Hoch lebe Hurvínek

Hoch lebe Hurvínek

Das Puppentheater-Museum im ostböhmischen Chrudim ehrt Tschechiens berühmteste Marionette zum 90. Geburtstag mit zwei Ausstellungen

11. 5. 2016 - Text: Ivan DramlitschText: Ivan Dramlitsch; Foto: Ivana Krennerová/Muzeum loutkářských kultur v Chrudimi

Tausende Vorstellungen in 34 Ländern und 22 Sprachen, 57 Bücher, an die 300 Schallplatten- und CD-Aufnahmen, die 37 Mal Gold und 26 Mal Platin gewannen – Hurvínek ist gemeinsam mit seinem Vater ­Spejbl nicht nur die bekannteste, sondern auch die mit Abstand erfolgreichste Marionette Tschechiens. Die beiden Holzfiguren sind Kult – und nicht nur in ihrer Heimat. Hurvíneks 90. Geburtstag wird im ganzen Land gefeiert – so auch im Puppentheater-­Museum im ostböhmischen Chrudim, das 2016 zum „Hurvínek-Jahr“ ausgerufen hat und dem ältesten Lausbuben Tschechiens unter anderem zwei Ausstellungen widmet.

Hurvínek stand das erste Mal am 2. Mai 1926 in Pilsen auf der Bühne, da gab es Spejbl bereits seit sechs Jahren. Im Publikum saßen keine Kinder, sondern Erwachsene. „Spejbl war ursprünglich als ein leicht begriffsstutziger und gleichzeitig besserwisserischer Kleinbürger konzipiert, der das aktuelle Zeitgeschehen kommentierte“, erläutert Denisa Horníková, die Kuratorin der beiden Ausstellungen. Auch zusammen mit Hurvínek habe man ihn in der Anfangszeit hauptsächlich für Erwachsene gespielt. Erst in den fünfziger Jahren traten die Marionetten häufiger vor Kindern auf. Josef Skupa, einer der geistigen Väter der Holzfiguren und Gründer des ersten Spejbl-und-Hurvínek-Theaters, sah in Hurvínek auch nicht den Sohn ­Spejbls. Dieses Verwandtschaftsverhältnis ist eine „Erfindung“ des Publikums, die schließlich übernommen wurde.

Nach Skupas Tod 1957 prägte für Jahrzehnte Miloš Kirschner das Bild des Marionettenduos. Das Theater war bereits von Pilsen nach Prag gezogen. Dass es sich damals verstärkt einem Kinderpublikum zuwandte, mag auch mit der politischen Situation in der Nachkriegs-Tschechoslowakei zusammenhängen. Kritische Kommentare zum Zeitgeschehen waren zur Zeit des Stalinismus riskant und gefährlich. Und Kirschner war ein gebranntes Kind: 1949 musste er sein Studium des Inter­nationalen Rechts aus politischen Gründen abbrechen, Anfang der fünfziger Jahre wurde er wegen „staatsfeindlicher Tätigkeit“ verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Zum kommunistischen Regime hatte Kirschner daher zeitlebens ein distanziertes Verhältnis. „Sie waren sicherlich keine Rebellen, aber sie haben sich auch nie vom System vereinnahmen lassen, und dafür muss man ihnen Respekt zollen“, sagt Břetislav Oliva vom Chrudimer Puppentheater-Museum. Stücke für Erwachsene werden nach wie vor gespielt. Und wo früher die politische Andeutung ihren Platz hatte, findet man heute hin und wieder einen politischen Seitenhieb.

Zeitlose Typen
Kirschner ist auch für das internationale Renommee des Marionettentheaters verantwortlich. Unermüdlich initiierte er Auslandstourneen, studierte die Stücke in 22 Sprachen ein, unter anderem auf Japanisch, Arabisch und Vietnamesisch. „Die Vorbereitungen für die Auslandstourneen waren äußerst akribisch. Wochenlang wurde mit Muttersprachlern an der japanischen oder arabischen Aussprache gefeilt“, so Kuratorin Horníková.

Ein besonderes Verhältnis pflegt das Theater zu Ostdeutschland, wo Spejbl und Hurvínek bis heute regelmäßig auftreten. Einige Stücke gibt es sogar nur in deutscher Sprache, die der fließend Deutsch sprechende Kirschner „exklusiv“ für das Publikum im Nachbarland schrieb. Und auch bei den Tonaufnahmen, von denen bis heute nahezu 300 erschienen sind, ist ein deutsches Stück der Bestseller­: „Spejbl & Hurvínek zum Geburtstag “ verkaufte sich mehr als 101.000 Mal.

„Spejbl und Hurvínek ist es einerseits gelungen, für etwas allgemein Menschliches zu stehen. Damit sprechen sie alle Menschen an. Andererseits repräsentieren sie universelle zeitlose Typen und eine klassische Vater-Sohn-Beziehung, die es in jeder Epoche gibt. Diese Auseinandersetzung wird auch in 100 Jahren noch das Publikum unterhalten“, erklärt Oliva das Geheimnis der beiden Figuren.

Aber selbst wenn das Erfolgsrezept seit Jahrzehnten funktioniert – auch Spejbl und Hurvínek müssen ein wenig mit der Zeit gehen. Und es ist nicht unbedingt leichter geworden, die Aufmerksamkeit der mit Internet und Smartphone aufwachsenden Kinder zu gewinnen. „Früher war alles etwas ruhiger und die Kinder hatten mehr Geduld. Heute ist alles viel schneller geworden, und auch wir passen uns mit unseren Aufführungen ein bisschen an. Die einzelnen Bilder sind kürzer und dichter geworden, um die Geschichte dynamisch zu erzählen. Dass Interesse an poetischen Bildern ist irgendwie verloren gegangen“, bekannte unlängst in einem Interview Martin Klásek, der heute als Nachfolger des 1996 verstorbenen Kirschners die beiden Figuren spricht.  

Im Chrudimer Puppentheater-­Museum kann man sich zunächst im Erdgeschoss „Spejbl und Hurvínek im Regal“ – so der Titel der kleinen Ausstellung – ansehen; ein liebevoll arrangiertes Sammelsurium an Figuren, Marionetten, Schallplattenhüllen und anderen Dokumenten aus nahezu 100 Jahren des berühmten Duos. Im Obergeschoss lockt noch bis zum Herbst die Ausstellung „Hurvínek hat Geburtstag“. Die interaktive Schau ist als große Geburtstagsparty konzipiert, auf der man Geschenke auspacken und selbst zum Puppenspieler werden kann. Ab Dezember ist die Ausstellung in Prag zu sehen.

Muzeum loutkových kultur. Břetislavova 74, Chrudim, geöffnet: dienstags bis sonntags, 9 bis 18 Uhr, Eintritt: 60 CZK (ermäßigt 40 CZK), www.puppets.cz