Lebensaufgabe Frieden

Lebensaufgabe Frieden

Vor hundert Jahren starb die Pazifistin Bertha von Suttner. Als erste Frau erhielt die gebürtige Pragerin 1905 den Friedensnobelpreis

11. 6. 2014 - Text: Sabina PoláčekText: Sabine Poláček; Foto: Carl Pietzner, Stadtchronik Wien, Verlag Christian Brandstädter (1906)

 

„Belehren Sie mich, überzeugen Sie mich – und dann will ich für die Bewegung etwas Großes tun!“ Mit diesen Worten versicherte Alfred Nobel seine Unterstützung für die Friedensbewegung, die Bertha von Suttner Ende des 19. Jahrhunderts leidenschaftlich vorantrieb. Denn in einer Donaumonarchie voller Nationalitätenkonflikte und in einem Europa voller Kriegslust war das Friedensengagement für eine Frau des 19. Jahrhunderts eine undankbare Aufgabe. Mit ihrer Beharrlichkeit brachte sie es bis zum Friedensnobelpreis, den sie 1906 in Oslo (damals Kristiania) entgegennahm. Am 21. Juni 1914 starb die Pazifistin und Publizistin, kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Doch wie wurde sie eigentlich zur berühmten Friedenskämpferin?

Bertha Sophia Felicita Gräfin Kinsky von Wchinitz und Tettau kommt am 9. Juni 1843 im Prager Kinsky-Palais zur Welt. Als ihr Vater, ein Feldmarschall-Leutnant, im Alter von 75 Jahren bei ihrer Geburt stirbt, muss die Mutter die Erziehung und das finanzielle Auskommen allein in die Hand nehmen. Die junge Bertha genießt als Mitglied des Hochadels eine ausgezeichnete Ausbildung, lernt Französisch, Englisch und Italienisch und widmet sich intensiv der Musik und Literatur. Da Berthas Mutter jedoch als nicht standesgemäß gilt, wird die Familie Kinsky von anderen Familienmitgliedern nicht anerkannt. Als ihre Mutter der Spielsucht verfällt, das väterliche Vermögen aufgebraucht ist und keine Heiratskandidaten in Sicht sind, fasst die damals 30-jährige Baronin einen Entschluss: Sie nimmt in Wien eine Stellung als Gouvernante und Gesellschafterin bei der Familie Suttner an.

Als aber die Liebesbeziehung zwischen ihr und dem jüngsten Sohn Arthur auf Argwohn stößt, muss sie das Haus verlassen. Bertha Kinsky – inzwischen 33 Jahre alt – antwortet daraufhin auf eine Zeitungsannonce von Alfred Nobel, der in Paris eine Sekretärin sucht. Kurzerhand nimmt sie die Stellung bei dem zehn Jahre älteren Industriellen und Erfinder des Dynamits an. In ihren Memoiren schreibt sie über Nobel: „Von Gestalt unter Mittelgröße, dunkler Vollbart, weder hässliche noch schöne Züge, etwas düsteren Ausdruck, nur gemildert durch sanfte blaue Augen.“

Sie bleibt nur kurz. Als Arthur ihr ein Telegramm schickt, dass er ohne sie nicht leben kann, packt sie ihre Koffer und heiratet ihn heimlich in Wien. Da die Familie Suttner die Eheschließung nicht akzeptiert, enterbt sie den Sohn. Das frisch vermählte Paar wandert auf Einladung einer Fürstin nach Georgien in den Kaukasus aus. Neun Jahre lang verdient Bertha dort ihr Geld mit dem Verfassen von Zeitungsartikeln und Unterhaltungsromanen – nun unter dem Namen Bertha von Suttner. Währenddessen festigt sich die Brieffreundschaft zwischen ihr und Alfred Nobel, und die vielseitig interessierte Frau tauscht mit ihm Gedanken über Krieg und Frieden aus – meist mehrsprachig. Sie ist der Auffassung, dass sich der Mensch – der Darwinschen Theorie folgend – zu einem friedfertigen Wesen entwickeln kann.

Im Jahr 1885 kehrt das Ehepaar Suttner nach Harmannsdorf bei Wien zurück. Die nun 42-jährige Bertha erfährt von der „International Arbitration and Peace Association“ in London, einer Bewegung, die sich für Schiedsgerichte einsetzt, und ist begeistert. Das Thema Frieden ist „ein Thema, das mir schon mächtig die Seele erfüllt“, schreibt Suttner, die ihre Lebensaufgabe als Pazifistin gefunden hat.

