Kreativer Start in den Tag

Kreativer Start in den Tag

Bei den Treffen von „CreativeMornings“ können Angestellte noch vor Arbeitsbeginn gemeinsam um die Ecke denken

9. 12. 2015 - Text: Katharina Wiegmann

Jakub Ptačin redet so schnell, dass man allein beim Zuhören außer Atem gerät. Der 25-jährige Slowake ist unter anderem Designer, Marketing-Spezialist und Autor einer Online-Serie über nachhaltiges Unternehmertum. Ein typischer Vertreter der Generation Y eben, wie er selbst sagt. Einer, der die Grenzen zwischen Privat und Beruf kaum trennt, ständig auf dem Sprung zum nächsten Projekt. Heute ist er in einer modernen Brauerei im Prager Stadtteil Vinohrady bei der Vortragsreihe „CreativeMornings“ als Redner zu Gast. Sein Thema: Arbeit.
„CreativeMornings“ wurden 2008 von der amerikanischen Bloggerin Tina Roth-Eisenberg in New York begründet. Nach vielen langatmigen Konferenzen war sie zu der Erkenntnis gelangt, dass die kurzen Gespräche in der Kaffeepause oft der ergiebigste Teil der ganzen Veranstaltung waren. Ihr Konzept: kurze, inspirierende Vorträge und die Möglichkeit, andere kreative Köpfe kennenzulernen – das alles noch vor der Arbeit, am frühen Morgen. Kaffee und Frühstück gibt es umsonst.

Der Prager Jiří Sekera war 2011 für einen Monat in New York und auf der Suche nach spannenden Ausstellungen und Veranstaltungen. Zufällig stieß er auf die „CreativeMornings“. Begeistert von der Dynamik und Atmosphäre informierte er sich, zurück in Tschechien, über die Bedingungen, einen Ableger der Reihe zu gründen. „CreativeMornings“ ist eine schnell wachsende Organisation. Etwa 130 Städte sind inzwischen Teil des globalen Netzwerks. Von Singapur bis Sofia, Berlin bis Bangkok: Einmal im Monat, immer freitags um 8.30 Uhr, organisieren Freiwillige die Veranstaltung. Seit ungefähr zwei Jahren wird jeweils ein Thema für alle ausgegeben. Auf welche Art und Weise die Teams es angehen und welche Redner sie einladen, bleibt ihnen selbst überlassen. In den letzten Monaten ging es beispielsweise um Schock, Revolution, Empathie, Roboter oder das Klima.

Sekera ist es wichtig, dass der Prager Ableger der „CreativeMornings“ einen ganz eigenen Ansatz hat. „Viele Teams veranstalten die Vorträge immer am selben Ort und laden Leute aus einem ganz bestimmten Umfeld ein: Werber, Designer, PR-Leute. Wir versuchen jedes Mal einen Ort zu finden, der zum Thema passt und beschränken uns bei den Rednern nicht auf ein Metier“, sagt Sekara. Die Brauerei in Vinohrady habe er ausgewählt, weil hier alle Arbeitsprozesse unter einem Dach passieren. Die Kolatschen, die es zum Frühstück gibt, nehmen ebenfalls Bezug zum Thema und spielen auf ein tschechisches Sprichwort an: „Bez práce nejsou koláče“. Frei übersetzt heißt das so viel wie „Ohne Fleiß kein Preis“.

Seit dreieinhalb Jahren gibt es die kreativen Morgenveranstaltungen in Tschechien, 41 Redner haben seitdem an Prager Orten wie dem Klub Jazz Dock, dem Expo-Pavillon im Letná-Park oder dem Kulturzentrum Radlická in Smíchov über Demut, Kooperation oder Hässlichkeit gesprochen. Die Vorträge werden aufgenommen und sind anschließend frei im Internet abrufbar. Die Aufnahme seines bisherigen Favoriten zum Thema „Spiel“ hat Gastgeber Sekera „bestimmt schon sechs oder sieben Mal“ gesehen. Im Prager Theater Disk erzählte Opernregisseur Tomáš Pilař von seiner Arbeit und davon, wie man es schafft, wirklich zu genießen. Statt die vorgegebenen 20 Minuten für die Beantwortung von Fragen zu nutzen, bat er das gesamte Publikum auf die Bühne und zeigte an seinem Beispiel, wie man mit einem Ensemble arbeitet – oder eben spielt. „Auch wenn die Redner Spezialisten sind, die Themen sind eigentlich universell“, sagt Sekera, der selbst als Web-Designer arbeitet. Ihm gefällt es, wenn die Vortragenden persönliche Geschichten erzählen.

An diesem Novembermorgen folgen rund hundert Zuhörer Ptačins verbalem Hochgeschwindigkeitsritt durch sein Arbeitsleben. Rund 90 weitere Interessenten hätten auf der Warteliste gestanden, erzählt Tereza Jakešová, die seit einem Jahr bei der Organisation der „CreativeMornings“ hilft und alle Gäste mit einem offenen Lächeln begrüßt. Trotz der großen Teilnehmerzahl ist die Stimmung entspannt, viele der Besucher kennen sich. Kaum jemand scheut sich, Ptačin auch persönliche Fragen zu stellen. Das Netzwerken scheint man hier nicht erzwingen zu müssen. „Hast du eigentlich auch manchmal frei?“, fragt ein Mann um die 30 aus dem Publikum. „Schwierig“, sagt Ptačin. Aber wenn Arbeit so aussieht, wie heute bei den „CreativeMornings“, steht es vielleicht nicht so schlecht um die Generation Y. Für diese Erkenntnis lohnt sich das frühe Aufstehen.

Mehr Informationen unter www.creativemornings.com