Frischer Wind in Bratislava

Millionär Andrej Kiska wird Präsident. Premier Fico erlebt „politische Hinrichtung“
2. 4. 2014 - Text: Martin NejezchlebaText: Martin Nejezchleba; Foto: ČTK/Koller Jan
Nur etwas mehr als die Hälfte der Stimmen waren ausgezählt, als Robert Fico (SMER-SD) vor die Kameras humpelte. Kurz vor dem Startschuss für den Wahlkampf hatte er sich beim Fußballspielen einen Sehnenriss in der Achillesferse zugezogen. Zu dieser Zeit war Premierminister Fico noch unangefochtener Favorit der Präsidentschaftswahlen und beliebtester Politiker im Land. Die Verletzung werteten die politischen Beobachter damals noch als Vorteil: Es passte zu Ficos Image des unbeirrbaren Gewinners. Am vergangenen Samstag gestand der Sozialdemokrat zweieinhalb Stunden nach Ende der entscheidenden Stichwahl seine Niederlage ein. „Auch wenn noch nicht alle Stimmen ausgezählt sind“, gratulierte Fico seinem Rivalen Andrej Kiska, Bürgerkandidat und neuer Präsident der Slowakei. „Das ist ein Fakt, es macht keinen Sinn das noch abzustreiten.“ Es ist der größte Misserfolg in der politischen Laufbahn Ficos.
59,4 Prozent der Stimmen erhielt Andrej Kiska, Millionär und Gründer der Wohltätigkeitsorganisation „Guter Engel“ („Dobrý anjel“). Knapp 20 Prozent mehr als sein Rivale. „Was Fico am Samstag erlebt hat, sah nicht wie eine Niederlage, es sah wie eine Hinrichtung aus“, schrieb die Tageszeitung „Hospodařské noviny“ am Montag. Entsprechend ausgelassen war die Stimmung im Hotel Devín, am Donauufer in Bratislava.
Dort trat Kiska gegen Mitternacht vor die Presse. Neun Mal musste sich der Wahlsieger mit heiserer Stimme bedanken, bevor der Jubel seiner Anhänger für einen Augenblick verstummte. Er sprach von einem starken Mandat und beteuerte, er werde der Präsident aller Slowaken sein. „Ich werde mich darum bemühen, Menschlichkeit und Anstand in die slowakische Politik zurückzubringen“, sagte Kiska. Es ist das Image des volksnahen Nicht-Politikers das den Polit-Neuling zum Überraschungssieger machte.
Fico-Regierung ausgebremst
„Er ist eine Art Rettungsanker für diejenigen, die überhaupt nicht mehr an die Politik glauben“, erklärte der Brünner Politologe und Slowakei-Experte Peter Spáč. Den letzten kollateralen Imageschaden brachte den slowakischen Politikern der vermeintliche Korruptionsskandal, den die Abhörprotokolle mit dem Decknamen „Gorilla“ aufdeckten. 2012 konnte der damalige Führer der sozialdemokratischen Opposition, Robert Fico, davon profitieren. Seither polarisiert er die Bevölkerung mit seinem autokratischen Regierungsstil. Nun nutzte Kiska, der in seiner Kampagne seine finanzielle und politische Unabhängigkeit betonte, den Politikverdruss der Slowaken für sich. Auch eine Schmutzkampagne, die Kiska als Zinswucherer und Anhänger der Scientology-Sekte diffamierte, konnte ihn nicht aufhalten.
„Die uns sehr nahe Slowakei hat einen intensiven, scharfen, aber zweifellos regulären Wahlkampf hinter sich, der die Stärke und Qualität der slowakischen Demokratie bestätigt hat“, erklärte der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka (ČSSD) am Sonntag.
Kiska wird am 15. Juni den Posten des scheidenden Ivan Gašparovič übernehmen. Volksnah möchte Kiska auch als Präsident bleiben. Sein Gehalt von rund 6.600 Euro will er an Wohltätigkeitsorganisationen spenden.
Unsicher ist indes die Zukunft von Premier Fico. Auch weil bei einem Festhalten an der freigiebigen Haushaltspolitik die sogenannte Schuldenbremse greifen würde. Die könnte seine Regierung dazu zwingen, ein Jahr vor den Parlamentswahlen 2016 unpopuläre Sparmaßnahmen zu verabschieden. Wäre Fico Präsident geworden, hätte seine SMER-Partei eine neue Regierung gestellt und somit die Schuldenbremse ausgehebelt.
Ficos Ansprache am Wahlabend dauerte 45 Sekunden. Er werde sich für einige Tage zurückziehen und seine Zukunft abwägen, sagte der Premier, und humpelte aus dem Rampenlicht.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“