„Gute Nachricht“

Premier wünscht sich engere Zusammenarbeit mit Berlin
19. 3. 2014 - Text: Marcus Hundt, Foto: ČTK/AP/Markus Schreiber
Wenige Stunden nachdem der Slowakische Staat für unabhängig erklärt worden war, empfing Adolf Hitler in den späten Abendstunden des 14. März 1939 Staatspräsident Emil Hácha in der Reichskanzlei in Berlin. Der Tscheche warb für die eigenständige Existenz seines Volkes. Letztlich vergebens: Hitler erklärte, er könne die Feindseligkeit der Tschechen nicht länger hinnehmen, um sechs Uhr werde die deutsche Armee in die „Tschechei“ einmarschieren. Mit der Besatzung und der anschließenden Proklamation des „Reichsprotektorats Böhmen und Mähren“ hatte das Land seine Souveränität verloren.
Es mag Zufall gewesen sein, dass zwischen diesem folgenschweren Gespräch und dem Antrittsbesuch des neuen tschechischen Regierungschefs Bohuslav Sobotka in Deutschland auf den Tag genau 75 Jahre lagen. Doch die Gelegenheit, ausgerechnet in Berlin über die damaligen Verbrechen und deren Folgen zu sprechen, ließ der Sozialdemokrat nicht ungenutzt – wenn auch nicht gegenüber der Bundeskanzlerin oder dem Bundespräsidenten. Mit beiden war Sobotka bereits zusammengetroffen, als er sich am Donnerstagabend in einem von der Friedrich-Ebert-Stiftung organisierten Vortrag über die „Zerschlagung der Rest-Tschechei“ äußerte. „Der 15. März galt in der Tschechoslowakei jahrelang als Tag des besonderen Hasses gegenüber allem Deutschen“, sagte der 1971 geborene Regierungschef. Erst nach der politischen Wende 1989 habe sich diese negative Einstellung langsam geändert. „Wir brauchten die Freiheit, um wieder zu erkennen, was Zusammenarbeit und Kompromissbereitschaft bedeuten.“
Gleichzeitig bedauerte er, dass es in den zwanziger und dreißiger Jahren den in der Tschechoslowakei lebenden Tschechen und Deutschen nicht gelungen sei, „im Geiste demokratischer Werte einen gemeinsamen Weg zu suchen“.
Heute sei diese Ansicht ein fester Bestandteil des bilateralen Verhältnisses, hatte Sobotka am Mittag gegenüber Bundeskanzlerin Merkel erklärt. „So wie wir unsere Standpunkte im Rahmen der Visegrád-Gruppe (Tschechien, Ungarn, Polen, Slowakei; Anm. d. Red.) abstimmen, würden wir sie auch gern mit Deutschland besprechen und koordinieren.“ Dafür schlug er regelmäßige Ministertreffen oder gemeinsame Regierungskonsultationen vor; gerade in den Bereichen Wirtschaft und Wissenschaft wünsche sich Sobotka eine engere Zusammenarbeit.
Dass sich Tschechien künftig stärker für die europäische Integration einsetzen, dem Europäischen Fiskalpakt beitreten und laut Sobotka vermehrt „am Verhandlungstisch Platz nehmen will“, bezeichnete Merkel als eine „gute Nachricht“ und als Grundlage für eine bessere Kooperation zwischen Berlin und Prag.
In einem Punkt herrschte dann aber doch Uneinigkeit: Prag werde die von der Bundesregierung eingeleitete Energiewende nicht nachahmen und die erneuerbaren Energien weiterhin lediglich als Ergänzung zur Kernenergie betrachten. Wenig Verständnis brachte Sobotka auch dem „zu ambitionierten Ziel“ der EU-Kommission entgegen, wonach bis zum Jahr 2030 insgesamt 27 Prozent der europaweiten Stromproduktion aus regenerativen Energien gewonnen werden sollen.
Das Gespräch mit Merkel drehte sich neben der aktuellen Situation auf der Krim vor allem um diese europäischen Themen.
Kampf um den Euro
Zur von seiner Regierung gewünschten Euro-Einführung in Tschechien äußerte sich Sobotka erst am Abend. Dieses Ziel bestehe zweifelsohne, doch „den Kampf um den Euro kann man nicht allein in der Koalition oder im Parlament ausfechten, er muss auch in den Köpfen der Menschen ausgetragen werden.“ Die Gemeinschaftswährung ließe sich nicht ohne die breite Unterstützung der Öffentlichkeit einführen. In diesem Zusammenhang erinnerte Sobotka auch an Alt-Präsident Václav Klaus, der die EU in seinen zehn Amtsjahren stets auf das Schärfste kritisiert hatte. „Auch deshalb steht die tschechische Öffentlichkeit dem Euro nicht offen genug gegenüber.“
Sobotkas zweitägiger Deutschland-Besuch war auch einer des Gedenkens. So erinnerte er nicht nur an den 75. Jahrestag des deutschen Einmarsches, sondern legte auch einen Kranz an der Berliner Mauer nieder, die nicht nur ein „Symbol der Teilung“, sondern auch für das „Zusammenwachsen Europas“ nach 1989 darstelle. Bevor er die Hauptstadt in Richtung Wolfsburg verließ, um dort das Stammwerk des Volkswagen-Konzerns zu besuchen, hielt er eine kurze Rede im ehemaligen Strafgefängnis Plötzensee, in dem während des Nationalsozialismus rund 700 tschechische Widerstandskämpfer hingerichtet wurden. „Es ist ein seltsames Gefühl, an einem Ort zu sein, wo so viele „tschechoslowakische Landsleute“ ums Leben kamen, sagte Sobotka nach dem Besuch.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“