Wer den Schaden hat …

Wer den Schaden hat ...

Blick in die Presse: Über die möglichen Folgen einer erneuten Großen Koalition in Deutschland für Tschechien

16. 2. 2018 - Text: Josef Füllenbach, Titelfoto: EU 2012 EP/Pietro Naj-Oleari

Die Verhandlungen und Diskussionen über eine Neuauflage der Großen Koalition in Deutschland werden von den tschechischen Medien genau verfolgt, wobei man in den Kommentaren mit Schadenfreude wegen der Begleitumstände nicht spart. Unter dem Titel „Je schlimmer für Berlin, umso besser für Prag“ hat das Wochenmagazin „Echo“ in seiner aktuellen Ausgabe (15. Februar) einen besonders bissigen Kommentar seines Deutschland-Spezialisten Daniel Kaiser veröffentlicht, in dem er auch die Folgen der politischen Entwicklungen in Berlin für Tschechien bewertet.

Zunächst fasst er in griffigen und teils hämischen Wendungen die jüngsten Entwicklungen bei dem politischen Tauziehen in Berlin zusammen: So sei Martin Schulz, „der vor einem Jahr die Sozialdemokratie mit einem stalinschen Ergebnis von 100 Prozent der Stimmen übernahm, während weniger Stunden in der Bedeutungslosigkeit versunken“.

Kaiser vergisst natürlich nicht, das inzwischen sattsam bekannte Zitat von Gabriel zu bringen, mit dem dieser Schulz als den „Mann mit den Haaren im Gesicht“ lächerlich machte, und für den tschechischen Leser, falls er Schulz noch nicht kennen sollte, in Klammern hinzuzufügen: „Schulz sieht aus wie ein Bruder von Jan Nedvěd.“ Damit die Leser der PZ das verstehen, müssen wir nun unsererseits erklären wie Jan Nedvěd, ein inzwischen über 70-jähriger Country- und Folk-Barde, aussieht – am besten mit einem Bild:

Folk-Sänger Jan Nedvěd

Auf dem Gegenpol beginne „das christdemokratische Drama für Europa noch größere Wirkung zu entfalten als das sozialdemokratische Schlachtfest“. Denn Angela Merkel habe aufgehört, unangreifbar zu sein, und mit kritischen Äußerungen an ihre Adresse ließen sich CDU-Funktionäre jetzt sogar unter Namensnennung zitieren. Mit den Details aus den Koalitionsverhandlungen sehe „das Gespann Merkel-Schulz immer mehr wie Vertreter alter Strukturen aus, die an der Macht bleiben müssen, damit sie an der Macht bleiben“. Merkel habe sich im letzten Verhandlungsmarathon dem Ultimatum von Schulz gebeugt, obwohl klar gewesen sei, dass ihre Partei hinterher mit großen Augen auf die Postenverteilung und „das sozialistische Regierungsprogramm“ starren werde. Das Ganze wirke angesichts der seit langer Zeit sinkenden Zustimmungswerte für die beiden Volksparteien wie Torschlusspanik.

„Dabei garantieren alte Gesichter eine alte Politik. Für die Kanzlerin war ihre Politik über die ganzen zwölf Jahre ‚ohne Alternative’: die Reaktion auf Fukushima, auf die Eurokrise, auf die Zuwanderungswelle. Die ursprünglich konservative Politikerin steigert beständig die Steuerquote: 38 Prozent im Jahr 2016 bedeuten einen weiteren schönen Rekord in der Geschichte der Bundesrepublik. In der Europapolitik stimmte der kommissarische Finanzminister und Vertraute der Kanzlerin, Peter Altmaier, ohne größeres Aufsehen dem französischen Plan zu, den Europäischen Stabilitätsmechanismus europäischem Recht zu unterstellen, was einen Schritt in Richtung Transferunion bedeutet, die der frühere Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) über Jahre abgelehnt hatte. Aber Schäuble ist nun an die Spitze des Parlaments entsorgt worden. Beim brennendsten Thema, der liberalen Asylpolitik, steht im entsprechenden Kapitel der Koalitionsvereinbarung etwas von einer Obergrenze von 180.000 bis 220.000 jährlich; aber erstaunlicherweise wurde diese Passage so formuliert, dass die SPD sie wie eine unverbindliche Beschreibung des gegenwärtigen Zustands interpretieren kann. Im selben Text ein Stück weiter fällt dem etwas beunruhigten tschechischen Leser die Wendung ‚gerechter Umverteilungsmechanismus’ für Flüchtlinge auf, der in der EU eingeführt werden muss. Und er ertappt sich dabei, wie ihn die Paralyse der Macht in Berlin ziemlich erfreut und er dem geschäftsführenden Kabinett Angela Merkel die Daumen drückt, dass es, auf diese Weise geschwächt, noch möglichst lange aushalten möge. Idealerweise noch anderthalb Jahre, bis zum Ende der Juncker-Kommission, die Dublin IV vorgeschlagen hat und sich diesen Vorschlag aufs Altenteil mitnehmen könnte.“