„Ich hatte den schönsten Beruf überhaupt“

„Ich hatte den schönsten Beruf überhaupt“

Klaus Ehrlich machte Filme über Mode, Reisen, Werbung – für das Fernsehen der DDR. Seine beliebte Modesendung rettete er nach der Wende ins West-Fernsehen. Geboren wurde Ehrlich im böhmischen Lovosice

15. 6. 2018 - Text: Klaus Hanisch, Titelfoto: Meeressterne GmbH

PZ: Herr Ehrlich, wie wird die Mode im kommenden Herbst und Winter?

Klaus Ehrlich: Sie wird flauschig, sehr weich und fließend, mit vielen Karos und Farbzusammensetzungen. Frauen werden wieder mehr Mäntel statt Jacken tragen, die auch gerne eine Nummer zu groß sein dürfen. Das Legere wird wieder mehr betont. Der folgende Sommer wird dann sehr blumig und farbenfroh. 2019 gibt es wieder sommerlich Leichtes, Rüschen zu Festlichem oder auch zu Sportlichem. Dazu Retro, etwa Bermuda-Shorts. Man kann wieder genau wählen, was zu einem passt, also Ego-Fashion. Das war auch immer mein Prinzip: Frauen sollen sich nicht immer nur nach neuen Trends richten, sondern ab einem gewissen Alter wissen, was zu ihnen passt. Nicht alles so ernst nehmen und nicht jede Mode mitmachen – das habe ich in meinen Sendungen gerne empfohlen.

Sie sind also trotz Ruhestand noch immer vollkommen auf dem Laufenden über aktuelle Trends – und auch noch regelmäßig in Paris?
Nein, in Paris bin ich nicht mehr. Dort war ich schon mal vor der Wende und danach zweimal im Jahr für den MDR zu den Haute-Couture-Shows, um Interviews mit den großen Designern zu machen. Aber ich bekomme noch regelmäßig Modezeitschriften und gucke ab und zu auch bei der Modemesse in Düsseldorf, was es Neues gibt. Und ich habe noch viele Kontakte, auch zu meinen früheren Models wie Sylvia Walker, die mittlerweile bei Sky über Fußball berichtet. Ich habe sie in meinen Filmen regelmäßig besetzt.

Zuvor waren Sie der einzige Modefilmer in der DDR. Mode und DDR, das will angesichts steter Mangelwirtschaft nicht so recht zusammenpassen. Wie entstand Mode dort, hat ausschließlich das Modeinstitut der DDR die Trends kreiert?
Trends haben auch andere Gesellschaften gesetzt, etwa Exquisit, eine Modelinie, die sich der normale DDR-Bürger in der Regel nicht leisten konnte, weil sie sehr teuer war und mit westlichen Stoffen hergestellt wurde. Auch die bekannte Modezeitschrift „Sibylle“ war nicht für die breite Masse gedacht, denn sie verfolgte mehr künstlerische Aspekte als solche für Verbraucher. Ich habe die (Muster-)Kollektionen des Modeinstituts für Frühjahr/Sommer und Herbst/Winter vorgestellt, das in der DDR die Linie vorgab. Deshalb mussten wir unbedingt auch Schnitte machen und später verschicken. Denn die meisten Zuschauer haben viele Kleidungsstücke nachgeschneidert, nachdem wir sie vorgestellt hatten.

Eine Designerin in Prag erzählte mir vor einigen Jahren, dass es in der kommunistischen Zeit nicht sehr unterschiedliche Kleidung gab. Wie groß war die Vielfalt tatsächlich?
Vielfalt gab es genug. Wir konnten ebenso Mode für den Alltag oder für die Freizeit präsentieren, wie auch für den Abend und für die Hochzeit. Manchmal sogar für den Morgen, also spezielle Morgenmäntel.

