Gäste auf der Flucht

Gäste auf der Flucht

Tschechien nimmt Christen aus dem Nordirak auf. Ein Teil ist nun nach Deutschland ausgereist und hat dort Asyl beantragt

6. 4. 2016 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: APZ

Tschechien wollte sie erst nicht haben, dann nicht gehen lassen. Deutschland wollte sie erst zurückweisen, dann aber nicht mehr hergeben. Während weltweit Millionen Menschen auf der Flucht sind, hat hierzulande in den vergangenen Tagen eine vergleichsweise kleine Gruppe für große Aufregung gesorgt. 25 Iraker – Christen, wie in den tschechischen Medien stets hinzugefügt wird – haben am Wochenende versucht, von Tschechien nach Deutschland zu gelangen.

Tschechien hatte einen Teil der Flüchtlinge aufgrund der europäischen Quotenregelung aufgenommen, gegen die es sich in Brüssel vergeblich gewehrt hatte. Die Iraker waren zunächst in der Nähe von Jihlava untergebracht, wollten dort aber nicht bleiben. Am Samstag stiegen sie in einen Bus in Richtung Deutschland. An der Grenze hielt die deutsche Polizei sie auf und wollte sie zurück nach Tschechien schicken. Dann sagten die Behörden die Übergabe der Flüchtlinge an ihre Kollegen jedoch kurzfristig ab. Auf Nachfrage aus Tschechien erklärten sie, dass die Iraker alle Asyl in Deutschland beantragt hätten, weil sich ihre Familienange­hörigen dort aufhielten.

Laut Innenminister Milan Chovanec (ČSSD) haben die Flüchtlinge gegen das Gesetz verstoßen, indem sie versucht haben, Tschechien zu verlassen. Würde Deutschland sie nach Tschechien schicken, würden sie dort zunächst in eine Haftanstalt für Ausländer gebracht. Sie könnten Asyl in Tschechien beantragen, andernfalls müssten sie zurück in ihre Heimat, so Chovanec.

Věra Honusková, Expertin für Asylrecht der Prager Karls-Universität, bezweifelt jedoch, dass die Gruppe in den Irak ausgewiesen werden könnte. Wenn ihnen dort Gefahr drohe, dürfe Tschechien sie nicht gegen ihren Willen zurückschicken, so Honusková. Andere Migrations­experten vermuten, dass Deutschland den Flüchtlingen ein Asylverfahren gewähren will, weil ihnen in Tschechien die Inhaftierung droht.

Tschechische Politiker zeigten kein Verständnis für das deutsche Vorgehen. Chovanec kündigte an, einen Brief an seinen Amtskollegen Thomas de Maizière (CDU) zu schreiben. „Ich fordere unsere deutschen Partner auf, ihr Verhalten gründlich zu erklären, vor allem im Zusammenhang mit dem geltenden europäischen Asylrecht.“ Der Innenminister sieht sich durch den Vorfall in seiner Einstellung bestätigt. Deutschland habe durch sein Handeln bewiesen, dass verpflichtende Quoten Unsinn seien, so Chovanec. Er warnte den westlichen Nachbarn außerdem, einen Präzedenzfall zu schaffen: „Ich bin sehr neugierig, ob den Fall dieser 25 Menschen in Zukunft nicht auch viele andere Migranten bei Gerichtsverfahren in Deutschland nutzen.“ Auch andere Vertreter der Regierung wiesen erneut darauf hin, dass man Flüchtlinge nicht zwingen könne, in Ländern zu bleiben, die sie gegen ihren Willen aufnehmen.

Der Innenminister sieht durch die Ausreise der 25 Iraker das gesamte tschechische „Umsiedlungsprogramm für christliche Flüchtlinge“ in Frage gestellt. Er hat das Projekt, das der Stiftungsfonds Generace 21 organisiert, nun zunächst gestoppt. Ob es fortgesetzt wird, darüber berät die Regierung am Donnerstag. Chovanec will sich gegen das Programm aussprechen, mit dem bisher 89 Flüchtlinge nach Tschechien gebracht wurden. Generace 21 wollte insgesamt 153 Christen aus dem Nordirak ins Land holen, davon 23, die in den Libanon geflohen sind. Diese sollten dem Innenministerium zufolge zu den 400 Menschen zählen, die Tschechien laut EU-Quoten aufnehmen muss. Die anderen 130 sollten nicht unter die Quote fallen.