Bekanntes und Lesenswertes
Welche Bücher man von Bohumil Hrabal gelesen haben sollte
19. 3. 2014 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: Suhrkamp Verlag
„Ich habe den englischen König bedient“ zählt zu Bohumil Hrabals bekanntesten Romanen, was nicht zuletzt auf Jiří Menzels Filmadaption aus dem Jahr 2006 zurückgeht, eine deutsch-tschechische Koproduktion, die in beiden Ländern im Kino lief. Das Buch hat allerdings deutlich mehr zu bieten als der Film. Als Erzähler tritt darin der kleine Kellner Jan Dítě auf, der ein großes Ziel verfolgt: Millionär werden. Dítě schafft den gesellschaftlichen Aufstieg und erreicht einen Höhepunkt seiner Karriere, als er den abessinischen Kaiser bedienen darf, genau wie einst sein Lehrmeister, der Oberkellner Skřivánek, den englischen König. Opportunistisch manövriert sich der Held weiter durch die dreißiger und vierziger Jahre der tschechischen Geschichte, die am Ende aber auch ihn nicht verschont. Ein äußerst lesenswerter Roman über einen zweifelhafen Protagonisten: Hätte er denn eine Chance gehabt, sich dem Sog der Geschichte zu entziehen? Hat er Schuld auf sich geladen, als er sich den deutschen Besatzern nicht entgegengestellt, sondern eine Nationalsozialistin heiratete? Ungestraft kommt Dítě nicht davon. Am Ende bleiben ihm ein Pferd, eine Ziege und eine Katze, seine Erinnerungen und Zeit, aufzuschreiben „wie das Unglaubliche Wirklichkeit geworden ist“.
Ich habe den englischen König bedient. Frankfurt am Main 2008, Suhrkamp Verlag, 300 Seiten, 9 Euro, ISBN 978-3-518-38254-7
Um die Welt der Bücher und deren Vernichtung geht es in der Erzählung „Allzu laute Einsamkeit“, aber auch um die großen philosophischen Fragen, die Hrabal in vielen Werken beschäftigen. Der Altpapierpacker Haňťa ist an der Zerstörung von Büchern beteiligt, die er für die mechanische Presse vorbereitet. Gleichzeitig ist er jedoch ein Künstler, weil er Schönheit erkennt, wo andere sie nicht sehen, und weil er aus dem Material, das zur Vernichtung bestimmt ist, Kunst schafft. Hinter Haňťas Reflexionen lassen sich Hrabals Betrachtungen über die Rolle des Künstlers herauslesen: Er kann etwas Schönes schaffen, ist sich aber bewusst, dass es nicht ewig Bestand haben wird. Haňťa leidet an seiner Arbeit. Wenn er ein besonderes Buch entdeckt, rettet er es vor der Vernichtung. Dennoch bereitet ihm seine Tätigkeit eine merkwürdige Freude, an die er so sehr gewöhnt ist, dass er seine mechanische Presse mit in den Ruhestand nehmen möchte. Anders als die früheren Helden, die für ihre Geschichten meist Zuhörer brauchten, ist Haňťa allein in seinem Keller, in dem er seit 35 Jahren Altpapier packt, wie er leitmotivisch immer wieder sagt. Außer den Mäusen ist da niemand und Haňťa braucht auch niemanden, denn er lebt in einer ganz eigenen Welt.
„Allzu laute Einsamkeit“ und andere Texte. Stuttgart und München 2003, Deutsche Verlags-Anstalt, 191 Seiten, ISBN 3-421-05247-6, nur noch antiquarisch erhältlich
Unter dem Titel „Die Bafler“ sind bereits 1966 einige kürzere Erzählungen in deutscher Übersetzung im Suhrkamp-Verlag erschienen. Die Geschichten sind teils komisch, teils grotesk bis absurd – so etwa die Erzählung „Die Bafler“, die der kompletten Sammlung ihren Namen gab: Der Vater läuft mit einem Beil im Kopf herum, damit der Sohn, ein Künstler, ihn malen kann. Die Mutter lobt die „gesunde Luft“ der Gegend, die vor den Augen des Lesers im Staub versinkt. Die Figuren leiden an Realitätsverlust könnte man sagen – oder aber: Sie machen unerschütterlich das Beste aus einer scheinbar ausweglosen Situation und sind damit typisch für Hrabals Helden aus dieser Zeit: Sie sind pragmatisch, lassen sich nicht aus dem Konzept bringen und auch nicht zu tief in ihr Inneres blicken. Sie haben einen guten Kern, eine „Perle auf dem Grund“, wie eine andere, bisher nicht übersetzte Erzählung heißt. Die Protagonisten zeichnen sich vor allem durch das aus, was sie erzählen, dieses Gebafle, das mit der Wahrheit selten viel zu tun hat. Aber darum geht es auch nicht. Geredet wird um des Redens willen, um sich eine Welt zu schaffen, in der die Verlierer zu Siegern werden und die idealisierten Erinnerungen zu Wahrheiten, in denen man in der Gegenwart leben kann.
Die Bafler: Erzählungen. Frankfurt am Main 1997, Suhrkamp Verlag, 127 Seiten, ISBN 3-518-39263-8, nur noch antiquarisch erhältlich
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?