Blick in die Presse

Blick in die Presse

Pressekommentare zu den vulgären Ausdrücken des Präsidenten, zur politischen Lage in Osteuropa und zum Fall der Mauer vor 25 Jahren

12. 11. 2014 - Text: Josef FüllenbachTextauswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach

Kontensperrung | Nach dem unorthodoxen Auftreten von Präsident Zeman in China und seinem mit Vulgarismen gespickten Radiointerview sowie nach der Erläuterung von Zemans Kanzlei, dieser habe doch nur eine Diskussion über den Gebrauch vulgärer Vokabeln anschieben wollen, versucht die Wochenzeitschrift „Respekt“ eine Bilanz zu ziehen: Es handele sich dabei nicht um einen durch Alkoholismus und Krankheit verursachten Persönlichkeitszerfall, wie manche meinten, sondern „Zeman verhält sich wie ein Politiker mit eigener Agenda und eigenem Ziel. Offensichtlich gelten auch die Vereinbarungen mit Klaus weiterhin. Beide handeln schon seit den Präsidentschaftswahlen im Einklang, beiden gebührt ein Verdienst daran, dass die westlichen Beobachter über Tschechien als eine fünfte Kolonne des Kremls in der EU sprechen. Eine der Möglichkeiten sich zu wehren, besteht darin, Zeman ernst zu nehmen. Das heißt, in ihm eine Bedrohung unserer Demokratie zu sehen, jemanden, der keinerlei Spielregeln respektiert – weder geschriebene noch ungeschriebene. Deshalb ist es notwendig, zielbewusst an einer Einschränkung der präsidentiellen Vollmachten zu arbeiten (…). Und falls die Kanzlei des Präsidenten Entscheidungen des Gerichts (etwa zur Veröffentlichung der Gehälter der dort Beschäftigten) zurückweist, sollte sich die Polizei mit Gerichtsvollziehern zur Burg begeben und die Konten sperren. Dem Präsidenten lässt sich das leicht damit erklären, dass die Polizeiaktion bloß eine Diskussion darüber in Gang setzen sollte, wie man das Staatsoberhaupt dazu zwingen kann, die Herrschaft des Gesetzes zu achten.“

 

Halbherzige Kritik | Die F.A.Z. schaut kritisch auf die östlichen Nachbarn: „Seit langem ist eine schleichende Oligarchisierung Ostmitteleuropas im Gange. Sie ist das Ergebnis der engen Verbindungen zwischen Regierung, Parteien und einigen wenigen Unternehmern, die im Prozess der politisch gesteuerten Privatisierungen enormen Reichtum anhäufen konnten. (…) Anders als in Russland (…) sind es in den postkommunistischen Ländern Ostmitteleuropas die Oligarchen, die sich den Staat und die Parteien unterordnen. Ihren Interessen entspricht eine Verengung der Außenpolitik auf Außenwirtschaftspolitik. Die Zeiten, in denen tschechische Spitzenpolitiker offen Menschenrechtsverletzungen in Kuba und Weißrussland, in Tibet und Tschetschenien kritisierten, sind längst vorbei. Die Annexion der Krim und die russische Invasion in die Ostukraine wurden von den Regierungen in Prag und Pressburg nur halbherzig kritisiert, hauptsächlich kam es ihnen darauf an, die wirtschaftlichen Sanktionen zu behindern und zu hintertreiben. Die Folgen dieser Entwicklung schilderte Mustafa Dschemilew, der nach der Besetzung seiner Heimat nach Kiew geflüchtete Führer der Krim-Tataren. 1968 sei er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, sagte Dschemilew, weil er gegen die Besetzung der Tschechoslowakei protestiert habe. Jetzt sage ihm ein tschechischer Ministerpräsident, dass er die Annexion der Krim zu akzeptieren habe.“

 

Mutige Menschen | Die Prager „Lidové noviny“ bemerkt zum 25. Jahrestag des Falls der Mauer: „Das umwälzende Ereignis des 9. November 1989 fasziniert dadurch, dass dazu weder eine Entscheidung eines allmächtigen Herrschers nötig war, noch ein internationaler Gipfel, ja nicht einmal ein rotes Telefon. Es war ein Beispiel eines seltenen geschichtlichen Augenblicks, in dem jemand das Geschehen einfach so anstößt. Dazu bedarf es mutiger Menschen, deren es damals in der DDR genügend gab, und eines aufgeklärten Führers einer Weltmacht, der es sich versagte, zur Gewalt zu greifen.“