Kommentar: Lippenbekenntnisse für Europa

Kommentar: Lippenbekenntnisse für Europa

Die Visegrád-Länder wachsen in der Flüchtlingskrise zusammen

17. 2. 2016 - Text: Josef FüllenbachText: Josef Füllenbach; Foto: Vláda ČR

Am Montag sollten die Regierungschefs Polens, der Slowakei, Tschechiens und Ungarns in Prag den 25. Geburtstag der Visegrád-Gruppe feiern. Doch trat das Jubiläum in den Hintergrund, alle Aufmerksamkeit galt den angekündigten Beschlüssen zur Flüchtlingskrise. Es scheint, als ob dieses Thema, das in Europa zu einem potenziellen Sprengsatz zu werden droht, die Visegrád-Gruppe erstmals fest zusammenschweißen könnte.

Zwar geizten die vier nicht mit Lippenbekenntnissen für eine europäische Lösung der Krise und räumten dem Zusammenwirken von EU und Türkei bei der Reduzierung der Flüchtlingszahlen noch eine befristete Chance ein. Doch ließen sie klar erkennen, dass sie an einen Erfolg der vor allem von Kanzlerin Merkel verfolgten Linie nicht glauben. Sichtbares Zeichen dafür war die Teilnahme des mazedonischen Präsidenten und des bulgarischen Premiers, um dem Hauptanliegen der Visegrád-Länder Nachdruck zu verleihen: der Abriegelung der nordgriechischen Grenze als Ersatzlösung.

Dass Griechenland dann zu einem Elendslager gestrandeter Flüchtlinge würde – bei Weitem größer und schlimmer als die zu Tausenden im September 2015 in Budapest festsitzenden – scheint kaum zu stören. Auch nicht, dass der durch eine Ersatzlösung unterstrichene Zweifel an einer Vereinbarung mit der Türkei diese nicht gerade zur Kooperation motiviert. Wie anders wäre die Wirkung, wenn die Visegrád-Staaten sich verpflichten würden, bei der von der niederländischen Präsidentschaft angestrebten Kontingentlösung einen angemessenen Anteil an Flüchtlingen zu übernehmen! Aber nichts davon. Man will Schengen behalten, die EU-Fonds und andere Annehmlichkeiten gewiss auch, doch fällt es schwer, dafür Lastenteilung zu akzeptieren und gegenüber den eigenen Wählern zu vertreten. Sobotkas Staatsekretär für EU-Fragen Prouza hat jüngst gegenüber dieser Zeitung geklagt, die EU sei leider nicht darauf eingegangen, gegenüber den Maghreb-Staaten die Auslandshilfe als Hebel einzusetzen, um Entgegenkommen bei der Rückübernahme von Migranten zu erwirken. Wird er sich daran erinnern, wenn demnächst die Rufe wieder lauter werden, zwischen Solidarität in der Flüchtlingsfrage und Großzügigkeit bei der Zuteilung von EU-Mitteln einen Zusammenhang herzustellen? Luxemburgs Außenminister Asselborn hat diese Woche schon den Anfang gemacht.