Der neue Luxus
In der Vítkov-Gedenkstätte zeigt eine Schau die Anfänge des Sports in Tschechien
21. 11. 2012 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: nm
Was lange ein Privileg weniger war, wurde im Verlaufe des 19. Jahrhunderts zu einem breit gestreuten Phänomen: Die Ausübung von Sport. Vor allem die Bourgeoisie kam nun in den Genuss des Luxusgutes Freizeit, während der Bauer auf dem Lande sieben Tage die Woche schuftete und der Fabrikarbeiter nach seiner Schicht eher in die Gaststätte auf ein Bier ging.
Die Ausstellung „Sportsmen v zemích českých“ („Sportler in den böhmischen Ländern“) in der nationalen Gedenkstätte auf dem Prager Vítkov-Hügel widmet sich der Geschichte und den Protagonisten der Anfänge des Sports in Tschechien. Die Schau ist ein Teil des „Monarchie-Ausstellungszyklus“ des Nationalmuseums.
Lange war Körperertüchtigung reine Männersache. Sie fochten, ritten, schwammen und spielten am Königshofe die Urvariante des Tennis. Einen eigentlichen Sammelbegriff gab es nicht. Das Wort „Sport“ tauchte erstmals in England in den 1830er Jahren auf und wurde bald überall auf der Welt in diesem Sinne benutzt. Mit ihm kam die Definition des ehrenhaften Sportlers: „Ein Sportsmann ist ein Liebhaber des Sports. Sollte ein Sportsmann diese Tätigkeit mit einem Profitstreben verbinden, nennt man ihn einen Professionellen; ansonsten ist er ein Amateur, auch wenn die Unterschiede bisher noch nicht exakt definiert sind und noch Gegenstand von Diskussionen auf Sportkongressen bleiben wird.“ So stand es im Universal-Lexikon geschrieben. Die Ausstellung berichtet unter anderem von den ersten öffentlichen Sportanlässen und -Vereinen hierzulande. So ging 1835 in Prag-Bubenec das erste moderne Pferderennen über die Bühne. 1860 wurde der „English Rowing Club“, Böhmens erster Ruderverein gegründet.
Wagemutiger Pionier
Spannend wird es bei den Pionieren der verschiedenen Sportarten. Der sehr umtriebige und multitalentierte Josef Rössler-Ořovský gründete 1894 den ersten tschechischen Skiklub. Seine ersten Latten erstand er ganz nebenbei bei einer Einkaufstour in Norwegen. Auf den alten Holzskiern, die an der Ausstellung zu bestaunen sind, würde wohl auch die deutsche Weltcupgewinnerin Maria Höfl-Risch kaum den Berg runterkommen.
Gezeigt werden zudem historische Photographien, Zeitungsausschnitte, Ehrenurkunden, Medaillen und andere Auszeichnungen. Informationstafeln erklären die Kinderstube populärer Mannschaftssportarten wie Fußball oder Eishockey. Die Anzahl an Exponaten fällt leider etwas gering aus. Man wünschte sich mehr originale Utensilien aus den Geburtsstunden der Körperertüchtigung. Höhepunkte sind dabei alte Hochfahrräder oder eine 70-Kilo-Hantel, an deren Griff-Enden jeweils zwei große Kugeln befestigt sind und die somit an die typische Darstellung in Comics-Geschichten erinnert.
Interessant ist der kleine Ausstellungsteil über die Rolle der Frau im Sport von damals. Es waren meist Töchter aus sehr gutem Hause, die überhaupt dazu kamen, auf Skiern zu stehen oder einen Holztennisschläger in der Hand zu halten. Dass sie dabei den sittlichen und modischen Konventionen unterworfen blieben, führte zum kuriosen Umstand, im langen Rock durch den Schnee wedeln zu müssen.
Die Betonung auf den Grundgedanken des Sports lag in jener Zeit, vielleicht viel stärker als in unserer modernen Gesellschaft, auf dem Gedanken des ehrenwerten und fairen Wettkampfes. So wird auch Pierre de Coubertins, Begründer des Internationalen Olympischen Komitees, zitiert: „Das Wichtige im Leben ist nicht der Sieg,sondern der Wettkampf; es geht nicht darum, jemanden zu besiegen, sondern sich tapfer geschlagen zu haben.“ Ob das auch für ambitionierte und ehrgeizige Mitglieder der neuen Bourgeoisie galt, sei dahingestellt. Gegen Ende des 19. und am Anfang des 20. Jahrhunderts erfasste der Sport dann alle Schichten, und auch mancher Arbeiter trainierte vor dem Feierabendbier beim Ringen oder Boxen zuerst noch seine Muskeln.
„Sportsmen v zemích českých“, Nationale Gedenkstätte auf dem Vítkov-Hügel (Prag 3), geöffnet: Mi.–So. 10 bis 18 Uhr, Eintritt: 60 CZK (erm. 30 CZK), www.nm.cz
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