Im Königreich aus Eis

Vor drei Jahren eröffnete Václav Balšánek mit seinen Freunden in Liberec eine Arena für Eiskletterer.
Mitten im Stadtzentrum können sich Mutige an Eiszapfen und Klettersteigen versuchen
13. 1. 2016 - Text: Jan NechanickýInterview: Jan Nechanický; Foto: Hanibal Horolezecká Aréna
In einem verlassenen Steinbruch unweit des Stadtzentrums von Liberec hat Václav Balšánek eine Kletterarena aus Eis aufgebaut. Auf insgesamt 130 Metern können Amateure und Profis die Techniken des Eiskletterns erproben und damit auch in der Stadt einen Hauch von Hochgebirge erleben. Im Gespräch mit PZ-Redakteur Jan Nechanický erklärt Balšánek, wie er zum Eisklettern in der Stadt gekommen ist und warum es eine Sportart für jedermann ist.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, in Liberec einen Ort für Eiskletterer zu schaffen?
Václav Balšánek: Das war mit zwei Freunden vor etwa drei Jahren. Wir arbeiteten damals in der Nähe eines Steinbruchs, an dem wir jeden Tag vorbei mussten. Am Felsen gefror das Wasser und es bildeten sich Eiszapfen, an denen man klettern konnte. Wir haben uns gedacht, es wäre toll, mitten in der Stadt einen Ort zu haben, an dem man eisklettern kann. Am Anfang waren wir eine Gruppe von 10 bis 15 Kletterern, heute sind wir zu acht. Wir haben abends und am Wochenende viel Zeit am Steinbruch verbracht.
Wie hat die Stadt darauf reagiert?
Balšánek: Am Anfang wussten die Leute nicht genau, was wir eigentlich wollen. Trotzdem kam uns die Stadt entgegen, indem sie uns den Steinbruch überließ. Wahrscheinlich dachte man, es wäre gut, wenn sich jemand darum kümmert und der städtische Raum belebt wird. Außerdem ist ein ehemaliger Steinbruch potenziell ein gefährlicher Ort. Wenn sie den vermieten, müssen sie keine Verantwortung mehr dafür tragen, sollte sich hier jemand verletzen.
Wie finanzieren Sie die Arena?
Balšánek: Wir haben ein tschechisches Outdoor-Versandhaus als Partner gewonnen, das uns das Startkapital zur Verfügung gestellt hat. Jeder von uns hat natürlich auch eine gewisse Summe investiert, von der wir hoffen, dass wir sie irgendwann wieder zurückbekommen. Andererseits tun wir das nicht, um damit reich zu werden. Wenn man sich für etwas begeistert, ist Geld eher eine Nebensache. Derzeit haben wir Einnahmen durch den Eintritt. Langfristig sind wir noch auf Sponsoren angewiesen.
Und die Stadt hilft Ihnen nicht?
Balšánek: Die Stadt hat gesehen, dass unser Projekt funktioniert. Derzeit verhandeln wir darüber, wie sie uns als Sportverein unterstützen kann. Wir brauchen sanitäre Anlagen, Wasser und Strom. Gelder könnte uns die Stadt auch für einen Aufwärmraum zuschießen, den wir unbedingt für die Kletterer im Winter einrichten wollen.
Kann man einfach vorbeikommen und klettern?
Balšánek: Wir sind noch nicht so weit, dass wir hier den ganzen Tag sitzen und auf Leute warten. Wir rechnen auch noch nicht mit Gewinn. Für den Betrieb der Arena haben wir eine gemeinnützige Organisation gegründet. Derzeit kann man also noch nicht einfach so vorbeikommen und Eintritt bezahlen wie in einer Kletterhalle. Man muss die Arena vorher reservieren. Wir hoffen, dass sie in zwei Jahren so bekannt ist, dass wir daraus eine Firma machen und damit Geld verdienen können.
Woher kommen die Leute eigentlich, die bei Ihnen trainieren?
Balšánek: Die Kletterer aus Liberec kommen meistens nur, um das Eisklettern auszuprobieren. Aber wir haben viele Besucher aus anderen Orten. Zu unseren Stammgästen gehört zum Beispiel ein Paar aus Kalifornien, das in Prag arbeitet und hier regelmäßig für seine Klettertouren in den Alpen trainiert.
Wie viele kommen denn im Jahr?
Balšánek: Wenn es richtig kalt wird und wir die ganze Fläche mit Eis bedecken können, kommen schon viele. Bei uns können etwa 20 bis 30 Leute klettern, die Kletterzeit ist auf drei Stunden begrenzt.
