Der vergessene Bildhauer

Der vergessene Bildhauer

Das Riesengebirgsmuseum in Vrchlabí stellt Werke von Emil Schwantner aus

26. 8. 2015 - Text: Jenny SchonText: Jenny Schon; Foto: KMV

Tiere waren seine Passion. Die Bärenfreianlage im Breslauer Zoo, die 1937 geschaffen wurde, faszinierte Emil Schwantner besonders. Aber auch die Großkatzen ließen ihn nicht los. So baute er sich ein Gestell, um sie besser beobachten zu können. Breslau war damals gut zu erreichen, der Zoo in Königinhof existierte noch nicht.

Emil Schwantner (1890–1956) wird auch der „böhmische Gaul“ genannt – nach dem Berliner Bildhauer August Gaul, der bereits 1921 verstarb. In der Zeit von 1913 bis 1914 wohnte Schwantner in Berlin. Dort half er Franz Metzner beim letzten Schliff der Figuren für das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig. Nach der Einweihung des Monuments im Oktober 1913 blieb Schwantner noch ein halbes Jahr in Berlin. Hier lernte er den berühmten August Gaul kennen, der als einer der Begründer der autonomen Tierplastik zählt; vor ihm hatte das Tier in der Bildhauerkunst nur eine schmückende Funktion. Im Jahr 1890 hatte Gaul eine Jahreskarte für den Berliner Zoo gewonnen, was seine Passion für Tiere zum Leben erweckte.

Schwantner, der bei Josef Václav Myslbek und Jan Štursa in Prag studiert hatte, zog von Berlin nach Wien, wo auf ihn die Einberufung wartete. Als Traumatisierter kehrte er aus dem Krieg zurück. Im Vorland des Riesengebirges realisierte Schwantner zahlreiche Aufträge für Kriegerdenkmäler. Ab 1920 siedelte er in Trautenau, dem heutigen Trutnov, baute sich dort ein Haus mit Atelier, das noch immer existiert.

Im Riesengebirgsmuseum in Vrchlabí (Hohenelbe) wird seiner mit einer hervorragenden Ausstellung gedacht. Zu sehen sind zahlreiche Plastiken, sie zeigen Schwantners Tiere meist in Bewegung beziehungsweise kurz vor dem Sprung. Auch Büsten seiner Zeitgenossen sind im Riesengebirgsmuseum ausgestellt. Die Leihgaben aus dem Trautenauer Museumsbestand bilden auch unbekannte Menschen ab – Leute aus der Gegend, oft  nur als Riesengebirgsbauer betitelt. Viele Werke stammen aus dem Nachlass des Künstlers, den er zurücklassen musste.

Im Jahr 1946 wurde Schwantner wie die meisten deutschen Bewohner vertrieben. Er kam nach Bad Salzelmen, heute ein Stadtteil von Schönebeck in Sachsen-Anhalt. Die Armut nach dem Krieg ließ ihn nicht wieder zu seiner Schöpferkraft zurückfinden. Am Ende war er ein gebrochener alter Mann; das Material, das ihm zur Verfügung stand, war nicht von der Qualität, die er aus Trautenau kannte. So sind nur einige patinierte Gips-Modelle, Nachbildungen früherer Arbeiten für ebenfalls vertriebene Riesengebirgler, oder einige wenige Auftrags­arbeiten, darunter manche aus Holz, erhalten. Mit Möbelschreinerarbeiten hielt er sich über Wasser. Eine öffentliche Arbeit, mit dem ersten Preis honoriert, wurde in Schönebeck nicht ausgeführt, weil Schwantner nicht Mitglied der SED war.

1951 heiratete Schwantner Anna Renner aus Freiheit (Svoboda nad Úpou), die er während des Vertriebenentransports kennengelernt hatte – doch dem Ehepaar währten nur noch wenige Jahre des kleinen Glücks bis zu Schwantners Tod im Jahr 1956. Er liegt mit seiner Frau in Schöne­beck begraben.

Emil Schwantner – Bildhauer aus dem Riesengebirge. Krkonošské muzeum Vrchlabí – klášter (Kloster), geöffnet: täglich außer montags 8 bis 17 Uhr, bis 8. November

Mehr über Emil Schwantner in dem Buch Jenny Schon: Böhmen nicht am Meer. Odertor-Gerhard-Hess-Verlag, Bad Schussenried 2015

Kommentare

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  1. Schwantner interessierte sich zumindest in seinen letzten Lebensjahren sehr für die internationale Sprache Esperanto.
    Dies wird durch zwei Fakten dokumentiert:
    Er modellierte das Relief eines sudetendeutschen Esperanto-Pioniers aus seiner Heimat-Region.
    Er erhielt auf seinem Grab einen Stein mit einer Esperanto-Aufschrift:
    „Per Arto al Gloro“, ins Deutsche übersetzt bedeutet dies „Durch Kunst zu Ruhm“.
    Hat er sich diesen Sinnspruch selbst verfasst und gewünscht? Oder hat einer seiner Verwandten oder Freunde für diese Aufschrift gesorgt?

    Auf jeden Fall muss ihm Esperanto, diese Sprache für den Frieden und die Völkerverständigung, sehr am Herzen gelegen haben, insbesondere in seinen letzten Lebensjahren.

    Peter Kühnel, Berlin, 2020-09-30.





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