Ein Leben voller Humor

Ein Leben voller Humor

Zum Tod von Vladimír Jiránek: Zwei Handwerker und zwei Kaninchen machten ihn bekannt

14. 11. 2012 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: APZ

Eigentlich wollten sie ein Hühnchen grillen. Doch die herkömmliche Zubereitung in Ofen und Mikrowelle scheitert. Das leblose Federvieh bleibt widerspenstig und lässt sich auch im Schraubstock nicht bändigen. Am Ende haben Pat und Mat zwar einen prachtvollen Zimmerofen – ihr Zuhause ist jedoch unbewohnbar.

Nie zuvor haben zwei Handwerker mit so viel Charme und Chuzpe mehr zerstören als reparieren können. Zum Leben erweckt wurden sie vor 36 Jahren von den beiden Illustratoren Lubomír Beneš und Vladimír Jiránek. Zunächst flimmerten sie als „Die Bastler“ (im Original „Kuťáci“) über den Bildschirm, 1985 schließlich erhielten sie den Namen, der sie bekannt machte: Pat und Mat („Pat a Mat“). Bis 2004 hämmerten, sägten, bohrten und zimmerten sich die beiden unbeholfenen Trickfiguren in die Herzen von Kindern und Erwachsenen. Ihre geistigen Väter machten sie in Tschechien zu Legenden.

Nachdem Beneš bereits im September 1995 verstarb, ist nun auch Jiránek aus dem Leben geschieden. Am Donnerstag, 6. November erlag der Karikaturist mit 74 Jahren einer schweren Krankheit. 40 Jahre seines Lebens hatte er sich dem Zeichnen verschrieben. „Ich muss mich immer mit irgendetwas beschäftigen und das tue ich, indem ich zeichne. Das Zeichnen, das ist für mich der Sinn des Lebens“, begründete der Künstler seine Leidenschaft für den Stift. Während er im Ausland weitgehend unbekannt blieb, gehörte er in Tschechien zu den gefragtesten Künstlern. Seit den neunziger Jahren erheiterten seine Karikaturen die Leser des Wochenmagazins „Reflex“ oder der Tageszeitungen „Mlada frontá Dnes“ und „Lidové noviny“.

Keine Zeit für nichts
Jiránek wurde 1938 in Hradec Králové geboren. Mit 18 Jahren ging er nach Prag, wo er später an der Karls-Universität Journalistik studierte. Früh begann er mit dem Zeichnen, veröffentlichte nach Abschluss seines Studiums die ersten Karikaturen: Sarkastische, jedoch nie bösartige Szenen mit geistreichen Aphorismen, die mit einem zwinkernden Auge das tagespolitische Geschehen und die Gesellschaft auf die Schippe nehmen.

Ende der sechziger Jahre begann sich die Zeitungskarikatur allmählich zum selbständigen Genre zu entwickeln. Jiráneks Bilder wurden zu einem festen Bestandteil der tschechischen Tagespresse, vor allem nach der Samtenen Revolution, da sich der Zeichner verstärkt der politischen Karikatur zuwandte. Mit wenigen Strichen gelang es Jiránek, das Wesentliche auf den Punkt zu bringen. Über zwei Jahrzehnte hinweg kommentierte er Eigenarten und Fehltritte seiner Landsleute, seine Cartoons schmückten jahrelang als Leitzeichnung die Titelseite der „Lidové noviny“. In den späten Siebzigern verhalf er der Umweltbewegung „Brontosaurus“ zu Bekanntheit – zeitweilig wurde er dafür mit einem Publikationsverbot belegt.

Zeit seines Lebens war Jiránek als freiberuflicher Karikaturist, Drehbuchautor und Filmemacher tätig, er illustrierte und verfasste Bücher. Seiner Feder entsprangen nicht nur sozialkritische Cartoons, sondern auch populäre Trickfiguren für Groß und Klein. Neben den tapsigen Handwerkern dürfte hierzulande wohl jedes Kind Bob und Bobek kennen, die zwei weißen Kaninchen aus dem Zauberhut. Als Zeichentrick hüpften sie an unzähligen Abenden über den Bildschirm, bevor „Večerníček“ – das tschechische Sandmännchen – die Kinder zu Bett schickte. Und auch sein stilisierter Freud dürfte einem Großteil im Lande vertraut sein: Die liebenswürdige Version des Psychoanalytikers ist Protagonist seiner Publikation „Humor und Psychoanalyse“, eine Sammlung von Zitaten und Witzen rund um die Lücken in der Theorie Sigmund Freuds.

Für seine Arbeiten erhielt Jiránek zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den tschechischen Verdienstorden und den „Orden des Weißen Affen“, den Preis der tschechischen Karikaturisten-Vereinigung. Seinen international größten Erfolg feierte er mit dem Kurzfilm „Was haben wir den Hennen getan?“, der auf der Berlinale 1978 den Goldenen Bären gewann.

Auch nach seinem Ruhestand blieb Jiránek ein rastloser Künstler, zeichnete bis zuletzt täglich für die „Lidové noviny“. Sein Antrieb war die Menschlichkeit: „Mein Humor liegt im Menschen verborgen. Er soll ihre alltägliche Anspannung lösen, auch wenn das nur für einen Moment gelingt.“ Er verabscheute die Schnelllebigkeit der Gegenwart und bedauerte, dass niemand mehr für ein Schwätzchen zwischen „Trafika“ und Haltestelle zu haben ist. „Die Zeit fegt einfach über alles hinweg und lässt keinen Raum für nichts.“ Pat und Mat aber bleiben.