Napoleon in Südmähren
Zum 210. Jahrestag der Schlacht von Austerlitz werden tausende „Krieger“ und Zuschauer erwartet
25. 11. 2015 - Text: PZText: PZ; Foto: Jean-Claude Brunner
Mehr als 2.000 Männer ziehen am ersten Dezemberwochenende in der Nähe von Brünn in die Schlacht. Sie kommen aus zehn Ländern, tragen aus der Zeit gefallene Kostüme und folgen einem kleinen Mann, der Geschichte schrieb.
Anlässlich des 210. Jahrestags der Schlacht von Austerlitz (Slavkov) – in der Kaiser Napoleon I. von Frankreich am 2. Dezember 1805 die österreichischen und russischen Truppen besiegte – meldeten sich mehr Statisten, als die Organisatoren des Reenactments erwartet hatten. Über 3.000 Interessierte wollten sich beteiligen, sagt Miroslav Jandora von der Mitteleuropäischen Napoleon-Gesellschaft (CENS). Seit 2003 organisiert die Gesellschaft die Nachstellung der Schlacht, die als eines der wichtigsten Kriegsereignisse der Neueren Geschichte gilt. Aus Kapazitätsgründen musste Jandora in diesem Jahr jedoch mehr als tausend Männer wieder ausladen.
Schauplatz des Reenactments ist traditionell der Hügel Santon westlich des Dorfes Tvarožná, wo am Samstag, 5. Dezember 2.000 Soldaten, 120 Pferde und 20 Kanonen zum Einsatz kommen. In der Gestalt Napoleons erscheint der US-amerikanische Schauspieler Mark Schneider, der bereits in den vergangenen Jahren mehrmals als französischer Feldherr aufgetreten war. Am Sonntag, 6. Dezember erwartet Besucher eine Gedenkveranstaltung am Grabhügel des Friedens, an dessen Stelle 1805 die schwersten Kämpfe ausgefochten wurden.
Wer am Originalschauplatz mehr über die Schlacht von Austerlitz erfahren will, sollte das Museum in der Alten Post (Stará Pošta) in Kovalovice besuchen. Neben dem historischen Gebäude, in dem einst Napoleon nächtigte und über einen Waffenstillstand verhandelte, befindet sich das Denkmal der gefallenen Pferde. Es erinnert daran, dass neben etwa 40.000 Soldaten auch rund 5.000 Reittiere in der Schlacht starben. Im Jubiläumsjahr wird neben dem Denkmal zudem die Nachbildung einer Gribeauval-Lafette zu sehen sein. Die Feldgeschütze, die der französische Artilleriegeneral Jean-Baptiste Gribeauval entworfen hatte, bildeten die Grundlage für die Überlegenheit der Truppen Napoleons. Bereits in der Woche zuvor erinnern zudem in Brünn und an anderen Orten mehrere Veranstaltungen an die Schlacht von Austerlitz.
Laut Veranstalter kostet das Reenactment in diesem Jahr rund fünf Millionen Kronen (etwa 185.000 Euro). Die Hälfte davon trägt der Südmährische Kreis; den Rest übernehmen private Sponsoren und Veranstalter. Welche Begeisterung die Nachstellung militärischer Ereignisse hervorrufen kann, zeigte sich 2005, als sich die Schlacht zum 200. Mal jährte. Damals nahmen mehr als 3.500 Menschen aus 24 Ländern an dem Spektakel teil, das von mehr als 30.000 Schaulustigen verfolgt wurde. Diesmal rechnen die Veranstalter bei schönem Wetter mit 25.000 Zuschauern.
Schlacht von Austerlitz, Samstag und Sonntag, 5. und 6. Dezember, freier Zutritt zum Gelände, Stehplatz auf der Tribüne: 280 CZK, Sitzplatz auf der Tribüne inklusive Verpfle-gung: 1.600 CZK, Informationen unter www.austerlitz.org
Folgenreiche Schlacht
„Eine Armee von 100.000 Menschen, befehligt von den Kaisern von Russland und Österreich, ist in weniger als vier Stunden aufgerieben und verstreut worden. Wer euren Klingen entkam, ertrank in den Seen. Vierzig Fahnen, die Standarten der russischen Leibgarde, 120 Kanonen, zwanzig Generäle und mehr als 30.000 Kriegsgefangene sind die Ausbeute dieses auf immer berühmten Tages. Ihre so gerühmte Infanterie hat trotz ihrer Überzahl eurem Ansturm nicht standhalten können, und von nun an habt Ihr keine Gegner mehr zu fürchten.“ (aus dem Bulletin Napoleons an seine Soldaten)
Im Frühjahr 1805 hatten sich Österreich, England und Russland zur Dritten Koalition zusammengeschlossen, um Napoleon zu besiegen. Napoleons einzige Chance bestand darin, die Verbündeten einzeln zu schlagen. Neben seinem taktischen Geschick half ihm die mangelhafte Abstimmung der Alliierten. Nach der Niederlage in der Schlacht von Trafalgar gegen die Engländer konnte der französische Kaiser nahezu kampflos Wien einnehmen, da es Russen und Österreicher versäumt hatten, ihre Kalender abzugleichen. Einem wahrscheinlichen Kriegseintritt der Preußen kam Napoleon bewusst zuvor.
Am 2. Dezember 1805 standen 86.000 Russen und Österreicher etwa 73.000 Franzosen gegenüber. An diesem Tag herrschte zunächst Bodennebel, der später der legendären „Sonne von Austerlitz“ wich. Die Franzosen konnten den anstürmenden Verbündeten von Beginn an standhalten. Als sie gegen den Feldherrenhügel des russischen Befehlshabers Kutusow vorrückten und der Kommandostand fiel, war die Schlacht entschieden: Österreicher und Russen flüchteten. Viele wagten sich auf das Eis zugefrorener Seen, die Napoleon beschießen ließ. Tausende brachen ein und starben in der kalten Dezembernacht. Die dritte Koalition war gesprengt, Napoleons Stellung unangefochten.
Österreich verlor im Frieden von Pressburg wichtige Gebiete, Russland war ohne Friedensschluss aus dem Krieg ausgeschieden. Am 6. August 1806 legte Franz II. die deutsche Kaiserwürde ab: Das Ende des Heiligen Römischen Reiches war damit besiegelt. Die Schlacht hat auch Einzug in die Weltliteratur gehalten. Unter anderem schilderte Leo Tolstoi den Kampfverlauf in seinem Monumentalwerk „Krieg und Frieden“. (mh)
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