In Ihrer Sendung kamen auch Modetrends aus der ČSSR und anderen Ländern im östlichen Europa vor. Wo lagen die Unterschiede? Es mangelte ja ähnlich an Stoffen und Accessoires.
Es gab keinen sehr großen Unterschied und das lag wohl an der ähnlichen Mentalität der Designer. Für mich waren die Tschechen immer die braven. Dagegen hatten die Ungarn mehr Pfiff und Farbe und die Polen waren völlig verrückt, was das Design betraf. Die DDR war irgendwo mittendrin. Wir waren die „gebrauchsfertigen“.

Sie haben in Prag mit Úbok verhandelt, dem Institut für Wohn- und Bekleidungskultur der ČSSR. Gab es gegenseitige Inspiration oder Konkurrenz zwischen diesen Ost-Instituten?
Nein, Konkurrenz gab es nicht, auch nicht mit Warschau. Im Gegenteil: Man hat uns in Prag immer alles zur Verfügung gestellt, was wir für unsere Sendungen wollten. Es gab auch keinen Neid.

Úbok-Modenschau in Prag in der achtziger Jahren  | © APZ

Hat man sich vom Westen inspirieren lassen, von den großen Zentren Paris, Mailand oder New York?
Für Kollektionen konnten Designer des Modeinstituts zuweilen sogar nach Paris fahren und sich auch mal an Westzeitschriften orientieren. Zweimal im Jahr wurden die Produktionsbetriebe der DDR nach Berlin geladen, wo ihnen die künftige Mode präsentiert wurde. Deren Problem war aber, dass sie nicht die Stoffe hatten wie die Musterkollektion des Modeinstituts mit italienischer und französischer Ware. Und ohne Stoffe waren auch die schönsten Schnitte nicht viel wert. Das Modeinstitut machte dagegen Honeckers Vorzeige-Kollektion und die zeigte ich in den Filmen.

Haben Sie den Menschen daher nicht oft Illusionen präsentiert, wenn sie die Ware nicht oder nur für sehr viel Geld in DDR-Kaufhäusern erwerben konnten?
Natürlich hatte ich auch ein schlechtes Gewissen. Wir zeigten den Leuten, was das Land herstellen konnte – aber auch, was sie sich meist nicht kaufen konnten. Ich bin jedoch einfach zu sehr Filmemacher gewesen und habe mich darüber gefreut, dass ich die schöne Mode künstlerisch umsetzen konnte. Also dass ich zeigen konnte, dieser Hut passt zu jenem Kleidungsstück und dieser Handschuh zu diesem.

Die Designerin in Prag sagte zudem, dass tschechische Frauen schon vor der Revolution sehr an Mode interessiert waren und sich praktisch jede selbst etwas nähte. Deshalb konnten sie Geschmack entwickeln und Mode fachmännisch beurteilen. Bekamen Sie nach Sendungen auch kritische Anmerkungen von Zuschauerinnen?
Nein, eigentlich nicht. Mode sahen sich die Leute einfach gerne an, auch wenn sie die Bekleidung nicht kaufen konnten. Das war für sie Unterhaltung und ich habe deshalb auch immer versucht, unterhaltsam zu sein und nicht nur Ratschläge zu geben. Die Leute waren sehr erfinderisch: Sie haben versucht, aus fast Nichts Gold zu machen. Vielleicht erhielt ich auch deshalb nie böse Zuschriften.

Sie haben in Prag und anderswo Castings für Ihre Sendungen durchgeführt und schreiben in Ihrer Biografie von einem Model:  „Sie war nicht die Schönste, eher der Typ „slawische Schönheit“. Wollen Sie sich damit nun eine „saure Gurke“ des Ostens verdienen, nachdem Ihnen jene im Westen schon für eine Moderation – aus Ihrer Sicht völlig zu Unrecht – zuerkannt wurde?
(lacht) Nein, nein. Ich liebe dieses Mädchen noch heute, sie ist eine russische Schönheit. Sie hatte die engsten Badeanzüge und Dessous an und wurde von den meisten als wirklich sexy empfunden. Meine Cutter hofften beim Schnitt der Filme immer, dass sie möglichst oft auftritt. Ich wollte nie spindeldürre Models von gerade mal 16 Jahren und ohne Brust, sondern lieber reife Frauen. Wie die Frauen eben, für die wir die Klamotten vorstellten. Mit dem Satz meinte ich einfach nur, dass slawische Frauen eher typisch aussehen und weicher sind.

