Keine guten Aussichten

Keine guten Aussichten

Präsident Miloš Zeman geht in seine zweite Amtszeit. Doch bereits die feierliche Inauguration im Vladislav-Saal der Prager Burg verheißt nichts Gutes

9. 3. 2018 - Text: Josef Füllenbach, Foto: David Sedlecký, CC BY-SA 4.0

Schon die Vorbereitungen zur Inaugurationsfeier verursachten Ärger. Denn die Einladungsliste der Präsidentenkanzlei überging eine Reihe von Personen, die aufgrund ihrer öffentlichen Funktion hätten eingeladen werden müssen: einige der Hauptleute der Regionen – vergleichbar den Ministerpräsidenten in Deutschland – und der Rektor der Masaryk-Universität in Brünn. Von den Übergangenen ist bekannt, dass sie während Zemans gerade zu Ende gegangener ersten Amtszeit in der einen oder anderen Weise das Missfallen des Präsidenten auf sich gezogen hatten. Sei es, dass sie sich zu Zemans Amtsführung kritisch geäußert, oder – wie in der Mehrzahl der Fälle – sie bei der Präsidentschaftswahl im Januar einen anderen Kandidaten unterstützt hatten. Überraschend war der Vorgang nicht. Zeman bisherige Amtsführung war bereits reich an kleinlichen und rachsüchtigen Ausfällen.

Dass Zeman in seiner Inaugurationsrede am 8. März jedoch so manchen Abgeordneten aus dem Lager der Bürgerlichen und der Christdemokraten sowie einigen anderen Gästen Anlass geben würde, während der Rede aufzustehen und den Saal zu verlassen, das ist in der noch jungen Geschichte der Tschechischen Republik einmalig. Selbst in der schon längeren Geschichte der Tschechoslowakei soll Vergleichbares nur einmal, nämlich im Jahre 1920, vorgekommen sein. Deplaziert wirkte vor allem die Art, wie Zeman einen feierlichen Staatsakt dazu benutzte, an einigen ihm missliebigen Personen sein Mütchen zu kühlen.

Namentlich nannte er einen Glücksritter der Privatisierung der neunziger Jahre beim Namen (Zdeněk Bakala) und stellte ihn als „Schandfleck“ Tschechiens an den Burg-Pranger. „So lange dieses Problem nicht aufgeklärt ist, können wir nicht behaupten, dass die große Wirtschaftskriminalität in der Tschechischen Republik Vergangenheit geworden ist …“ Gleich im Anschluss knöpfte er sich die Journalisten der „Wirtschaftszeitung“ („Hospodářské noviny“), der Wochenschrift „Respekt“ und eines Nachrichten-Servers vor – alle drei angesehene Presseorgane, jedoch zum Medienunternehmen Bakalas gehörend: „Jeden Tag belehren sie uns darüber, wie wir uns zu verhalten haben. Nach meiner Auffassung sollten wir einen Journalisten, der sich auf diese Weise bezahlen lässt, weder achten noch ihn ernst nehmen.“ Und im Weiteren nahm er sich die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender vor, die er einer erheblichen „Anhänglichkeit an die Partei TOP 09“ zieh, und gab seiner Erwartung Ausdruck, dass sich das Tschechische Fernsehen wegen des schlechten Abschneidens dieser Partei demnächst größerer Ausgewogenheit befleißigen werde – ein nur schlecht verhüllter Aufruf zu personellen Konsequenzen.

Es ist bezeichnend, dass hinterher nur die Vorsitzenden der Kommunisten, Vojtěch Filip, und der Rechstextremen, Tomio Okamura, Zemans Rede in Ordnung fanden. Sogar der geschäftsführende und von Zeman noch einige Zeit abhängige Premier Andrej Babiš meinte mit leicht kritischem Unterton, „unsere Gesellschaft muss zueinander finden; ich habe eine andere Rede erwartet. Ich habe damit gerechnet, dass er nicht so stark Partei ergreifen würde, sondern über den Dingen stünde.“ Andere wurden deutlicher. Der Vorsitzende von TOP 09, der den Saal verlassen hatte, sagte zum Beispiel: „Es ist traurig zu sehen, dass Miloš Zeman nicht einmal bei einem solchen feierlichen Staatsakt von Angriffen auf diejenigen Abstand nehmen kann, die anderer Ansicht sind als er.“

Noch schärfer äußerte sich Miroslava Němcová von der ODS, die frühere Parlamentspräsidentin, die ebenfalls entsetzt das Weite gesucht hatte: „Ich habe den Vladislav-Saal deshalb verlassen, weil der Präsident geschworen hat, er werde die Nation einen, … und sofort in seiner Ansprache diesen Eid zu brechen begann.“ Und der Chef der frisch ins Parlament gewählten Piraten gab in deutlicher Anspielung auf die Ermordung eines Journalisten und seiner Verlobten in der Slowakei zu Protokoll: „Die Öffentlichkeit gegen die Journalisten anzustacheln, ob es nun um solche der privaten Medien oder der öffentlich-rechtlichen geht, ist nicht nur im Kontext der Inauguration geschmacklos, sondern vor allem extrem unverantwortlich in einer Zeit, in der wir bei unseren Nachbarn klar erkennen können, womit das Aufhetzen der Öffentlichkeit gegen Journalisten enden kann. (…) Zum Glück wird die Politik nicht auf der Burg gemacht. Dort entstehen keine Gesetze.“

Ob es Zufall war, dass der alt-neue Präsident Zeman bei der Eidesleistung seine Hand nicht auf die tschechische Verfassung legte, wie es für diesen Akt vorgesehen ist und wozu er ausdrücklich vom Parlamentspräsidenten aufgefordert wurde? In seiner ersten Amtsperiode hat er in vielen Fällen Verfassungsbestimmungen auf selbstherrliche Weise ausgelegt und so versucht, seine Stellung und Befugnisse weit über den von der Verfassung vorgegebenen Rahmen hinaus auszuweiten oder ihm lästige Pflichten abzustreifen. In der nun anbrechenden neuen Periode von fünf Jahren, so erwarten es viele im Lande, wird er in dieser Richtung noch rücksichtsloser fortfahren. Eine dritte Amtszeit schließt die Verfassung aus, so dass ihm die Wähler keine rote Karte mehr zeigen können. Ob sie es denn wollten, ist angesichts des Niedergangs der traditionellen demokratischen Parteien in Tschechien freilich zweifelhaft.