Die Rückkehr der Wölfe

Die Rückkehr der Wölfe

Kleines Rudel in Nordböhmen gesichtet – dauerhafte Ansiedlung wahrscheinlich

6. 12. 2012 - Text: Ivan DramlitschText: id/čtk; Foto: APZ

In das tschechische Grenzgebiet sind die Wölfe zurückgekehrt. Bereits im Oktober konnte eine automatisch auslösende Kamera auf der deutschen Seite des Nationalparks Sächsisch-Böhmische Schweiz die Präsenz des Raubtieres nachweisen. Für den Direktor des Nationalparks auf der tschechischen Seite, Pavel Benda, ist das eine erfreuliche Nachricht: „Wölfe sind für unseren Landstrich wichtig. Sie helfen bei der Regulierung des Schalenwildes; gerade was die Wildschweine angeht, wäre ihre Hilfe sehr willkommen“.

Die gesichteten Tiere gehören offenbar zu einem Rudel, dessen Existenz in dem Gebiet um den an Tschechien grenzenden Hohwald im Osterzgebirge bereits Mitte Oktober nachgewiesen werden konnte. Dort wurden neben erwachsenen Einzeltieren nämlich auch Welpen gesichtet und fotografiert. Damit gilt als bewiesen, dass sich in der Region eine Wolfsfamilie gegründet hat. Dies wurde schon länger vermutet, denn zuvor hatte das „Hohwaldrudel“ mit mehreren Angriffen auf Nutztiere auf sich aufmerksam gemacht. Daraufhin wurden Fotofallen aufgestellt, die die Existenz der Tiere bestätigten. Vergangene Woche wurde zudem in der Nähe der sächsisch-böhmischen Grenze eine junge Wölfin angefahren; das verletzte Tier flüchtete in den Wald, wo es schließlich verendete.

Grenzgänger aus der Lausitz
„Die Rückkehr der Wölfe nach Nordböhmen war angesichts der fortschreitenden Ausbreitung der deutschen Wolfspopulation in den vergangenen zehn Jahren zu erwarten. Schließlich machen Tiere nicht vor Staatsgrenzen Halt. Wir freuen uns darüber“, so Karel Kutal von der Umweltschutzorganisation „Hnutí Duha“, der sich seit mehreren Jahren mit der Sichtung und dem Schutz frei lebender Raubtiere in Tschechien beschäftigt. In den Osten Deutschlands kamen Wölfe Ende der neunziger Jahre aus Polen. Insgesamt wird der Wolfsbestand in Deutschland auf bis zu 160 Tiere geschätzt, die in mindestens 18 Rudeln leben, davon 13 in der Lausitz.

Eine Gefahr für den Menschen geht laut Kutal vom Wolf nicht aus. Der letzte europäische Todesfall durch einen Wolfsangriff ist über 100 Jahre her. Allerdings komme es durchaus zu Angriffen auf landwirtschaftliche Nutztiere. Der Staat zahlt den Betroffenen in diesen Fällen jedoch eine Kompensation aus, falls bestimmte Bedingungen eingehalten werden. „Dazu gehört eine Meldung des Vorfalls innerhalb von maximal 48 Stunden sowie die Pflicht, die Tiere innerhalb einer Umzäunung oder unter der Aufsicht eines Schäferhundes zu halten“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von „Hnutí Duha“ und der Nationalparkverwaltung Böhmische Schweiz. Beide Organisationen bieten Landwirten einen Beratungsservice, wie man seine Tiere vor Angriffen durch Wölfe schützen kann. „Wölfe sind keine Symbole mehr für eine unberührte Natur, die es bei uns ja kaum noch gibt. Sie haben bewiesen, dass sie in Kulturlandschaften leben können, auch wenn es schwer für sie ist. Straßenverkehr und Wilderer stellen die größte Gefahr für die Tiere dar“, so Wolfs-Experte Kutal.

Natur profitiert
Experten sind sich einig, dass die Natur von der Rückkehr der Wölfe profitiert. Erfahrungen zeigen, dass dort, wo das Raubtier vorkommt, beispielsweise eine viel bessere Jungbaumaufzucht möglich ist, als an anderen Orten, wo diese durch äsendes Rotwild gefährdet wird. Die Wölfe leisten somit einen Beitrag zum natürlichen Gleichgewicht. Förster müssen auch weniger Geld für Umzäunungen und sonstige künstliche Schutzmaßnahmen ausgeben.

Auch im Riesengebirge wurden dieses Jahr Wölfe gesichtet, direkte Belege liegen aber bisher noch nicht vor. Das Gleiche gilt für die Beskiden im Nordosten Tschechiens, wo bereits seit mehreren Jahren sogenannte „Wolfswachen“ das Vorkommen nicht nur von Wölfen, sondern auch von Bären und Luchsen bestätigen. Fachleute gehen davon aus, dass eine dauerhafte Ansiedlung von Wölfen in den nordböhmischen Wäldern und Gebirgen wahrscheinlich ist.