Der Januskopf

Der Januskopf

Zusammen mit Václav Klaus verlässt am 7. März auch sein engster Mitarbeiter Ladislav Jakl die Prager Burg.
Eine Annäherung an einen Rocker und Präsidentenberater

6. 3. 2013 - Text: Klaudia HanischText: Klaudia Hanisch; Foto: čtk

Es ist ein dunkler, kalter Abend Ende Februar in Prag. Im Musikclub „Vagon“ ist die Atmosphäre warm und herzlich. Ladislav Jakl steht an der Bar und trinkt Bier. Der Chef der politischen Abteilung des Präsidenten wartet auf seinen Auftritt. Auf der Bühne werden gerade die Instrumente für seine Band „Folimanka Blues“ bereitgestellt.

In der Welt der Rocker sagt man, dass ein Musiker erst dann wirklich gut ist, wenn er keine Kompromisse eingeht. Die größten Musiker waren schwierige Persönlichkeiten und eigenwillige Prediger ihrer eigenen musikalischen Wahrheit. In der Rockerwelt fühlt sich Jakl am wohlsten. „Wenn ich Recht habe, habe ich Recht“, beschreibt der 53-Jährige sein Art zu diskutieren.

In seiner Gedankenwelt scheint Jakl stets im Kampf zwischen zwei Extremen gefangen: Schwarz und Weiß, Gut und Böse, wahr oder falsch. Ein Dazwischen gibt es für ihn nicht.

Ladislav Jakl ist ein kleiner, wuchtiger Mann. Der bärtige Rocker trägt einen schwarzen Pullover, der über dem Bauch ein wenig spannt. Dazu eine ausgebeulte schwarze Jeans. Sein langes zotteliges Haar trägt er im „Vagon Club“ offen. Es heißt, Václav Klaus habe ihn zuerst nicht wieder erkannt, als er ihn zum ersten Mal auf der Bühne zu Gesicht bekam.

Prügelknabe und Haudegen
Zehn Jahre lang war Jakl einer der engsten Mitarbeiter des tschechischen Staatsoberhauptes. Auf der Burg trägt er Anzug und die Mähne im Zopf. Václav Klaus gegenüber gibt er sich immer absolut loyal. Die Klage auf Hochverrat, die der Senat wegen der umstrittenen Neujahrsamnestie von Klaus an diesem Montag beim Verfassungsgericht einreichte, nennt Jakl den Anfang einer Zeit, in der politische Ansichten gerichtlich verfolgt werden. An diesem Donnerstag verabschiedet sich nicht nur ein kontroverser Präsident vom Hradschin. Auch sein Begleiter Ladislav Jakl geht.

Es ist ein besonderer Abend im Club in der Národní-Straße. Zum neunten Mal gedenken Jakl und seine Freunde des 2005 verstorbenen Zdeněk Cimmerman, einst Schlagzeuger von „Folimanka Blues“.
In den letzten Jahren sind weitere Bandmitglieder und Freunde verstorben. Es scheint als sei der Tod ein ständiger Begleiter des Rockers Jakl. Auch beim Lied „Pod Nuselákem“, dem Höhepunkt des Konzerts, geht es um den Tod. Jakl brüllt. Es lohne sich nicht, von der Brücke über dem Prager Nusle-Tal zu springen. Man solle lieber unter ihr im Park Folimanka den Frust wegtrinken und dabei den Folimanka-Blues singen. Jetzt sind die Musiker in ihrem Element, sie wirken glücklich und die Rockerposen nicht mehr gekünstelt.

In der Band ist er der ultimative Chef und Frontmann. Anders sieht dies in seiner zweiten Rolle auf der Prager Burg aus. Vielen gilt er als Prügelknabe und Haudegen von Václav Klaus zugleich. Wenn der Präsident sich zu kontroverseren Themen äußern musste, wurde Jakl in die Fernsehstudios geschickt und vor unangenehme Fragen gestellt. Und bei Demonstrationen gegen Klaus werden die Klaus-Anhänger schon mal als „kleine Jakls“ beschimpft.

Jakl war nicht nur Chef der politischen Agenda des Präsidenten, sondern auch sein persönlicher Sekretär. Er erstellte das Tagesprogramm von Klaus. Ein großes Team von Experten arbeitete ihm zu. „Seinen Einfluss darf man keineswegs unterschätzen. Bei ihm kristallisiert sich alles, was auf der Burg passiert. Er entscheidet, welche Informationen der Präsident bekommt“, sagt Jakls Vorgänger unter Václav Havel, Jíři Pehe.
Dabei wirken der Rocker Jakl und der penible Ökonom und Jazz-Liebhaber Klaus auf den ersten Blick wie zwei Gegenpole. Wie kommt es eigentlich, dass sie so eng miteinander sind? Jakl weiß, was gemeint ist: „Er ist Wissenschaftler, ich nicht, er ist ein Sportler, ich nicht. Wir sind schon anders. Aber Menschen können auch die gleichen Überzeugungen zusammenschweißen“, sagt er mit einem gewissen Pathos und nippt an seinem Bier.
Vielleicht rührt die Verbindung zwischen den beiden Männern auch von den Ereignissen im Jahr 1997. Für Klaus ebenso wie für Jakl war es ein schwieriges Jahr. Klaus’ Regierung wurde während einer Auslandsreise nach Sarajevo gestürzt. Später prägte er den Begriff des „Sarajevo-Attentats“. „Es war ein kleiner Staatsstreich“, erinnert sich Jakl. „Intrigen, Lügen, Manipulation und mächtige Interessengruppen, die dahinter standen.“

Politik am Tresen
Jakl selbst verlor einen Monat zuvor seinen Job als Redakteur in der Zeitung Lidové noviny: „Ich saß damals arbeitslos zu Hause und verfolgte das ganze Geschehen im Fernsehen. Dann griff ich zum Telefon und rief bei Klaus an. Ich bot ihm meine Hilfe an. Keiner stand damals zu ihm.“ Am nächsten Tag wurde er beim Abgeordneten Klaus geladen. So begann laut Jakl ihre Zusammenarbeit.