Sie waren 1988 erstmals in Paris. War das für Sie erst einmal eine Art Kulturschock, bei all den Stoffen, Schnitten, Entwürfen – und bei diesem Catwalk-Glamour?
Es war für mich ganz neu, aber einen Kulturschock habe ich deswegen nicht bekommen. Ich saß weit vorne in der Reihe und es war ein Genuss, die schönen Kleider zu sehen. Und auch zu erleben, dass die tollsten Frauen an mir vorbeiliefen. Denn diese Zeit gibt es heute ja gar nicht mehr. Da gingen noch Supermodels wie Naomi Campbell oder Carla Bruni über den Laufsteg. Mit Claudia Schiffer habe ich ein Interview gemacht. Auch war es ein angenehmes Erlebnis, dass die Shows in altehrwürdigen Gebäuden wie dem Louvre und mit viel Glamour abliefen. Später wurden sie für mich zur Routine. Manchmal wurde ich sogar richtig wütend, weil wir Stunden vorher unsere Plätze bezogen hatten und die Modeschauen oft mit viel Verspätung begannen. Dann erreichte man nur mit Mühe den nächsten Termin. Heute zieht mich nichts mehr dorthin.

Sie sahen dort auch Eva Herzigová. Welchen Eindruck machte speziell die Tschechin – unter all den anderen Top-Models – auf Sie?
Sie wurde ja weltberühmt wegen eines BHs, den sie vorstellte. Ich habe mit ihr in Düsseldorf gedreht, sie war sehr unkompliziert. Wenn ein Push-up etwas verrutschte, dann war es für sie eben so. Keinerlei Zicken. Sie wusste, was verlangt wurde, war sehr professionell und schnell bei der Arbeit. Sie erschien immer pünktlich und sogar vorgeschminkt. Im Gegensatz etwa zu einem Model in Wien, das barfuß und mit ungewaschenen Haaren ankam, dazu noch unter Drogen, obwohl wir eine halbe Stunde später drehten. Eva Herzigová ist auch heute noch eine Schönheit und eine tolle Frau.

Eva Herzigová im Jahr 1997  | © Georges Biard, CC BY-SA 3.0

Legendär ist bis heute, wie Sie Mode an einem FKK-Strand an der Ostsee präsentierten und sich das gesamte Team den Gegebenheiten anpasste. Würden Sie Bekleidung heute nochmals an einem Ort ohne Klamotten vorführen lassen?
Ich würde das heute wieder so machen! Es war ja nicht schlimm, sondern ganz natürlich. Wir wollten auch nicht die Leute drehen, sondern es ging um das Gefühl von Freiheit. Um feine Seidentücher, Leinenhosen, Freizeitmode eben. Und dafür fand ich diesen Ort sehr passend. Dann kamen alle und guckten und als die Musik begann, wurde daraus eine große Party – und das Team hat sich eben angepasst. Es war sehr lustig, ich habe mir lediglich was um die Schultern gehängt, um keinen Sonnenbrand zu bekommen. Ich habe dann Leute selbst nackt nach ihrer Meinung zur Mode befragt. Über diese Filmausschnitte sind Zuhörer bei meinen Lesungen noch heute begeistert.

Sie hatten wunderschöne Frauen als Mitarbeiterinnen, wie Sie in Ihrem Buch selbst bestätigen. Das muss zwangsläufig Neid erzeugt haben, unter Kollegen wie vielleicht auch unter Zuschauern. Wie hat sich der geäußert?
Das war kein Problem. Alle wussten, dass der Ehrlich das große Los gezogen hatte: Er fährt zu Drehs mit den schönsten Weibern, hat schöne Arbeitszeiten und kommt in die besten Länder. Darüber wurde aber mehr gescherzt. Und ich hatte mich ja durchgekämpft. Anfangs wurde über mich gelächelt, denn Mode galt im Gegensatz zu Politik oder Sport nichts in der DDR und ich war froh, dass ich überhaupt eine Sendung im Jahr bekam. Sie lief an Weihnachten über 45 Minuten und plötzlich merkte man, dass sie Quote bringt – was auch in der DDR nicht unwichtig war.

