„Jenseits der Grenze der Legitimität“

„Jenseits der Grenze der Legitimität“

Miloš Zeman verweigerte dem Kunsthistoriker Jiří Fajt die Ernennung zum Hochschulprofessor. Dieser wirft dem Präsidenten vor, gegen das Gesetz zu verstoßen

13. 5. 2015 - Text: PZText: PZ; Foto: čtk

Hochschulprofessoren zu ernennen zählt in Tschechien zu den Aufgaben des Präsidenten. Das war bisher meist kein großer Akt. In der Regel wurden die von den Universitäten vorgeschlagenen Kandidaten akzeptiert. Miloš Zeman dagegen hat sich schon mehrmals geweigert, seinen Namen unter eine Ernennungsurkunde zu setzen. In der vergangenen Woche lehnte er unter anderem den General­direktor der Nationalgalerie in Prag Jiří Fajt ab. Als Grund gab Zemans Sprecher den Umgang des Kunsthistorikers mit Sponsorengeldern an. Wissenschaftler und Politiker protestierten gegen die Weigerung des Präsidenten; die geplante feierliche Veranstaltung wurde abgesagt. PZ-Redakteur Stefan Welzel sprach in der vergangenen Woche mit Fajt über die geplatzte Ernennung, die Vorwürfe des Staatsoberhaupts und die Bedeutung der akademischen Freiheit.

Sie sind zur Zeit in Venedig bei der Biennale. Eigentlich hatten Sie einen Termin in Prag heute. Oder hatten Sie bereits mit dieser Entwicklung gerechnet?

Fajt: Ehrlich gesagt konnte ich nicht damit rechnen, dass alles glatt läuft. Es ist schließlich nicht der erste Versuch, meine Person im Zusammenhang mit der Verleihung der Professur zu diskreditieren. Denken Sie nur an die Ereignisse im Herbst vergangenen Jahres, als aufgrund einer angeblich anonymen Anzeige zuerst versucht wurde, die Legitimität meiner tschechischen Habilitation in Frage zu stellen. Das wies die Karls-Universitat sofort entschieden zurück. Gleich im Anschluss kam der zweite Versuch, der auf meine deutsche Habilitation abzielte. Erneut wurde damals anonym behauptet, dass mir die Verleihung der Professur wegen eines angeblichen Plagiatsverdachts an der Berliner Universität verweigert worden sei. Diese absurde Lüge lehnte sogar der Präsident der Humboldt-Universität in einem Brief kategorisch ab. Und jetzt erleben wir den dritten Akt dieser peinlichen Farce.

Was sagen Sie zum Vorwurf des Präsidenten, dass Sie als Direktor der Nationalgalerie Gelder aus privaten Quellen entgegengenommen haben?

Fajt: Zuerst muss ich sagen, dass ich alle gesetzlichen Bedingungen für die Verleihung der Professur erfüllt habe. Eine weitere Diskussion ist demzufolge gegenstandslos. Alle angeführten Gründe, also auch die des Präsidenten, sind ein Konstrukt und stehen stellvertretend für eine andere Sache. Es handelt sich um einen erneuten Versuch, die Reformen in der Nationalgalerie durch die Diskreditierung meiner Person aufzuhalten. Ich habe niemals etwas getan, was gegen die Gesetze der Tschechischen Republik verstoßen hat. Im Gegensatz zu vielen anderen, die mir gerade das nun unterschieben wollen, war ich stets um ein Maximum an Transparenz bemüht.

Selbstverständlich habe ich vor meinem Amtsantritt in die Nationalgalerie mit dem Kulturminister auch über die Entlohnung gesprochen, das heißt auch über mein künftiges Gehalt. Eine Lohnsteigerung für die Arbeitnehmer der Nationalgalerie, deren Gehälter eine Schande sind, kann man hierzulande auf unterschiedliche Weise erreichen, unter anderem mit einem Sponsorenvertrag. Damals hatten wir mit dem Kulturminister alle gesetzlichen Möglichkeiten detailliert abgewogen, also auch einen gezielten Sponsorenbeitrag. Letztendlich entschieden wir uns vorerst für die übliche tarifliche Lösung und das insbesondere im Hinblick auf die unvorbereitete und schlecht informierte tschechische Gesellschaft. Deshalb war es für mich eine Überraschung, dass mein E-Mail-Konto gehackt wurde. Die Arbeitsversion des abgelehnten Dokuments wurde gestohlen und an die Medien weitergeleitet, um einen völlig fiktiven Skandal hervorzurufen. Noch unverständlicher ist für mich jetzt, dass aufgrund dieses Diebstahls der Präsident Entscheidungen trifft, die jenseits der Grenze der Legitimität liegen.

