit China eine der Prioritäten seiner Regierung darstelle. Eine wichtige Rolle spiele dabei die direkte Flugverbindung zwischen Prag und Shanghai.
Tags zuvor hatte Verkehrsminister Antonín Prachař (ANO) verkündet, dass die staatliche Český Aeroholding, die Muttergesellschaft der Fluggesellschaft ČSA, dieses Projekt mit rund 38 Millionen Kronen (umgerechnet 1,4 Millionen Euro) unterstützen werde. Einzige Bedingung: Die Flüge müssen mindestens vier Mal pro Woche über einen Zeitraum von fünf Jahren durchgeführt werden.
Auch Prachařs Ministerkollegen zeigten sich nach dem Forum ungewohnt gut gelaunt. Zu ihnen gehörte Gesundheitsminister Svatopluk Němeček (ČSSD), der mit seinem chinesischen Amtskollegen eine Zusammenarbeit im Kurwesen ausgehandelt hatte, von der er sich einen Anstieg der Patientenzahlen in Tschechiens Heilbädern verspricht.
So wichtig die Wirtschaftsbeziehungen auch sein mögen, bei einem Punkt, versicherte Premier Sobotka, stünden die Tschechen nicht auf der Seite der Chinesen. „Auf die Einhaltung der Menschenrechte legen wir besonders großen Wert – allein schon aus unserer eigenen historischen Erfahrung“, sagte er vor den mehr als 500 angereisten Gästen aus China.
Chinesen wollen Temelín ausbauen
Am Rande des Investitionsforums haben chinesische Regierungsvertreter gegenüber Tschechiens Wirtschaftsminister Jan Mládek (ČSSD) ihr Interesse an einem möglichen Ausbau des Atomkraftwerks Temelín bekundet. „Im Falle einer Ausschreibung will China daran teilnehmen“, erklärte Ministeriumssprecher František Kotrba am vergangenen Donnerstag. Der Energiekonzern ČEZ hatte im April den Wettbewerb gestoppt, nachdem die tschechische Regierung keine Mindestabnahme-Preise garantieren wollte. Dass eine neue Ausschreibung für den Temelín-Ausbau ausgerufen wird, gilt jedoch als nahezu sicher. (PZ)
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