Der tschechische Italiener

Der tschechische Italiener

Pietro Filipi ist seit genau 25 Jahren auf dem Markt. Doch zum Feiern gibt es keinen Anlass. Das Modeunternehmen hat seit Kurzem einen neuen Eigentümer

17. 3. 2018 - Text: Klaus Hanisch, Titelfoto: Forum Nová Karolína

Pietro Filipi? Ist den Deutschen kaum ein Begriff. Nicht einmal modebewussten Frauen oder Männern, sofern sie keine näheren Beziehungen zu Tschechien haben. Denn der Name täuscht. Bei der Marke handelt es sich nicht um einen italienischen Modehersteller wie Versace oder Armani. Vielmehr steht Pietro Filipi für ein tschechisches Modehaus.

Von Italien ließ sich Petr Hendrych jedoch beeinflussen, als er das Unternehmen 1993 gründete, um hochwertige tschechische Mode zu kreieren und einen ganz eigenen Stil für seine Landsleute zu entwickeln. Italien sei in vielerlei Hinsicht und gerade in der Mode ein Trendsetter, befand der Tscheche, kombinierte seinen Vornamen mit dem seines gerade geborenen Sohnes Filip und übertrug beide ins Italienische: Pietro Filipi.

Hendrychs Marke wurde auch deshalb in Deutschland nicht bekannt, weil er Geschäfte nur im Osten Europas eröffnet hat. Filipi-Stores gibt es neben Tschechien auch in der Slowakei, Russland, der Ukraine, Litauen, Lettland und sogar in Weißrussland und Kasachstan. Der Blick nach Osten ist für tschechische Modehersteller nicht ungewöhnlich, auch die Designer von E.daniely sahen schon vor einigen Jahren vor allem dort gute Erfolgschancen für sich [die PZ berichtete im Juni 2006].

Wer dagegen öfter nach Tschechien kommt, hat von Pietro Filipi zumindest schon Notiz genommen. Vor allem in Prag sind die vielen Läden kaum zu übersehen. Besonders nicht der Flagship-Store in der Nationalstraße (Národní), im Erdgeschoss eines schmucken weißen Barockgebäudes gleich gegenüber dem traditionsreichen Kaufhauses MY Národní. Daneben unterhält das Modehaus neun weitere Geschäfte in den großen Einkaufszentren der Hauptstadt – wie Palladium, Arkády Pankrác oder Nový Smíchov – und in allen Großstädten des Landes. So kommt es auf mehr als 40 Filialen in acht Ländern.

Seine Zentrale liegt im siebten Prager Stadtbezirk. Dort bezog vor wenigen Wochen ein neuer Chef sein Büro. Michal Mička besitzt nun 80 Prozent der Anteile, Firmengründer Hendrych nur noch 20 Prozent. Der erst 30 Jahre alte Investor war den Tschechen bis vor Kurzem weitgehend unbekannt. Mička hat zuletzt viele Millionen ausgegeben und ist mittlerweile an einer Reihe von Unternehmen beteiligt, vor allem an Technologiefirmen.

Investor Michal Mička  | © DRFG Investment Group

Nun will er auch mit Mode Geld verdienen. Nicht viele seien bereit gewesen, Pietro Filipi zu übernehmen, erklärte der Investor zu Jahresbeginn in einem Interview mit der Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“. „Der Bieterkampf blieb aus, weil das Unternehmen in keiner guten Verfassung ist“, so Mička. Hohe Verschuldung, langfristiger Rückgang der Kundenzahlen, schlechter Online-Auftritt – der neue Eigentümer hat viele Probleme ausgemacht.

Gründer Petr Hendrych wollte stets, dass seine Marke für Eleganz, zeitlose minimalistische Schnitte und hochwertige Materialien steht. Führende tschechische und internationale Designer sollten seiner Herren- und Damenmode eine besondere Note und Originalität verleihen und Modetrends rechtzeitig aufspüren oder – besser noch – selbst schaffen. Von einer perfekten Verarbeitung seiner Bekleidung war der ehemalige Junioren-Nationalspieler im Eishockey sowieso ausgegangen.

Tschechische Marktbeobachter urteilen allerdings, dass Pietro Filipi seit mindestens zwei Jahren ein Qualitätsproblem habe. Kleidungsstücke würden einen zu hohen Anteil an minderwertigen Stoffen enthalten, neue Trends seien verpasst worden. Daran änderte auch nichts, dass Pietro Filipi noch im vergangenen Herbst das tschechische Topmodel Simona Krainová für eine Zusammenarbeit und eine eigene Kollektion gewann.