Jeden Donnerstag probt die Band „Folimanka Blues“ im Keller der Kneipe „Magister Kelley“. Nach der Probe wird Bier getrunken. Unternehmer, Politiker und Kulturschaffende treffen sich dort. Auch Klaus war ein paar Mal dort. Glaubt man dem Havel-Berater Jíři Pehe, dann werden in dieser schummrigen Kneipe wichtige politische Deals ausgehandelt.

Antrieb durch Heimatlosigkeit
Die Feinde sind in Jakls bipolaren Welt längst ausgemacht. Doch anders als viele Rechte im Westen, die den Thesen von Samuel Huntington zum Kampf der Zivilisationen folgen, hat Jakl keine Angst vor dem Islam. Die Feinde spürte er innerhalb der eigenen Zivilisation auf.

Er erzählt, dass unsere Freiheit von modernen Formen des Kollektivismus bedroht seien. Sie hätten heute ein anderes Antlitz und würden sich einer raffinierteren Symbolik bedienen. Diese meint er enttarnt zu haben: „Das kommunistische Regime und die Europäische Union sind genau das Gleiche.“ Ernsthaft? Was ist denn mit der Zensur, den Geheimdiensten, den politischen Einschränkungen? „Kollektivismus ist Kollektivismus“, stellt Jakl klar. Zudem habe die Europäische Union überhaupt keinen Verdienst an der Friedensicherung – im Gegenteil, der Brüsseler Zentralismus bedrohe den Frieden.

Rechts und Links, das sind für Jakl keine veralteten Begriffe: „Eine Mitte existiert nicht. Das ist nur ein Euphemismus für Ideen- und Inhaltslosigkeit“.

Jakl ist ein getriebener Mensch. In der Politik wie auf der Bühne. Wenn er ein Konzert spielt, reißt er die Augen weit auf, schüttelt wuchtig mit dem Kopf und macht dramatische Körperbewegungen. Wenn er mit Menschen diskutiert, versucht er, sie nieder zu machen. Doch was ist es, das Jakl antreibt?

Er wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Der Vater, ein Schlosser vom Lande, die Mutter kam aus Polen und arbeitete ihr Leben lang als Verkäuferin. Nach dem Krieg glaubten beide an eine bessere Zukunft im Kommunismus. Jakl kam im Jahr 1959, etwa zehn Jahre nach der Aussiedlung der Sudetendeutschen in Cheb zur Welt. „Ich wuchs ohne Wurzel und Tradition auf“, sagt er heute. Sein Konservatismus sei eine Reaktion auf die innere Heimatlosigkeit.

Seine Ideenwelt bastelte er sich aus dem zusammen, was er gelesen hat. Bevor er in die Musik- und Kneipenwelt eintauchte, flüchtete er in Bücher. Ab der dritten Klasse fing er angeblich an, die großen Literaturklassiker zu lesen: Walter Scott, Erich Maria Remarque, Victor Hugo.

Er wollte immer hoch hinaus: Präsident, Kosmonaut oder ein Rockstar wollte er werden. Der Versuch Präsident zu werden, ist jedenfalls im November 2012 gescheitert. Mangels Unterschriften unter einer entsprechenden Bürgerpetition schaffte es Jakl noch nicht einmal auf die Kandidatenliste – trotz der offiziellen Unterstützung des amtierenden Präsidenten, seines Chefs.

Auch das Team von Jakls Stammkneipe Magister Kelley unterstützte ihn damals, wenn auch nur halbherzig. Der Miteigentümer und Barkeeper Michal Pohanka erinnert sich, dass das nach Jakl benannte Bier kein Verkaufsschlager wurde. „Wie überall hat er auch hier nur wenige Fans. Er wäre kein guter Präsident, dafür ist sein Ego viel zu aufgebläht“, urteilt Pohanka. Mit vielen Menschen aus seinem Umfeld habe sich Jakl bereits zerstritten.

Bis Pohanka eine Antwort auf die Frage findet, ob Jakl auch eine soziale Seite hat, muss er eine Weile überlegen: „Naja, er hat einen Roma-Jungen adoptiert. Es muss schon etwas Soziales in ihm sein.“ Jakl selbst sagt über sein Adoptivkind, dass es ihn für die Problematik des Rassismus sensibilisiert hat.

In den nächsten Monaten will Jakl helfen, das Václav Klaus-Institut  aufzubauen – eine Art Denkfabrik, die das politische Gedankengut des scheidenden  Präsidenten weitertragen soll. Danach will er etwas kürzer treten, sich seiner Gesundheit, der Musik und dem geliebtem Bier widmen. Vielleicht findet er sogar seine innere Ruhe. Bis sich sein Zorn an etwas Neuem entfacht.