Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Das Museum Kampa zeigt Werke des Grafikers und Malers Zdeněk Burian

8. 1. 2015 - Text: Peter HuchText: Peter Huch; Bild: Museum Kampa

 

Eine riesige Boa umschlingt einen hilflosen, um sein Leben schreienden indischen Mann. Sie setzt gerade zum finalen Biss an, als von hinten ein weiterer Mann mit Tropenhut zu Hilfe eilt. Ein Arm ist bandagiert, in dem anderen schwingt der Retter eine Machete. Das Ölgemälde „Umarmung mit einer Siamboa“ aus dem Jahr 1934 fasst treffend zusammen, wofür Zdeněk Burian (1905–1981) steht: Abenteuer, Exotik und eine Prise Ethnologie.

Der Grafiker und Maler erlangte weltweite Bekanntheit durch seine Zusammenarbeit mit dem Paläontologen Josef Augusta. Während der Wissenschaftler das Leben der Urzeit beschrieb, schuf Burian das dazugehörige visuelle Werk. Mit seinen Zeichnungen prägte er unser Bild der Dinosaurier maßgeblich. Nun sind im Kleinseitner Museum Kampa rund 40 Bilder Burians zu sehen, die er vornehmlich schuf, um Abenteuergeschichten möglichst lebhaft zu illustrieren.

Burian wuchs in der kleinen mährischen Ortschaft Kopřivnice (Nesselsdorf) auf. Seine zeichnerische Begabung wurde früh entdeckt. Bereits 1919 studierte er für ein Jahr an der Prager Akademie der Bildenden Künste. Zu diesem Zeitpunkt war er erst zarte 14 Jahre alt. Dies sollte jedoch sein einziger Ausflug in eine professionelle künstlerische Ausbildung bleiben. Bereits im zweiten Studienjahr glänzte er durch Abwesenheit und verbrachte seine Zeit lieber in der Natur, um sein Auge an Flora und Fauna zu schulen. Aus Burian wurde ein genialer Autodidakt. Er erschuf authentische Landschaften und malte exotische Abenteuer – und das ohne jemals weit gereist zu sein.

Der erste und größte Teil der Schau legt den Fokus auf Burians Plakate und Buchdeckel zu Filmen und Publikationen. Es war eine herausragende Eigenschaft des Ostmährers, mit einer einzigen Darstellung den Kern eines Abenteuerromans zu treffen und das Interesse des Lesers zu wecken. So illustrierte er für Werke von Karl May, James F. Cooper, Alexander Dumas und viele weitere populäre Autoren, die sich nicht scheuten, ihre Helden Waffen für den Kampf für das Gute benutzen zu lassen.

Hang zum Kitsch
Die Motive wiederholen sich. Meistens sieht der Betrachter selbstbewusste, weiße, heldenhafte Männer in gefährlichen Situation fernab der westlichen Zivilisation. Zeugen des technologischen Fortschritts seiner Zeit sind selten zu finden. Und so fehlt den Bildern meist die konkrete historische Einrahmung, was der Mystifizierung zusätzlich Auftrieb gibt. Nur in wenigen Gemälden sind Errungenschaften der Moderne zu sehen. Die Gegenwart (des frühen 20. Jahrhunderts) blitzt nur kurz auf, wenn zum Beispiel zwei atemlose Knaben heimlich ein Flugzeug auf einem Hangar bestaunen.

Die Übergänge zum Kitsch sind in Burians Werk fließend. So werden junge Burschen von ihrem Vorgesetzten in einem Ritual per Handschlag in den Kreis der Pfadfinder aufgenommen. Das Darstellen dieser vor Kraft und Neugier strotzenden Knaben in paramilitärischer Uniform weckt unschöne Erinnerungen an Jugendbünde totalitärer Regime, war nun aber mal Zeitgeist. Der erste Eindruck relativiert sich, wenn man im Hintergrund aus dem Wolkendunst den Kopf eines alten Indianerhäuptlings erblickt, der der Initiation der Knaben ernst blickend und wie ein Geist aus einer anderen Dimension beiwohnt. Sogar ein hölzerner Biber auf einem Marterpfahl erweist den Pfadfindern strammstehend seine Ehre. Das alles ist eine ziemlich charmante Mischung aus naiver ethnologischer Weltsicht und kindlicher Träumerei, die sich Burian ins Erwachsenenalter hinübergerettet hat.

Der zweite Teil der Schau besteht aus einigen detailgetreuen Porträts. So sind Indianerhäuptlinge und ein tätowierter Māori aus Neuseeland zu sehen. Das Māori-Bildnis könnte eine Hommage an den gerade wiederentdeckten tschechischen Maler Gottfried Lindauer sein. Den Abschluss der kleinen Werkschau bilden Landschaftsgemälde aus allen Teilen der Welt. Dabei versuchte der Grafiker das Leben in fernen und von ihm unbekannten Gegenden so authentisch wie möglich nachzubilden. Sei es Südengland, Bulgarien, die Südsee oder China: Stets zeichnete er die Bewohner in landestypischen Trachten, mit regionaltypischer Fauna und vor ausschweifenden Naturkulissen.

Der Spagat, den Burian zwischen wissenschaftlich geprägten ethnologischen Betrachtungen und traumwandlerischen Illustrationen für den populären Buch- und Filmmarkt schaffte, ist erstaunlich. Und seltsamerweise funktioniert er, auch wenn aus heutiger Sicht so manches antiquiert wirkt. Es lohnt sich, diese bunte Motivwahl zu erleben und einen ungewöhnlich vielseitigen Künstler abseits seiner hinlänglich bekannten Dinosaurier kennenzulernen.

Museum Kampa (U Sovových mlýnů 2, Prag 1), geöffnet: täglich 10 bis 18 Uhr, Eintritt: 90 CZK (ermäßigt: 45 CZK), bis 15. Februar

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