Ein Weltmeister der Formel 1 sagte einmal, wer in seinem Beruf zwangsläufig und so oft von schönen Frauen umgeben sei, der könne einfach nicht immer widerstehen. Am Ende Ihres Buches zählen sie einige von diesen Frauen auf. Jetzt mal ehrlich, Herr Ehrlich: Konnten Sie immer widerstehen?
Ich musste widerstehen! Wir hatten immer eine tolle Stimmung im gesamten Team und ich wusste, wenn man in diesen „Weiberhaufen“ piekt, dann gibt es schlechtes Blut. Ich glaube nicht, dass irgendeiner von uns fremdgegangen ist.

Im Internet steht, Sie seien 1941 in Lovosice geboren, andernorts aber, dass es um 1942 bei Prag war. Was stimmt tatsächlich?
Ich wurde 1941 in Lovosice geboren, unweit von Ústí nad Labem, mein Vater fiel im Krieg und wir fanden 1944 Zuflucht in Königstein. Dann zogen wir mit der gesamten Familie nach Aschersleben in Sachsen-Anhalt und lebten dort zunächst unter ärmlichen Verhältnissen. Ich habe vor ein paar Jahren einen Modefilm in Aschersleben gemacht und dabei auch mein Leben etwas aufgearbeitet.

Sie schreiben auch, dass man „bei biografischen Geschichten stets die eigenen Wurzeln an den Anfang stellen“ soll. Ihre böhmische Herkunft kommt darin allerdings kaum vor. Fehlen Erinnerungen daran?
Sie haben recht, ich habe dazu nicht viel geschrieben. Ich sehe noch, wie wir aus unserem Haus gehen mussten. Vielleicht sehe ich es aber auch nur, weil mir oft erzählt wurde, dass ich mit meiner Mutter und einem Kinderwagen und sonst nichts gehen musste. Meine Großmutter und meine Cousine trugen unzählige Kleider übereinander, um sie mitnehmen zu können. Ich erinnere mich an eine kräftige Ohrfeige meiner Mutter, weil ich schon in Deutschland meine Cousine unter den Flüchtlingen entdeckte, was meine Mutter jedoch für ausgeschlossen hielt. Viel darüber zu schreiben, wollte ich mir auch nicht zumuten.

Interessanterweise berichtete uns manch Vertriebener, keinerlei Erinnerungen an diese Zeit mehr zu haben, wie der Fußballstar Siggi Held. Andere wussten darüber noch sehr viel, wie Schauspieler Dietrich Mattausch.
Was ich darüber weiß, kenne ich aus Erzählungen meiner Großeltern und meiner Mutter. Ich war erst drei Jahre alt, als wir gehen mussten. So habe ich vor allem über die sudetendeutsche Küche meiner Großmutter geschrieben, deren Gerichte sie sehr oft für uns zubereitete.

Landschaft bei Lovosice  | © Aktron/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Haben Sie Ihre alte Heimat nochmals besucht?
Ich war mehrmals dort. Denn ich war sehr oft in Prag, wo ich einen Filmbildner vom Theater zum Freund habe, und machte dann Abstecher nach Lovosice. Zuletzt etwa vor 15 Jahren, doch dort empfand ich eine eher bedrückende Stimmung. Das Haus in der ehemaligen Klingerstraße war noch so, wie ich es in Erinnerung hatte. Aber die Leute fanden es nicht so angenehm, als ich mich dort umgeguckt habe. Vielleicht dachten zwei ältere Frauen am Fenster, dass wir etwas zurückhaben wollten, was natürlich Blödsinn war. Auch mein Sohn war erst vor ein paar Jahren dort. Er hatte ein enges Verhältnis zu meiner Mutter und sie hatte ihm viel von früher erzählt. Er nahm ein Foto des Hauses mit und wollte wissen, wo sein Vater geboren wurde.