Die Ernennung von Professoren durch den tschechischen Präsidenten war eine formale Sache, bis Miloš Zeman das Amt übernahm. Was halten Sie von Zemans Auslegung seines an sich repräsentativen politischen Amtes?

Fajt: Die obstruktive Haltung des Präsidenten ist eine Verletzung der Gesetze der Republik, dessen Staatsoberhaupt er ist.

Überrascht Sie die große Solidarität Ihrer Berufskollegen sowie zahlreicher Politiker, die dazu führte, dass die Ernennung auf unbestimmte Zeit verschoben wurde?

Fajt: Der Wissenschaftsrat der Philosophischen Fakultät und die Karls-Universität haben mich in einer geheimen Abstimmung eindeutig unterstützt und vorgeschlagen, mich zum Professor zu ernennen. Dem haben sich auch das Bildungsministerium und die Regierung angeschlossen. Die Ablehnung des Präsidenten ist ein inakzeptabler Eingriff in die Autonomie der Universitäten und eine Verletzung der akademischen Freiheiten, deren unbestreitbare Bedeutung für eine gesunde Entwicklung der Gesellschaft in der Vergangenheit bewiesen wurde. Diese Situation betrifft nicht nur mich persönlich. Es geht hier vielmehr um allgemeine Grundwerte, auf denen die westliche Demokratie basiert. Deswegen überrascht mich keineswegs die Solidarität der akademischen Gemeinde, die durch ihr einheitliches Vorgehen die akademischen Freiheiten schützt. Sie ist sich über die Risiken, die durch ein solch unverantwortliches Handeln des Präsidenten hervorgerufen werden, im Klaren.

Wird der Vorfall Folgen für Ihr Wirken als Dozent an der Karls-Universität und als Direktor der Nationalgalerie haben? Fürchten Sie um Ihren Ruf?

Fajt: Die jetzige Situation hat für mich beruflich keine weitreichenden Folgen. Ich bin nur enttäuscht, dass solch ein Verhalten des Präsidenten in einem Land möglich ist, an dessen Spitze auch schon überzeugte Demokraten wie Tomáš G. Masaryk oder Václav Havel standen. Ich mache mir keine Sorgen um meinen guten Namen und Ruf, gegen beleidigende und unwahre Verleumdungen werde ich mich öffentlich und mit allen rechtlichen Mitteln wehren. Die ganze Situation lässt eine grundsätzliche Feststellung zu: Die personellen, organisatorischen und inhaltlichen Reformen, die ich in der Nationalgalerie eingeleitet habe, haben offensichtlich Gegner, die in einem engen Verhältnis zur Prager Burg stehen. Das hindert mich aber nicht daran, sie erfolgreich zu Ende zu führen.

ZUR PERSON

Jiří Fajt ist seit Juli 2014 Generaldirektor der Nationalgalerie in Prag. Der 55-Jährige studierte zunächst an der Hochschule für Landwirtschaft, danach Kunstgeschichte an der Karls-Universität. Dort promovierte er 1999, später wurde er in Deutschland und Tschechien habilitiert. Bereits von 1993 bis 2000 war er für die Nationalgalerie in Prag tätig, anschließend wirkte er vor allem in Deutschland. Am „Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas“ der Universität Leipzig leitete er mehrere Projekte, unter anderem zur Geschichte der Kunst in Ostmitteleuropa. Fajt lehrt an der Technischen und an der Humboldt-Universität Berlin sowie in Prag. Seine Berufung zum Professor der Karls-Universität verzögerte sich bereits im vergangenen Herbst. Laut damaligen Aussagen des Schulministers Marcel Chládek (ČSSD) waren Plagiatsvorwürfe der Grund dafür.   (PZ)

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