Kommentar: Bitte schön kritisch

Kommentar: Bitte schön kritisch

Warum tschechische Zeitungen zurecht Leser verlieren

26. 8. 2015 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: APZ

 

Wer in Tschechien eine Zeitung kauft, hält mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Produkt in der Hand, hinter dem ein Geschäftsmann samt Firmenimperium steht. Im Fall von „Mladá fronta Dnes“ und „Lidové noviny“ ist es Finanzminister Andrej Babiš mit Agrofert, bei „Blesk“ und „Aha“ sind es Daniel Křetinský und Patrik Tkáč mit J&T, und „Deník“ gehört nun zur (euro)milliardenschweren Finanzgruppe Penta. Gemeinsam erreichen die drei Medienhäuser knapp drei Millionen Menschen pro Tag.

Na und, könnte man als Leser sagen. Ist doch egal, wer das Blatt finanziert, solange der Inhalt stimmt – und für den sind schließlich die Redakteure verantwortlich, nicht die Eigentümer. Aber genau da liegt das Problem. Berichtet die „MF Dnes“ kritisch über Agrofert? Schaut der „Blesk“ genauer hin, wenn es um J&T geht? Wird der „Deník“ künftig hinterfragen, weshalb die Penta-Gruppe ihren Sitz auf Zypern hat? Ihre Geldgeber würde das wohl kaum erfreuen. Penta-Miteigentümer Marek Dospiva sagt ganz offen, dass er den „Deník“ als eine Art „Schutzschild“ vor „irrationalen Behauptungen“ begreift.

Journalisten, die sich bei der Themenwahl und Recherche nicht einschränken lassen wollen, werden sich – wie in manchen Fällen schon geschehen – mehr oder weniger freiwillig einen neuen Arbeitgeber suchen, und bestenfalls ein neues, unabhängiges Medium finden. Andere werden sich zweimal überlegen, was sie schreiben, weil sie ihre Stelle nicht verlieren wollen. Eine bedenkliche Entwicklung, in einem Land, in dem die Vorstellung eines neuen Škoda-Modells vielen Zeitungen jedes Mal eine ganze (redaktionelle!) Seite wert ist und Pressemitteilungen großer Unternehmen regelmäßig nahezu unbearbeitet abgedruckt werden. Hinterfragen, die Gegenseite hören, Zusammenhänge erklären: Fehlanzeige. Dass die großen Tageszeitungen an Auflage verlieren, ist angesichts dessen, was sie bieten, nicht bedauerlich. Guter Journalismus dagegen wird immer ein Publikum finden – hoffentlich.