Leckerbissen mit Geschichte

Leckerbissen mit Geschichte

Wo es in Prag den besten Hermelín-Käse gibt

2. 4. 2015 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: M. Hundt

 

Es ist kein mariniertes Wiesel, das sich auf der Speisekarte nahezu jeder tschechischen Kneipe versteckt: „Nakládaný hermelín“, der in Öl, Knoblauch und Gewürzen eingelegte Weichkäse gehört mindestens genauso zur böhmischen Bierstube wie der Gerstensaft selbst. Meist unter der Rubrik „Něco k pivu“ („Etwas zum Bier“) zu finden, ist der würzige Camembert-Käse nicht nur für Vegetarier eine gute Wahl in der traditionell von Fleischgerichten dominierten Küche. Vor allem an einem langen Abend bildet er eine gute Grundlage für die folgenden zwei bis zwölf Bier.

Seinen Namen verdankt er seinem weißen Schimmelpelz, der an das Hermelinfell erinnert, in das sich früher gern Könige hüllten. Da die Bezeichnung Camembert für einen Weißschimmelkäse urheberrechtlich geschützt war, wurde er in Böhmen Hermelín genannt, wie der größte Produzent „Král sýrů“ verrät. Erstmals wurde er in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hergestellt. Heute liegt er in jedem tschechischen Supermarkt, leicht zu erkennen an der Verpackung, die ein mit Hermelinmantel bekleideter König schmückt.

In Gaststätten gibt es den eingelegten Weichkäse in verschiedenen Variationen – vom Klassiker mit Pfefferoni und Knoblauch über herzhaft-süße Varianten mit Walnüssen oder Pflaumen bis hin zum gegrillten oder panierten Hermelín. Die Qualitätsunterschiede können erheblich ausfallen. Je nach Reifegrad landet mitunter auch ein fader oder aber aufgeweichter Käse auf dem Teller. Damit Ihnen nicht der Wolf im Schafspelz untergejubelt wird, hat die PZ verschiedene Hermelín-Angebote getestet. Hier eine Übersicht über die Gaststätten in Prag, die einen wirklich schmackhaften Hermelín anbieten, sofern der Wirt ihn nicht vorzeitig aus dem Glas holt.

Der angeblich beste Hermelín – das behaupten zumindest zahlreiche Prager – kommt in Smíchov in der Kneipe Brouk auf den Tisch. Das Lokal befindet sich in der Vltavská-Straße gegenüber der Staropramen-Brauerei. Wer es betritt, sollte sich nicht abschrecken lassen von lauter Musik und dem Charme einer einfachen Spelunke. Im Keller öffnet sich ein schlicht eingerichteter Gastraum mit Tischfußball, Dartscheibe und Bar. Hier treffen sich vor allem junge Prager, um Karten zu spielen, zu quatschen oder zu kickern. Der Hermelín im Brouk wird mit Walnüssen, einer scharfen Gewürzpaste, Knoblauch, und reichlich frischen Zwiebeln serviert. Dazu gibt es geschnittenes Brot. Mit einer Pfefferoni verziert ist er nicht nur eines der pikantesten, sondern wohl auch eines der schönsten Hermelín-Exemplare. Leider war er am Tag der Stichprobe ein wenig frühreif. Unschlagbar bleibt aber sein Preis: Die reichhaltige Portion erhält man für 62 Kronen.

Mild oder würzig
Mit einer recht großen Käse-Auswahl überrascht die Bar der Kletterhalle Mammut in Holešovice. Gegenüber dem Messegelände gelegen, muss man den Schildern über einen Hinterhof folgen, um sie zu finden. Die Tür zur Kletterhalle wird erst nach dem Klingeln geöffnet. Aber das sollte nicht abschrecken. Die Betreiber sind überaus freundlich und aufgeschlossen, verwickeln auch Fremde in ein kurzes Gespräch. Im Kühlschrank an der Bar stehen etwa sechs verschiedene Sorten eingelegter Hermelín: Neben dem Klassiker wird er mit Mandarinen und Blauschimmelkäse (s mandarinkami), mit Preiselbeeren (s brusinkami), mit Pflaumen (se švestkami), mit Nüssen (s ořechami) oder mit Olmützer Quargel (s tvarůžky) angeboten. Die Käse stammen alle aus der Manufaktur in Davle, wo sie als „Leckerbissen mit Geschichte“ („Dobroty s příběhem“) von Menschen mit Behinderung zubereitet werden. Ein geringer Prozentsatz der 65 Kronen, die die Zwischenmahlzeit in der Mammut-Bar kostet, fließt zurück an das Projekt, aus dessen Erlös die Werkstatt in Davle weiter ausgebaut wird.

Einen ebenfalls schmackhaften Hermelín bekommt man im Restaurant Na Květnici in Nusle. Die klassische Zubereitung mit Knoblauch, Pfefferoni und Zwiebeln überzeugt, auch wenn sie in Öl schwimmt. Dafür erhält man einen Korb mit einigen Scheiben Brot, die man in die Soße tunken kann.

Auch der „Tunel“ in Žiźkov bietet einen soliden Hermelín. In der Rock-Kneipe in der Koněvova-Straße wird der Käse tatsächlich selbst zubereitet. In der Regel erwartet Gäste der Klassiker, hin und wieder kommt auch die ungleich schärfere Kreation mit Jalapeńos und Chili-Paste oder eine milde Variante mit Pesto auf den Tisch.

Wer das Risiko vermeiden will, einen un- oder überreifen Hermelín zu erwischen, kann den Käse auch selbst zubereiten. Das Rezept ist einfach und lässt sich je nach Geschmack um beliebige Zutaten erweitern.

Brouk, Vltavská 22, Prag 5, geöffnet: täglich 17–2 Uhr

Lezecké Centrum Mammut, Bubenská 43, Prag 7, geöffnet Mo. und Fr.–So. 10–23 Uhr, Di.–Do. 7–23 Uhr, www.stenaholesovice.cz

Na Květnici, Na Květnici 1A, Prag 4, geöffnet: Mo.–So. 11–23.30 Uhr, So. 11–23 Uhr, www.nakvetnici.cz

Tunel, Koněvova 59, Prag 3, geöffnet: täglich 16–2 Uhr

Rezept: Der Klassiker

Zutaten:

5 Camembert-Käse
1 Knolle Knoblauch
2–3 Zwiebeln
Eingelegte Pfefferoni
Pimentkörner
Pfefferkörner
Süßes Paprikapulver
Salz
Einweggläser
Sonnenblumenöl

Die Zwiebeln und den Knoblauch in dünne Ringe schneiden, einige Zehen ganz belassen. Den Camembert-Käse waagerecht in der Mitte durchschneiden und beide Hälften mit einigen Zwiebel- und Knoblauchscheiben belegen, mit Pfeffer und Paprikapulver bestreuen und leicht salzen. Die Hälften wieder zusammenklappen und den ganzen Käse vorsichtig in ein Einwegglas legen, mit Öl übergießen. Mit dem restlichen Käse ebenso verfahren, ihn anschließend mit Zwiebelringen und den ganzen Knoblauchzehen, Peffer- und Pimentkörnern sowie Pfefferoni abwechselnd in ein Glas schichten. Der Hermelín sollte kühl gelagert werden und mindestens fünf Tage durchziehen. Je nach Geschmack können die Pfefferoni durch Nüsse, Pflaumen oder Preiselbeeren ersetzt werden. Auch getrocknete Tomaten und Pesto ergeben einen schmackhaften Hermelín.   (fn)