Gibt es genügend Tage, an denen es überhaupt kalt genug ist?
Balšánek: Im ersten Jahr waren es zehn Tage, im zweiten acht, 2015 nur fünf Tage. Aber auch wenn es wärmer ist, kann man theoretisch klettern. Dann ist die Arena aber nur für Profis geöffnet, denn an solchen Tagen ist das Eis brüchig und das Klettern für Amateure zu gefährlich.
Was machen Sie im Sommer?
Balšánek: Auch wenn man kein Eis hat, kann man hier mit Eispickeln und Steigeisen Spaß haben, zum Beispiel beim Drytooling. Das ist mittlerweile eine selbständige Disziplin. Man klettert einfach am Felsen, dafür haben wir zehn bis 15 Routen. Außerdem haben wir zwei Klettersteige aufgebaut. Es gibt eine Route für Kinder, die geht ungefähr zehn Meter in die Höhe, die andere reicht bis 17 oder 18 Meter nach oben und ist ein bisschen schwieriger. Da gibt es eine sechs Meter lange Passage im Überhang. Insgesamt sind unsere Klettersteige 130 Meter lang.
Wie schneiden die tschechischen Eiskletterer international ab?
Balšánek: Wir haben eine Weltmeisterin. Lucie Hrozová hat schon mehrmals den Titel gewonnen und gehört auch im Weltcup zur Spitze. Auch unter den Männern sind wir gut. Zum Beispiel Milan Dvořáček hat im Weltcup schon viele Wettbewerbe im Speed-Klettern gewonnen. Für die schlechten Bedingungen für Eiskletterer in Tschechien haben wir sehr gute Kletterer. Die Bedingungen verbessern sich auch langsam. Im Februar findet in unserer Kletterarena die erste tschechische Meisterschaft statt.
Haben Sie auch Ambitionen, ein Trainingsort für Wettkampfkletterer zu sein?
Balšánek: Die Fläche, die wir hier zur Verfügung haben, ist relativ groß – über 3.000 Quadratmeter – daher gäbe es dafür genügend Platz. Wir wollen für möglichst viele Zielgruppen da sein, für Familien mit Kindern und für Freizeitkletterer sowie für Wettkampfkletterer, die hier trainieren wollen. Das war von Anfang an unser Ziel. Wir wollen, dass hier ein Ort entsteht, an dem sich diese beiden Gruppen begegnen.
Haben Sie für die Wettkampfkletterer entsprechende Routen?
Balšánek: Ja. Die längste Route ist 20 Meter lang. Wir möchten eine Konstruktion mit künstlichen Griffen bauen und sie noch um fünf bis zehn Meter verlängern. Dann würde sie auch die Kriterien für den Weltcup erfüllen. Die Routen für Drytooling sind auch relativ schwer und es gibt noch sehr viel Potenzial für neue Routen. Wir sind auch dafür offen, dass die Leute selbst neue Strecken entwerfen, die sie dann benennen und bewerten können. So kann quasi jeder bei uns seinen Fußabdruck hinterlassen.
Eisklettern wurde 2014 in Sotschi bei den Olympischen Spielen präsentiert. Hat die Sportart eine Chance, olympische Disziplin zu werden?
Balšánek: Ich denke schon. Der Sport ist attraktiv und schön anzusehen. Außerdem wollen es immer viele Zuschauer ausprobieren. Im Gegensatz zu anderen Sportarten kann man Eisklettern sehr einfach erlernen und praktisch in jedem Alter bei Null anfangen. Wenn man ein bisschen Kraft hat und geschickt ist, wird man sehr schnell zum guten Kletterer.
Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Balšánek: Im Frühling wollen wir unsere Klettersteige um 200 Meter verlängern und neue Elemente einbauen, so wie Seilstege oder verschiedene Leitern. Wir wollen hier alles aufbauen, was einem auf den Klettersteigen in den Alpen begegnen kann. Wir sind uns bewusst, dass das hier kein Hochgebirge ist, mit schöner Aussicht auf Berge und Seen. Die Leute sollen hier – bevor sie in die Klettersteige oder zum Eisklettern in die Alpen fahren und viel Geld dafür ausgeben – alles ausprobieren können. Wenn jemand so etwas mit Freunden unternehmen möchte, die noch nie geklettert sind, kann er sie mitnehmen und es ihnen hier zeigen. Schließlich ist es besser schon hier herauszufinden, dass der eine oder andere Freund zu schwach ist oder Höhenangst hat und nicht erst im Hochgebirge.
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