Die Rückkehr der schönen Muttergottes
Nach fast 80 Jahren ist die „Madonna von Goldenkron“ wieder in Zláta Koruna zu sehen
27. 4. 2016 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: ČTK/Jan Honza
Mitte April feierte das Kloster in Zlatá Koruna (Goldenkron) einen historischen Augenblick. Auf den Tag genau nach 78 Jahren kehrte die „Madonna von Goldenkron“ am 17. April zurück in die ehemalige Zisterzienserabtei etwa acht Kilometer nördlich von Český Krumlov. Vor knapp 600 Jahren geschaffen, gehört das gotische Tafelbild zu den bedeutendsten böhmischen Marienbildern. Aus Angst, die Nationalsozialisten würden es beschlagnahmen, wurde das Original im April 1938 nach Prag gebracht. In der Abtskapelle war seitdem eine Kopie zu sehen.
Rund 300 Besucher begrüßten das kostbare Madonnenbild, das nach der feierlichen Messe in der Kirche Mariä Himmelfahrt in die Abtskapelle des Klosters überführt wurde. „Es ist ein ganz besonderes Bild. Die Gläubigen sind davon überzeugt, dass ein Gebet, das man in der Nähe des Gemäldes ausspricht, eine besondere Kraft entfaltet und direkt von Maria erhört wird“, meint der ehemalige Kastellan von Zlatá Koruna Zdeněk Troup, der sich für die Rückführung der Madonna nach Südböhmen eingesetzt hat. Auch der Pfarrer von Zlatá Koruna Andrzej Urbisz betont die Bedeutung des Werks für seine Gemeinde. „Die Menschen kommen nicht nur wegen der Geschichte und der Kultur hierher, sondern wegen der Spiritualität“, so Urbisz. In der Abtskapelle können Besucher das Tafelbild nun bis Oktober immer sonntags eine halbe Stunde vor der Messe besichtigen, die um neun Uhr beginnt.
Nicht nur für die Kirche hat das Bild eine große Bedeutung. Kunsthistorisch zählt es zu den wichtigsten Werken der böhmischen Mariendarstellungen des Schönen Stils, wie der Leiter der Sammlung für Alte Kunst in der Prager Nationalgalerie Marius Winzeler erklärt. Der Schöne Stil bildete sich in der Malerei der Spätgotik heraus. Seine Bilder kennzeichnen Lebendigkeit und Eleganz. Maria wirkt weniger starr und statisch, sondern beweglich und plastisch. Die einst kantigen Gewänder fallen weich und fließend in tiefen Falten herab. Die Glieder der Figuren sind feiner gezeichnet und wirken zierlicher. Gottesmutter und Jesuskind sind einander innig zugewandt, wie es für den Typus der „Schönen Madonna“ charakteristisch ist. Maria erscheint ungekrönt als „Magd des Herrn“. Damit folge die Madonna von Goldenkron der wenig älteren Prager „Madonna von Sankt Veit“, dem wichtigsten Marienbild Böhmens um 1409, so Winzeler.
Die „Madonna von Goldenkron“ entstand um 1420, zur Zeit Wenzels IV., in einer der führenden Prager Werkstätten. Zweifellos sei das Bild laut Winzeler eine hochrangige Spende gewesen. Womöglich wurde sie dem von Přemysl Ottokar II. gegründeten Zisterzienserkloster vom königlichen Hof geschenkt. Bis zur Auflösung des Klosters im Jahr 1785 spielte das Gemälde eine entscheidende Rolle für die Identität der Mönche. „Jedes Zisterzienserkloster ist der Muttergottes geweiht, weshalb ihrer Verehrung stets besondere Bedeutung zukommt“, erklärt Winzeler.
Das Bild konnte erst jetzt nach Zlatá Koruna zurückkehren, weil sich mehrere Parteien über den Aufenthaltsort einigen mussten. Dazu gehören das Bistum České Budějovice, das die Pfarrei Zlatá Koruna als Eigentümer der Madonna vertritt, das Zisterzienserkloster in Vyšší Brod, wo das Gemälde viele Jahre aufbewahrt wurde, sowie das Nationale Amt für Denkmalpflege, der heutige Verwalter des Klosters.
Bis in die neunziger Jahre hatte die Prager Nationalgalerie das Gemälde in ihrer Obhut. Im Zuge der Restitution wurde es an die Kirche zurückgegeben. Da die Kirchengemeinde von Zlatá Koruna als Eigentümerin jedoch nicht in der Lage war, das kostbare Bild sicher aufzubewahren, wurde es als Leihgabe ins wiederbelebte Zisterzienserkloster nach Vyšší Brod gegeben. Im vorigen Jahr wurden die Prälatur und die Abtskapelle in Zlatá Koruna fertig restauriert – und damit die erforderlichen Bedingungen für eine Aufbewahrung des Bildes geschaffen.
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?