Die poetische Dimension des Raumes

Die poetische Dimension des Raumes

Der Prager Künstler Dominik Lang erhält den Jindřich-Chalupecký-Preis 2013

20. 11. 2013 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: Archiv CJCH

Ein wenig verlegen betritt Dominik Lang die Bühne, als er seinen Namen hört. Zögernd läuft er zum Mikrofon, in den Händen hält er ein gerahmtes Kästchen. Es scheint, als wolle er am liebsten sofort aus dem Licht der Scheinwerfer verschwinden. „Díky“ – „Danke“, spricht er lakonisch zum applaudierenden Publikum. Danach verlässt er schnell die Bühne.

Hinter dem kleinen Kasten, der dem 33-Jährigen am vergangenen Freitag im Prager Messepalast feierlich überreicht wurde, verbirgt sich einer der renommiertesten Preise für bildende Künstler in Tschechien: der Jindřich-Chalupecký-Preis. 1990 von Václav Havel, Theodor Pištěk und Jiří Kolář ins Leben gerufen, wird er jährlich an junge Künstler unter 35 Jahren verliehen. Die Auszeichnung  erinnert an einen der führenden tschechischen Kunsttheoretiker der dreißiger und vierziger Jahre.

Mit dem Kästchen ist nicht nur der in einen Holzrahmen gefasste Käfer verbunden, den Lang nun unter seinem Arm durch das Museumsgebäude trägt. Dem Gewinner winken auch ein Stipendium in New York, ein Preisgeld von 100.000 Kronen und ein Künstleraufenthalt in einem Tschechischen Zentrum seiner Wahl. Wohin ihn die Reise führen wird, weiß Lang noch nicht. So weit mag er an diesem Abend nicht denken. „Essen und schlafen“ lautet die Antwort auf die Frage nach seinen nächsten Plänen. Dann fügt er hinzu, im nächsten Jahr zwei oder drei größere Projekte umsetzen zu wollen, darunter auch eine Ausstellung in Dublin.

Dialog mit dem Objekt
„Einen kleinen Aufmerksamkeitsschock“ nennt Lang die Auszeichnung, „aber natürlich auch eine große Freude.“ Es ist nicht das erste Mal, dass Lang im Finale für den Chalupecký-Preis steht. Bereits vor acht Jahren und dann erneut 2008 zählte der gebürtige Prager zu den Nominierten. In diesem Jahr konnte er sich gegen vier weitere Finalisten durchsetzen. Wie Christian Rattemeyer, Kurator am Museum of Modern Art in New York und Jury-Vorsitzender, die Entscheidung begründete, haben Langs Arbeiten mit Reife und Durchdachtheit überzeugt. Begeistert zeigte sich die Jury vor allem von der Art und Weise, mit der Lang in die Architektur des Messepalastes eingreift und „vom beständigen Dialog zwischen der bildhauerischen Sprache und dem umgebenden Raum, während die Spannung zwischen beiden aufrechterhalten bleibt.“

In der fünften Etage des Messepalastes, wo die Arbeiten der Finalisten derzeit präsentiert werden, hat Lang im Gegensatz zu seinen Mitstreitern kein neues Kunstobjekt ausgestellt. Er spielt vielmehr mit dem Museumsraum selbst, indem er in die einander gegenüberliegenden Paneele je ein kreisförmiges Loch geschnitten hat. Je nach Wetterlage und Tageszeit kann der Besucher die einfallenden Sonnenstrahlen als Lichtball über Wand und Boden ziehen sehen. Mit dem Titel „Východ Západ“ („Ost West“) symbolisiert die Installation den unabänderlichen Auf- und Untergang der Sonne – den wohl grundlegendsten Rhythmus des Lebens, dessen Lauf vom Menschen nicht beeinflusst werden kann. Den einzigen, minimal möglichen Eingriff stellen jene zwei Löcher dar, die dem Licht zum Durchbruch in das Gebäude verhelfen. Dieses wird dadurch selbst zu einem Teil der ausgestellten Werke. Er eröffnet eine poetische Dimension, die zum Nachdenken über künstliche und natürliche Landschaften, über Raum und den Zyklus des Lebens einlädt.

Innerhalb der Systeme
Arbeiten wie diese machen Lang nicht nur in Tschechien zu einem der interessantesten zeitgenössischen Künstler. Auch international zähle er zu den Bemerkenswertesten der Kunstszene, so Rattemeyer. 2011 dürfte Lang vielen durch seinen Beitrag zur 54. Biennale bekannt geworden sein. In der Installation „Spící město“ („Schlafende Stadt“), die im gemeinsamen Pavillon der Tschechischen und Slowakischen Republik in Venedig ausgestellt war, verarbeitete er die spätmodernistischen Skulpturen seines Vaters Jiří Lang (1927–1996), einem Bildhauer.

Quasi im väterlichen Atelier groß geworden, habe Lang von Anfang an auch Skulpturen schaffen wollen. „Damals hatte ich keine Ahnung davon, was es heißt, ein Künstler zu sein. Heute ist Kunst für mich etwas ganz anderes, als sie es in meiner kindlichen Vorstellung war“, erzählt er. Im Gegensatz zu seinem Vater orientiert sich Lang nicht an figurativer, klassischer Bildhauerei. Was ihn interessiert, ist vor allem die Auseinandersetzung mit dem Raum und mit der Geschichte, mit dem Verhältnis des Menschen zu beiden, seiner Position innerhalb der Systeme. „Wie wir Raum nutzen, gestalten und durch unsere Anwesenheit beeinflussen, das finde ich spannend.“

Eine konkrete Absicht verfolgt Lang mit seiner Kunst nicht. „Jedes Projekt trägt einen anderen Inhalt. Die Botschaft hängt also vom jeweiligen Werk ab“, so Lang. „Aber was ich tue, das möchte ich so gut wie möglich machen.“