Ihr habe imponiert, dass die Marke feine tschechische Mode zu erschwinglichen Preisen anbiete, sagte Krainová gegenüber dem Online-Magazin „Echo24.cz“. Deshalb wollte sie mit ihrer Bekleidung „eine gewisse Neugier bei Kunden“ wecken und die Möglichkeit offerieren, außergewöhnliche Stücke zu kaufen.

Topmodel Simona Krainová  | © Pietro Filipi

Analysten wollen nun jedoch nicht ausschließen, dass die Bemühungen um mehr Qualität bereits zu spät kommen. Pietro Filipi macht einen Jahresumsatz von etwa einer halben Milliarde Kronen (rund 20 Millionen Euro) und fuhr zuletzt Verluste ein, wie die slowakische Nachrichtenagentur TASR berichtete. Er habe sich daher entschieden, einen neuen Investor zu suchen, „weil wir zusätzliche Ressourcen und neue Impulse benötigten“, wurde Firmengründer Hendrych zitiert.

Michal Mička und seine C2H-Investmentgruppe sollen diese nötige Finanzspritze liefern. Vereinfacht ausgedrückt sei das Unternehmen nicht optimal geführt worden, sagte er zum Einstieg, weder bei Produkten noch im Marketing. „Aber ich sehe Licht am Ende des Tunnels“, erklärte der Mehrheitseigner optimistisch. Ihn reize, ein Unternehmen zu leiten, das eine führende Marke in der Tschechischen Republik sei. Dafür würden jedoch „Dutzende, wenn nicht Hunderte von Millionen Kronen in sehr kurzer Zeit benötigt“, so Mička in dem Interview mit „Mladá fronta Dnes“.

Sein Hauptaugenmerk will er nun auf bessere Produkte richten, die Kollektionen sollen hochwertiger gefertigt werden. Der Modemarkt sei zwar sehr kompliziert, doch neue Technologie könne helfen, die Erträge zu steigern. Etwa neuartige Spiegel, die Kunden überzeugend vermitteln, wie ihnen ein bestimmtes Kleid stehe, ohne es vorher anprobieren zu müssen.

Genauso entscheidend ist für ihn aber der Vertrieb. Mička geht davon aus, dass der Modehandel in Läden und Shopping-Malls auf lange Sicht rückläufig sein wird. Wachstum könne nur im Internet erzielt werden. Diesen Trend habe Pietro Filipi weitgehend verschlafen, ganz überwiegend verkaufe das Unternehmen seine Bekleidung noch in „Offline“-Läden statt in E-Shops. Deshalb müsse der Online-Umsatz dringend gesteigert werden. In Tschechien erziele Filipi dort kaum sieben Prozent des Gesamtumsatzes. Die Zahl will Mička alsbald verdoppeln. Dann wäre der Anschluss an die internationale Konkurrenz hergestellt.

Der Geschäftsmann steckte sein Geld zuletzt hauptsächlich in technologische Start-ups. Seine Investmentgesellschaft Incomming Ventures ist beispielsweise am alternativen tschechischen Taxi-Service Liftago und an Expando beteiligt, das Unternehmen beim Eintritt in ausländische Märkte unterstützt. Ebenso an ShopSys, einem der weltweit größten schlüsselfertigen E-Shops. Mit seinem zweiten C2H-Fonds konzentriere er sich auf traditionelle tschechische Marken, wie die Tageszeitung „Hospodářské noviny“ berichtete.

Mičkas Investition soll Pietro Filipi zudem den Einstieg in weitere Auslandsmärkte eröffnen. In Deutschland ist der tschechische Modehersteller derzeit selbst unter Experten noch ein unbeschriebenes Blatt. So berichtete das Magazin „TextilWirtschaft“, gleichsam die Bibel der Branche, zuletzt im März 2011 über den Modehandel in Tschechien. Ressortleiter Manfred Gerzymisch hat den Namen Pietro Filipi derzeit überhaupt nicht mehr auf dem Radar.

Gelingt dem Unternehmen tatsächlich hier ein Markteinstieg per Internet, müssen Prag-Reisende aus Deutschland möglicherweise eines Tages auf die verlockenden Auslagen im repräsentativen Filipi-Laden in der Nationalstraße verzichten.