Blick in die Presse

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Tschechische Pressekommentare zum Fall Sobotka, Rusnoks Klientelismus und Edward Snowden

6. 11. 2013 - Text: PZText: PZ

Emanzipation von Zeman | Nach Sobotkas eindrucksvoller Rückkehr ins Spiel um die Macht sieht die Wochenzeitschrift „Respekt“ verhalten optimistisch in die Zukunft: „Sobotka braucht jetzt Verhandlungserfolg und muss zur Regierungsbildung schreiten. Falls aber keine Dreierkoalition aus ČSSD, ANO und KDU-ČSL entstehen sollte, endet die Karriere des frischgebackenen linken Helden im Staub des Vergessens.“ Neben manchen Nachteilen sieht Respekt in einer solchen Koalition auch viele Vorteile. Zunächst sei es für Tschechien wichtig, „dass sich die Linke nach Jahren in der Opposition an der Machtausübung beteilige und umgekehrt brauchen TOP 09 und ODS einen Neustart in der Opposition. Zweitens könnten sich alle drei Parteien der neuen Sobotka-Koalition gegenseitig die programmatischen Extreme abschleifen. (…) Und drittens würde eine solche Regierung das bestätigen, was wir schon jetzt sehen, nämlich die Emanzipation der politischen Szene – und der Linken – von Miloš Zeman. Sein Trojanisches Pferd hätte er in ihr nicht. Und das ist keineswegs gering zu schätzen.“

Spätes Erwachen | Die Tageszeitung „Hospodářské noviny“ glossiert das Verbot von Premier Rusnok, in den Ministerien wichtige Personalveränderungen ohne seine Zustimmung vorzunehmen: „Das lässt sich nur als Ausdruck des Misstrauens lesen. Der Premier weiß, dass nach dem Wahldebakel der Zeman-Freunde die Regierung als Projekt von Miloš Zeman aufgehört hat zu existieren. Die mit der Zeman-Partei SPOZ verbundenen Minister haben sich in Führer von Guerilla-Formationen verwandelt, die in letzter Minute versuchen zu raffen, was noch möglich ist. Rusnok ist gegenüber Zeman loyal (er will Gouverneur der Nationalbank werden) und eine wilde Privatisierung der Macht unabhängig von Zemans Einfluss will er nicht unterstützen. Dafür müssen wir ihn sicher loben, aber im selben Atemzuge hinzufügen, dass er spät aufgewacht ist. Und den Verdacht aussprechen, dass es zu den Vorsichtsmaßnahmen offenbar nicht gekommen wäre, wenn die Gefolgsleute Zemans in den Wahlen Erfolg gehabt hätten. (…) Die illegitime Regierung mit ihrem zunächst kontrollierten und nun wilden Klientelismus (…) sollten wir als Lektion begreifen, was in einer parlamentarischen Demokratie geschehen kann, wenn die, die sie hüten sollen, versagen.“

Drohender Monsterprozess | Die Tageszeitung „Lidové noviny“ vergleicht die Resolution in Deutschland, Snowden Asyl zu gewähren, mit früheren Resolutionen aus den sozialistischen Betrieben: „Sie sollten Spontaneität vortäuschen, wenn das kommunistische Regime etwas durchsetzen wollte, etwa einen Monsterprozess gegen ein ‚staatsfeindliches Zentrum‘. Schwer zu sagen, wie man die jetzige Resolution in Deutschland nennen soll. Sie kam (…) aus allen möglichen Ecken des gesellschaftlichen und politischen Spektrums. Ihr Ziel aber ist nicht weit von einem Monsterprozess entfernt. (…) Lässt sich in Deutschland einem Amerikaner Asyl gewähren, der mit geheimen Informationen nach Russland geflohen ist, ohne dass sich dies wie ein Tribunal über die USA ausnehmen würde? Schwerlich. (…) Washington hat Berlin für diesen Fall präventiv um Snowdens Auslieferung gebeten. Sollte dieser also eine Garantie der Nicht-Auslieferung erhalten, wäre das gleichbedeutend damit, dass in Deutschland ein Ehrenwort höher gestellt wird als die Beziehung zum Verbündeten. Das gäbe ein größeres Getöse als damals, als Helmut Kohl es wegen seines Ehrenwortes ablehnte, die Namen der illegalen Spender der CDU zu verraten.“

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