Kommentar: Gegen die Eliten

Kommentar: Gegen die Eliten

Präsident macht weiter Stimmung gegen das „Prager Kaffeehaus“

4. 11. 2015 - Text: Jan NechanickýText: Jan Nechanický; Foto: APZ

 

Bis zu eine Million Zuschauer haben im Fernsehen die Feierlichkeiten zum Gründungstag der Tschechoslowakei verfolgt. Und damit auch die Vergabe staatlicher Auszeichnungen durch den Präsidenten. Seit Miloš Zeman das Amt übernommen hat, sorgt das Ereignis für besonderes Aufsehen. Wie bereits in den Jahren zuvor gab es auch dieses Mal umstrittene Preisträger, doch für Schlagzeilen sorgten nun auch die Rektoren der tschechischen Hochschulen. Sie blieben der Veranstaltung einfach fern.

Auslöser des Boykotts war die Entscheidung des Präsidenten, zwei von ihnen wieder nicht einzuladen. Die Rektoren Mikuláš Bek und Libor Grubhoffer der Universitäten in Brünn und in České Budějovice sind Zeman ein Dorn im Auge. Bek hatte ihn vor der Präsidentschaftswahl 2013 nicht an seiner Universität auftreten lassen, da er ihm keine Wahlkampf-Bühne bieten wollte. Grubhoffer hingegen unterstützte im selben Jahr öffentlich den Zeman-Kritiker Martin C. Putna, dem der Präsident die Professur verweigerte. Auf die Abwesenheit der Rektoren bezogen, flachste Zeman, sie hätten damit Platz für Familienangehörige der Ausgezeichneten gemacht. „Dafür möchte ich mich bei den Rektoren bedanken“, so Zeman wörtlich.

Der Vorfall ist nur eine kleine Schlacht im breit angelegten Feldzug des Präsidenten gegen die Eliten seines Landes – die von ihm als „Prager Kaffeehaus“ bezeichnet werden. Sei es der Standpunkt zur aktuellen Flüchtlingsdebatte oder zur Russland-Politik: Zeman weist stets darauf hin, dass es diese Eliten sind, die gegen das Volk handeln und er der Einzige ist, der es vor ihnen schützt. In seiner feierlichen Rede betonte das Staatsoberhaupt dann auch, dass diese Eliten auch im Jahr 1968 versagt hätten. Der entscheidende Moment damals sei nicht der Einmarsch, sondern das von den politischen Eliten unterzeichnete Moskauer Protokoll gewesen. Natürlich behält er damit Recht. Die verantwortlichen Politiker haben in ihrer Vorbildrolle versagt.

Doch wollte Zeman mit seinem historischen Exkurs noch viel mehr ausdrücken. Nämlich: Die Eliten haben versagt, vor allem sie, nicht wir. Darin unterscheidet sich Miloš Zeman von einem seiner Amtsvorgänger Václav Havel, der bei der Suche nach Fehlern nicht bei den anderen begonnen hätte.