Dicke Luft und bedrohte Arten

Dicke Luft und bedrohte Arten

Umweltbericht vorgelegt: Feinstaub setzt Menschen zu, Tiere leiden unter Flächenschwund

19. 11. 2014 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: Bernard Landgraf

Anhaltende Luftverschmutzung, schwindene Ackerflächen und gefährdete Tierarten: Der aktuelle Umweltbericht macht deutlich, dass sich die Natur in Tschechien nur langsam von den Verschmutzungen vergangener Jahre erholt. Zudem leiden Pflanzen und Tiere unter neuen Eingriffen: 2013 wurden täglich Ackerflächen im Umfang von mehr als zehn Fußballfeldern versiegelt, zahlreiche Wasserlebewesen wurden durch Eingriffe in Fluss- und Bachläufe aus ihren Lebensräumen verdrängt.

Die Luftverschmutzung ist zwar nicht mehr vergleichbar mit den Belastungen, denen die Menschen vor 1989 ausgesetzt waren. Dennoch sorgen Feinstaub und Smog in einigen Regionen immer wieder für Probleme. „Die Luftqualität verbessert sich nicht, sie schwankt nur entsprechend den aktuellen Wetterbedingungen“, erklärt Tereza Ponocná, Mit­autorin der Studie der staatlichen Umweltagentur CENIA, zur Entwicklung der Luftqualität in der jüngsten Vergangenheit. Etwa ein Drittel der tschechischen Bevölkerung lebt in Regionen, in denen die Grenzwerte für die Belastung durch den Feinstaub PM10 überschritten werden. „Außerdem sind zwei von drei Bürger einer überhöhten Belastung durch den krebserregenden Stoff Benzo[a]pyren ausgesetzt“, so Ponocná.

Benzo[a]pyren zählt wie die Feinstaubarten PM10 und PM2,5 zu den Stoffen, die der Gesundheit der Menschen hierzulande am meisten schaden. Größte Verursacher dieser Luftverschmutzung sind dem Bericht zufolge lokale Heizanlagen, die für fast 90 Prozent der Benzo[a]­pyren-Emissionen sowie für 41 Prozent der Feinstaubbelastung verantwortlich gemacht werden. Für schlechte Luft sorgen außerdem der Schwerlastverkehr und die steigende Produktion von Verpackungsabfällen. Am stärksten betroffen von Schadstoffen in der Luft und Treib­hausgasen sind die Menschen in Mährisch-Schlesien sowie in den Kreisen Ústí nad Labem und Mittelböhmen.

Bäume reagieren langsam
Besorgniserregend ist dem Bericht zufolge auch der Zustand der tschechischen Wälder, die zusammen ein Drittel der Gesamtfläche des Landes bedecken. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Situation weiter verschlechtert. Ein Grund dafür ist, dass die schweren Luftverschmutzungen der Jahre vor 1989 besonders lange nachwirken; die Bäume reagieren erst mit großer Verspätung auf Verbesserungen der jüngeren Vergangenheit. In einigen Regionen machen auch klimatische Veränderungen wie zunehmende Trockenheit und hohe Temperaturen den Wäldern zu schaffen, sie werden anfälliger für Schäden durch Insekten und Pilzbefall.

Die Ackerböden sind zwar ebenfalls Umwelteinflüssen ausgesetzt, die größten Veränderungen entstehen jedoch in diesem Bereich durch direkte Eingriffe des Menschen: 2013 wurden dem Bericht zufolge 2.900 Hektar Ackerboden bebaut. Das sind mehr als 4.000 Fußballfelder. In den vergangenen 13 Jahren wuchs der Umfang der versiegelten Flächen um 3,5 Prozent (mehr als 40.000 Fußballfelder), er macht mittlerweile mehr als zehn Prozent des gesamten Staatsgebiets aus. Außerdem ist mehr als ein Drittel der landwirtschaftlichen Böden von Wassererosion bedroht, die meisten gefährdeten Flächen werden nicht systematisch geschützt. Eine gute Nachricht: Es wird weniger Kunstdünger verwendet und zwölf Prozent der Flächen werden mittlerweile von Bio-Bauern bewirtschaftet. Negativ fällt dagegen auf, dass immer mehr Verkehrsbauwerke die Landschaft zerschneiden, was den Lebensraum vieler Tierarten einschränkt oder zerstört.

Darunter leide zum Beispiel der Eurasische Luchs, erläutert der Staatssekretär im Umweltministerium Vladimír Dolejský. „Das Revier eines Luchses kann mehr als 300 Quadratkilometer groß sein und vor allem Jungtiere legen bei ihrer Suche nach einem Territorium Dutzende Kilometer zurück. Ähnlich ist es bei anderen Raubtierarten und großen Säugetieren. Auch der Rothirsch kann ein bis zu 120 Quadratkilometer großes Revier haben.“

Am stärksten zerteilt ist die Landschaft in den Kreisen Mittelböhmen, Südmähren und Mährisch-Schlesien, größere zusammenhängende Gebiete gibt es dagegen in den Kreisen Pilsen und Südböhmen. Probleme verursachen bauliche Eingriffe aber nicht nur in Wiesen und Wäldern. Aus Tschechiens Bächen und Flüssen verschwinden immer mehr Wassertiere. Während es in der Vergangenheit hierzulande zum Beispiel zwölf Wanderfischarten gab, zählen Experten derzeit nur noch zwei: den Europäischen Aal und den Atlantischen Lachs. Auf Flora und Fauna am und unter Wasser wirken sich vor allem Bauwerke wie Staustufen und Hochwasserschutzanlagen negativ aus. Zwar wurden mancherorts Über- und Unterführungen für Tiere errichtet, wie viele es sind, wurde allerdings in keiner Datenbank erfasst. Ermittelt wurde dagegen eine andere Zahl: Dem Bericht zufolge sind fast zwei Drittel der europaweit bedeutsamen Tiere und Pflanzen auf dem Gebiet Tschechiens gefährdet.

Für die am stärksten bedrohten Arten hat das Umweltministerium bereits Anfang November ein Schutzprogramm gestartet. Davon profitieren sollen unter anderem die Flussperlmuschel, das Europäische Ziesel und die Äskulapnatter. Auch für den Schutz von Bibern, Braun­bären und Wölfen soll es Gelder geben. Bis April 2016 stellt das Ministerium 62 Millionen Kronen (etwa 2,2 Millionen Euro) für 48 Projekte zur Verfügung; die Zuschüsse für die Antragsteller kommen zu 15 Prozent aus dem Ministerium, den Rest übernimmt der „Fonds des Europäischen Wirtschaftsraums“, in den Norwegen, Island und Liechtenstein einzahlen. Die Projekte sollen in diesem Monat beginnen und bis Ende April 2016 laufen.

Mit finanziellen Mitteln allein können Tiere und Pflanzen allerdings nicht gerettet werden. Jiří Koželouh, Leiter der Umweltorganisation „Hnutí Duha“ („Bewegung Regenbogen“), hofft deswegen, dass der Umweltbericht nicht in der Schublade verschwindet, nachdem die Regierung ihn in der vergangenen Woche gebilligt hat. Koželouh fordert von den Ministern konkrete Gesetze, um die Wiederverwertung von Abfällen zu steigern, die Smog-Situation und den Zustand der Wälder zu verbessern, sowie die Abhängigkeit des Landes von Kohle, Öl und Erdgas zu senken.