Kommentar: Zweifelhafte Werbung
Die „neutrale Gewalt“ im Staat soll er darstellen, das Land nach außen hin repräsentieren und vor allem eines sein: unparteiisch. So lässt sich das Amt eines Staatspräsidenten in parlamentarischen Demokratien umschreiben, etwa in Polen und Deutschland. Und eigentlich auch in der Tschechischen Republik. Eigentlich. Denn seit der Wahl von Václav Klaus zum Staatsoberhaupt im Jahr 2003 werden diese Prinzipien mehr oder weniger über Bord geworfen. Der Eindruck entstand, in Tschechien verfüge der Präsident über ähnlich weitreichende Konsequenzen wie in Frankreich oder Österreich. Zeman knüpft nun nahtlos an die Tradition seines Vorgängers an. Und baut sie sogar noch aus.
Dass die Regierung in einem aktuellen Fall nichts dagegen einzuwenden hat, liegt auf der Hand. Und auch die breite Öffentlichkeit scheint sich an die Praktiken ihres Staatsoberhaupts gewöhnt zu haben: Vor seiner Rede im Europaparlament erklärte Zeman öffentlich, dass er bei den kommenden Europawahlen den Sozialdemokraten seine Stimme geben werde. Der Kandidat der ČSSD sei ein fähiger Mann, und fügte hinzu, falls die Sozialdemokraten jemand anderen aufgestellt hätten, würde er „sehr wahrscheinlich“ den Kandidaten der zweitgrößten Regierungspartei ANO wählen.
Der Präsident geht also auf Schmusekurs zur Regierung. Und die rechnet ihm das an: Premier Sobotka sagte, er habe damit gerechnet, dass Zeman zur sozialdemokratischen Wählerschaft zurückkehre. Er teile mit der ČSSD schließlich die Ansicht, dass Tschechien eine „neue und selbstbewusste Rolle“ innerhalb der EU einnehmen müsse. Dagegen ist nichts einzuwenden. Doch hatte Zeman nach seiner Amtseinführung vor einem Jahr nicht versprochen, ein „Präsident aller Tschechen“ sein zu wollen? Zeman weiß sehr wohl, dass seine Ratschläge viele seiner Landsleute beim Urnengang beeinflussen werden, er als direkt gewähltes Staatsoberhaupt mehr noch als sein Vorgänger Klaus eine „Stimme des Volkes“ ist – oder sein sollte.
Ein unparteiischer Präsident, und das sollte er laut Verfassung sein, kann sich ohne Frage zur europäischen Integration bekennen. Doch sollte er weder konkrete Wahlempfehlungen erteilen noch verkünden, hinter welcher Partei er sein Kreuz macht. Man stelle sich einmal vor, der deutsche Bundespräsident würde erklären, er wähle die CDU, vielleicht aber auch die SPD – es wäre ein Skandal. Wahlwerbung gehört nicht zu den Aufgaben eines tschechischen Präsidenten. Ein Appell an das Volk, sich an der Demokratie zu beteiligen und die Zukunft mitzugestalten – in diesem Fall für eine Stimmabgabe bei den kommenden Europawahlen zu werben – würde ihm besser stehen.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“