1889 erscheint ihr utopischer Vorlesezyklus „Maschinenzeitalter“, der sich gegen den Nationalismus richtet, im selben Jahr wird ihr Antikriegsroman „Die Waffen nieder!“ veröffentlicht, der sie mit einem Schlag berühmt macht. Das Buch wird zum internationalen Bestseller und in mehrere Sprachen übersetzt – auch ins Tschechische. „Wie viel Zeit mag es Sie gekostet haben, dieses Wunderwerk zu verfassen?“, fragt Nobel in einem Brief an die Baronin und fügt hinzu, wie gern er ihre Hand drücken würde, „diese Amazonenhand, die so tapfer den Krieg bekämpft.“

Nicht nur Alfred Nobel, auch Leo Tolstoi, Theodore Roosevelt, Wilhelm Liebknecht und der tschechische Dichter Jaroslav Vrchlický zählen zu ihren Bewunderern. Die Friedensaktivistin, die Oper und Festlichkeiten liebt, und die für ihren Charme und ihre Intelligenz gerühmt wird, ist jedoch nicht unumstritten. Als „Friedensfurie“ und „hysterischer Blaustrumpf“ wird sie in Zeitungen karikiert. Die stets in Schwarz gekleidete, mit Brillanten behängte Frau kämpfe mit Weihwasser gegen Kanonen, spottet „Der Reichsbote“.

Doch die „Friedens-Bertha“, wie sie auch genannt wird, lässt sich von ihren Plänen nicht abbringen: 1891 gründet sie die „Österreichische Gesellschaft der Friedensfreunde“ und später die „Deutsche Friedensgesellschaft“ in Berlin, die bis zum Kriegsausbruch 1914 rund 10.000 Mitglieder zählte. Sie wird zur Vizepräsidentin des Internationalen Friedensbüros auf dem dritten Weltfriedenskongress in Rom gewählt, hält Vorträge und nimmt weltweit an Kongressen teil, wo sie auf einflussreiche Persönlichkeiten trifft.

Die Kriegsgefahr als „Orgie des Dämons Gewalt“ im mittleren und westlichen Europa sieht sie als Bedrohung und fordert ein Ende des Säbelgerassels und Wettrüstens. Bertha von Suttner unterbreitet Vorschläge, wie Staatenbeziehungen ohne Konflikte geführt werden können: durch Schiedsgerichtsverträge, Friedensunionen und die Gründung internationaler Institutionen. Außerdem ermutigt sie ihren Freund und Förderer Alfred Nobel, einen Friedensnobelpreis ins Leben zu rufen.

Diesen bekommt sie 1905 sogar selbst für ihre unermüdlichen Friedensbemühungen verliehen. „Spät“, wie die damals 62-Jährige findet. Ihr Mann Arthur, ebenfalls Friedensaktivist und Kämpfer gegen den Antisemitismus in Österreich und Deutschland, stirbt wenige Jahre vor der Verleihung.

Noch mit 70 Jahren unternimmt Bertha von Suttner eine sechsmonatige Vortragsreise in die USA. Am 21. Juni 1914 erliegt sie in Wien einem Krebsleiden. „Es war ein Hinüberschlummern ohne Kampf“, berichtet ihr Mitstreiter Alfred Hermann Fried.

Was hätte sie wohl dazu gesagt, dass die Europäische Union 2012 für ihre Aussöhnungspolitik mit dem Friedensnobelpreis gewürdigt wurde? Vermutlich das, wofür sie bereits auf dem Peace Congress in London 1908 plädierte: „Europe is one!“

„Bertha von Suttner in Wort und Bild“

Bis 25. Juli ist der Friedensforscherin und Schriftstellerin eine Plakat-Ausstellung im Österreichischen Kulturforum Prag gewidmet. Das Kulturforum befindet sich unweit der Kirche St. Maria Schnee des Franziskanerklosters, wo Bertha von Suttner getauft wurde. Jungmannovo náměstí 18, Prag 1 (Neustadt), geöffnet: Montag bis Freitag 10 bis 17 Uhr, Eintritt frei

Von 20. bis 30. Juni wird die Ausstellung auch auf ausgewählten Litfaßsäulen im Prager Zentrum zu sehen sein. Die Eröffnung findet am 20. Juni um 11 Uhr bei der Litfaßsäule an der Straßenecke Havlíčkova/Na Florenci statt.