Ernüchterndes Ergebnis

Ernüchterndes Ergebnis

Untersuchungsbericht: Umstrittener Polizeieinsatz in muslimischem Zentrum war rechtens

14. 5. 2014 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: čtk/Michal Krumphanzl

Die Empörung war groß, nachdem eine Spezialeinheit der Polizei Ende April das Gebäude der Islamischen Stiftung (Islamská nadace) im Prager Stadtzentrum gestürmt und mehr als 20 Personen festgenommen hatte. Das Vorgehen der Polizei sei eine Sünde gegenüber „unseren muslimischen Brüdern“, urteilte der Religionsphilosoph und römisch-katholische Priester Tomáš Halík. Der Vorsitzende der muslimischen Gemeinden in Tschechien, Muneeb Alrawi, sah darin sogar einen „gezielten Akt“, um der islamfeindlichen Haltung mancher Tschechen neue Munition zu geben. Die slowakische Tageszeitung „Sme“ verglich den Einsatz mit einem „Angriff auf eine gefährliche Zelle von Al-Kaida“; was sich vor dem Freitagsgebet in Prag abspielte, sei „überzogen, zeitlich schlecht abgestimmt und unprofessionell“ gewesen.

Begründet wurde die Razzia von der Polizei mit der Festnahme eines 55-jährigen Pragers, der sich in den Gebetsräumen aufgehalten hatte und verdächtigt wird, ein Buch mit rassistischen und verfassungswidrigen Inhalten zu verbreiten. Ihm drohen dafür bis zu zehn Jahre Gefängnis. Der Vorfall erhielt zusätzliches Gewicht, als die indonesische Botschaft ankündigte, wegen Störung eines Gottesdienstes Beschwerde beim tschechischen Außenministerium einzureichen. Unter den für kurze Zeit Festgenommen befanden sich auch Angehörige der Vertretung Indonesiens – in keinem Staat der Welt leben mehr Muslime als in der südostasiatischen Republik.
Augenzeugen berichteten, die Polizisten hätten sie nicht nur stundenlang gegen ihren Willen in den Räumen der Islamischen Stiftung festgehalten, sondern auch gewaltsam zu Boden gerissen und Schusswaffen auf sie gerichtet. Nach der Razzia am Freitag untersuchten Polizisten am darauffolgenden Wochenende weitere Zentren der muslimischen Gemeinde in Prag.

Gegen das harte Vorgehen hatte es zuletzt mehrere Kundgebungen und Protestaktionen gegeben, unter anderem ein Gebet vor dem Gebäude des Innenministeriums im siebten Prager Stadtbezirk, an dem sich über 300 Muslime beteiligten. Einige Teilnehmen trugen Transparente mit Aufschriften wie „Nein zu Rassismus“ oder „Nur wegen eines Buches“ mit sich.

Innenminister Milan Chovanec (ČSSD) kündigte daraufhin eine polizeiliche Untersuchung der Vorkommnisse rund um den umstrittenen Einsatz Ende April an. Das Ergebnis dieser Untersuchung liegt nun vor, und fällt nicht nur für die Vertreter der muslimischen Gemeinde ernüchternd aus: Die Polizisten der Abteilung für die Bekämpfung des organisiertes Verbrechens (ÚOOZ) haben nicht gegen tschechisches Recht verstoßen, der Einsatz war „in Ordnung“. Als Grund für das relativ harte Vorgehen führte Polizeipräsident Tomáš Tuhý an, es sei davon auszugehen gewesen, dass einige Anwesende Waffen bei sich tragen. Dieser Verdacht hatte sich letztlich auch bestätigt – doch verfügten diejenigen über eine entsprechende Genehmigung.

Für das korrekte Verhalten der Polizisten spräche laut Tuhý zudem, dass der Einsatz nicht während, sondern vor dem Freitagsgebet erfolgte. Auch hätten die Einsatzkräfte Diplomaten, Frauen und Kinder angeblich aufgefordert, den Raum unverzüglich zu verlassen. Was die Polizei wohl nicht wusste: Das Besondere am gemeinschaftlichen Freitagsgebet ist die sogenannte Chutba – eine Predigt, die vor dem eigentlichen Beten gehalten wird und nicht gestört werden sollte. Zudem hätten die Polizisten vor dem Betreten der Gebetsräume die Schuhe ausziehen sollen, kritisierten Mitglieder der muslimischen Gemeinde.

Minister Chovanec erklärte, der Fall sei nun als „dringliche Angelegenheit“ dem Bezirksgericht in Prag 1 übergeben worden. Auf das Ergebnis der von ihm angeordneten Untersuchung wollte er nicht weiter eingehen, schließlich handele es sich um „laufende Ermittlungen“. Doch zeigte er Verständnis für die Reaktionen, die der Einsatz hervorgerufen hat: „Ich kann die Empörung der bisher friedlichen muslimischen Gemeinde in der Tschechischen Republik nachvollziehen. Gleichzeitig habe ich die Angehörigen von Polizei, BIS und UZSI (tschechische Nachrichtendienste, Anm. d. Red.) aufgefordert, bei ähnlichen Einsätzen künftig sämtliche Aspekte und Risiken zu berücksichtigen, die ihr Vorgehen mit sich bringen kann.“