Zu Beginn Ihrer Fernseh-Karriere arbeiteten Sie für das DDR-Werbefernsehen. Noch weniger als Mode ist Werbung in der sozialistischen Planwirtschaft vorstellbar. Wofür hat man Werbung überhaupt gebraucht angesichts des fehlenden Wettbewerbs?
Wir mussten zum Beispiel Werbung für Eier machen, wenn es zu viele davon gab, weil eben die Planwirtschaft in diesem Bereich nicht funktioniert hatte. Oder wenn es eine Apfelschwemme gab. Oder über Badesalz, dann habe ich eine Schauspielerin in eine Wanne gesteckt, die bis oben hin voller Schaum war. Selbst über die Elkadent-Zahnpasta haben wir einen Werbefilm gemacht.

Das bedeutete aber nicht, dass die Mundhygiene der DDR-Bürger zu wünschen übrig ließ?
Nein, es ging darum, Produkte vorzustellen, die mancher nicht kannte – oder von denen einfach zu viele auf Lager waren. In diesem speziellen Fall kam der Hersteller Elkadent zu uns und bat um Hilfe, weil er Absatzprobleme hatte. Dann wurde ein kleiner Film darüber produziert und er musste dafür bezahlen. Letztlich genauso wie auch heute. Damit haben wir dem DDR-Fernsehen viele Millionen gebracht – obwohl wir vom Werbefernsehen innerhalb der Hierarchie des Fernsehens immer als „die Doofen“ galten und in der Berliner Innenstadt saßen, also weit weg von den Fernsehstudios in Adlershof.

Sie konnten Ihr Hobby zum Beruf machen, wie Sie schreiben. Trotzdem kam Ihnen 1979 ausgerechnet im DDR-Traumziel Kuba der Gedanke an Flucht. Wie war das zu erklären?
Ich durfte mit Freunden nach Kuba fahren – warum mir dies erlaubt wurde, ist mir bis heute ein Rätsel. Schon auf dem Hinweg sind einige Mitreisende nach einem Zwischenstopp in Neufundland abgehauen. Dann blieb aus meiner Gruppe noch einer vor Ort. Unter diesem Eindruck überlegten wir eines Abends auch, was wir machen sollten. Doch ich konnte nicht weggehen, denn in der DDR waren ja meine Kinder und meine Mutter, und die lagen mir sehr am Herzen. Aber den Gedanken hatten wir schon.

Warum eigentlich? Sie waren doch in gewissem Sinne privilegiert.
Genau kann ich es Ihnen auch nicht sagen, denn ich hatte keine Sorgen in der DDR. Aber trotzdem hat der Westen gereizt. Privilegiert war ich allerdings nicht, auch wenn ich einen guten Job hatte. Einen Reisepass für den Westen zum Beispiel bekam ich auch erst 1987, also viele Jahre später.

Spielte dabei mit, dass Sie als Mitarbeiter der Allgemeinen Publizistik auch staatliche Propagandafilme drehen mussten, wie über den ersten Mikrochip oder über „glanzvolle“ DDR-Bezirksstädte?
Ja, natürlich. Es gab unterschiedliche Teams und man musste gegenseitig ein bisschen aufpassen. Eine Kollegin zum Beispiel hatte beste Verbindungen zu allen und da habe ich schon darauf geachtet, nicht in Fettnäpfchen zu treten. Aber uns war schon klar, dass diese Städteporträts allesamt geschönt wurden und wir etwas machen mussten, was in gewisser Weise eine Lüge war. Man kann Städte jedoch immer so zeigen, dass nur Ruinen vorkommen oder die schönen Ecken. Sollte ich mich als großer Kämpfer dagegenstellen? Dann hätte ich sofort meinen Job verloren. Oder Schlimmeres. Genauso hatte ich Angst, als ich 1988 heimlich nach Paris fuhr. Wenn das herausgekommen wäre, wäre ich die längste Zeit beim Fernsehen gewesen.

