Böhmischer Paradiesvogel
Jahrelang hat Autorin Milena Oda auf Deutsch geschrieben. Jetzt will sie nicht mehr – und widmet sich neuen Abenteuern
26. 7. 2016 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: Ralf Menzel
Wer Milena Oda zum ersten Mal trifft, sollte gewarnt sein. Die 41-Jährige zum Gespräch an einen Tisch zu bekommen, ist etwa so schwierig, wie einen Schmetterling einzufangen. Mit einem Ohr ist sie immer woanders, immer auf dem Sprung. Ihre hellblauen Augen wandern ständig hin und her. Als wolle sie am liebsten überall sein, um nichts zu verpassen. Mit ihrer bunten Kleidung erinnert die Künstlerin ein bisschen an einen Paradiesvogel. Ob sie manchmal als solcher bezeichnet würde? „Ich komme doch aus dem Böhmischen Paradies, und im Logo meiner Künstlerplattform „Bohemian Paradise Productions“ ist ein Papagei zu sehen. Das ist doch klar, dass ich so einer bin“, lacht sie.
Nachdem Oda 15 Jahre in Berlin gelebt hat, ist sie vor kurzem nach Prag zurückgekehrt. Um hier ihre Wurzeln zu finden, wie sie sagt. Außerdem will sie wieder Musik machen und Filme drehen. Und auf Tschechisch schreiben. Jahrelang hatte sie ihre Texte auf Deutsch verfasst, doch diese Phase sei nun abgeschlossen. „Ich will nicht mehr“, sagt Oda lakonisch. „Die Liebe zur deutschen Sprache ist ausgeschöpft, wie in einer Partnerschaft.“
Nach Deutschland kam Oda 2001. Im Jahr darauf wurde sie für den Preis „Open Mike“ der Literaturwerkstatt Berlin nominiert. Also zog sie in die Hauptstadt. Obwohl sie dort „tolle Menschen“ kennengelernt habe, sei die Stadt nie zu einem Zuhause geworden. „Mir gefällt die kulturelle Vielfalt, aber die Kälte schreckt mich ab. Ich habe dort keine Liebe gespürt. Berlin ist eine harte Stadt für mich“, sagt sie. „Ich habe immer versucht, auch hart zu sein. Aber das passt gar nicht zu mir.“ Deshalb sei es auch schwer für Oda gewesen, sich im deutschen Literaturbetrieb durchzusetzen. Ihr tschechischer Akzent stand im Weg, meint sie. „Man wollte, dass ich als osteuropäische Autorin auftrete. Aber das bin ich nicht, ich bin Milena.“ Auch beim Ingeborg-Bachmann-Preis, für den sie 2007 nominiert wurde, habe sie den Eindruck gehabt, nicht willkommen zu sein. „Als Ausländerin habe ich stets Ablehnung gespürt. Das hat mich auch traumatisiert, weil ich die deutsche Sprache und Literatur doch immer geliebt habe.“ Diese Erfahrung verarbeitete sie in ihrer Erzählung „Nennen Sie mich Ausländer“, die 2014 erschien. Fünf Jahre arbeitete Oda an dem Buch. Inzwischen liegt es auch in arabischer, englischer, spanischer und tschechischer Übersetzung vor. Mit dem Text beziehe sie sich jedoch nicht auf Deutschland, betont Oda. Dass Ausländer nicht angenommen werden, passiere überall.
„Ich höre auf mein Herz“
Die deutsche Sprache brachte sich Oda als Jugendliche selbst bei. Später studierte sie in Olomouc Geschichte und Germanistik. Eine innere Stimme habe ihr gesagt, sie müsse auf Deutsch schreiben. Von der Idee war sie dann regelrecht besessen. Dazu rieten ihr außerdem die Großeltern, die als Zwangsarbeiter nach Deutschland kamen. „Sie sagten, du musst Deutsch lernen, du hast blaue Augen und bist blond. Damit es dir nicht so schlecht geht wie uns, falls der Dritte Weltkrieg kommt“, erzählt Oda. Also begann sie, auf Deutsch zu publizieren. Zunächst Prosagedichte und Theaterstücke. Mit „Nennen Sie mich Diener“ veröffentlichte sie 2011 ihr Romandebüt.
In Tschechien habe man sie dafür zunächst verachtet, mittlerweile aber sei sie anerkannt. Über Wasser hielt sich die Autorin mit Stipendien und Übersetzungen. Ihre eigenen Bücher wollte Oda allerdings nie ins Tschechische übertragen. „Weil ich dann anders gefühlt habe mit meinen Figuren“, sagt sie.
Dass sie in Deutschland als Schriftstellerin nie richtig Erfolg hatte, bezeichnet sie heute als Glücksfall. „Wenn ich nur deutsche Autorin wäre, dann hätte ich all diese Abenteuer verpasst, die ich jetzt entdecke.“
Eines davon ist zum Beispiel ihre Künstlerplattform „Bohemian Paradise Productions“, die Oda im Herbst vorigen Jahres gegründet hat. Sie soll ein internationales Forum für Menschen sein, die die Welt mit ihrer Kunst zu einem besseren Ort machen wollen. Derzeit arbeitet sie mit der nepalesischen NGO „Lumbini World Peace Forum“ an dem Bildungsprojekt „Peace through Creativity in Nepal“. Gemeinsam mit anderen Künstlern will sie im August mit Kindern und Studenten in dem Land Workshops, Seminare und Lesungen veranstalten. „Die Sorge um den Frieden, um die Liebe, die wir teilen müssen, nicht Hass oder Hetze“, habe sie dazu motiviert, sagt Oda. „Und das soll mit Kunst gelingen.“
Ein weiteres kleineres Abenteuer ist die Schreibwerkstatt, zu der Oda zweimal pro Woche auf dem Prager Letná-Hügel einlädt. Willkommen sind alle, die schreiben und sich austauschen wollen.
Ob sie nun in Tschechien bleiben will, weiß sie nicht. Zuhause – das sei für sie auch Kalifornien, Ägypten und Marokko, wo sie jeweils längere Zeit gelebt hat. „Ich bin ein Weltmensch. Wer weiß, vielleicht bin ich in einem Monat aus Prag wieder weg. Ich höre auf mein Herz.“
Mehr zum Crowd-Funding-Projekt „Peace through Creativity in Nepal“ unter
www.bohemianparadiseproductions.com
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?