>Mode mal Ehrlich< lief von 1992 bis 2012 im MDR Fernsehen.  | © ARD

In Ihren Reisesendungen für das DDR-Fernsehen und später die ARD haben Sie auch Ziele in der früheren ČSSR bzw. später Tschechien empfohlen. Wo gefiel es Ihnen dort am besten?
In Hluboká nad Vltavou fand ich es sehr schön. Und dann habe ich natürlich Prag geliebt, ich bin oft dort gewesen. Einzigartig, wenn man etwa von oben auf die Stadt guckt. Im Riesengebirge war ich im Winter und es gefiel mir dort auch sehr gut.

Ihre Mode-Sendungen liefen immer an Feiertagen. Wie sehr fehlen sie Ihnen?
Sie fehlen mir sehr! Das sage ich ganz offen. Wir hatten vier Sendungen im Jahr, die letzte lief an Weihnachten 2013. Dafür waren wir in Ägypten und in dieser letzten Sendung habe ich auch einen Rückblick auf frühere Ausgaben gemacht. Wir treffen uns noch oft und erzählen gerne von früher, dann klingt immer ein bisschen Wehmut an. Ich ärgere mich darüber, dass es solch eine Modesendung heute nicht mehr gibt. Sendungen, bei denen Kameras die Menschen ganz schnell von oben nach unten abschwenken und man wenig bis nichts von ihrer Kleidung sieht, bringen überhaupt nichts. Zuschauer können nichts damit anfangen, wenn es nur um Effekte geht. Man hätte die Sendung übernehmen und den Leuten weiterhin ein Ratgeber sein können. Nun ist es eben vorbei. Doch ich habe den schönsten Beruf überhaupt gehabt!


ZUR PERSON

Klaus Ehrlich – stets gut gekleidet, braun gebrannt und auf eine schlanke Linie bedacht – war der einzige Modefilmer der DDR. Dem Metier blieb er 40 Jahre lang treu. Dabei wollte er eigentlich Schauspieler werden. Nach einem praktischen Jahr in einem Werk für Fernsehelektronik studierte Ehrlich allerdings an der Fachschule für angewandte Kunst und beendete sie als Werbeökonom. Im Werbefernsehen der DDR stieg er rasch zum Werbe- und dramaturgischen Leiter auf. Ab 1971 war Klaus Ehrlich als Regisseur und Werbefilmer für die „Tausend Tele-Tips“ des DDR-Fernsehens tätig. Nach deren Ende empfahl er Reiseziele im sozialistischen Ausland für die Sendung „Unterwegs“.

Ein weiteres Studium an der Filmhochschule schloss er mit einem Diplomfilm über Mode ab. Jeweils zu Weihnachten präsentierte Ehrlich ab 1974 im DDR-Fernsehen eine Modesendung. Daneben drehte er Video-Clips mit vielen Prominenten der heimischen Show-Branche, Musikfilme für den DDR-Star Helga Hahnemann, aber auch politische Reportagen, etwa über den ersten Megabit-Chip. Nach der Wende setzte er seine Sendung unter dem Titel „Mode mal Ehrlich“ für den MDR fort, sie lief viermal im Jahr an Feiertagen. Ab 1992 produzierte Klaus Ehrlich für den Sender auch acht Jahre lang den ARD-Ratgeber Reise.

 

 

Kommentare

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  1. Lieber Herr Ehrlich, Sie schrieben eins der schönsten Bücher über DDR Geschichte!!! Nichts beschönigend, eben ehrlich, aber ganz toll!!! Ich kaufte es nun gleich 5x, um es zu verschenken. DDR Literatur ist ja teils schrecklich! Grade der Mangel machte ja manches spannend. Wir hatten nie Geld, also tauchte der Wunsch nach fernen Ländern aus ganz praktischen Gründen garnicht erst auf… Nach der Wende war ich jedoch gleich, ohne Englichkenntnis, in New York. Mein Mann hatte einen Lottogewinn! Ich hatte als uneheliche Halbwaise, bei meine Oma und im Heim aufwachsend, eine tolle, Kindheit, Kultur war ja auch unser Leben. Sie machen das deutlich. Vielen Dank!
    Herzlichst
    Sylvia-Manorita Wiedemann





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