Aus der Vogelperspektive

Aus der Vogelperspektive

Zwei Prager Schwestern importieren vogelfreundlichen Kaffee nach Tschechien

11. 11. 2015 - Text: Katharina WiegmannInterview: Katharina Wiegmann; Foto: BirdSong Coffee

Auf einer Kaffeepackung können viele Label kleben – von Bio bis Fairtrade über regenwaldfreundlich gibt es eine Menge Zertifizierungen, die das Gewissen der Verbraucher ein wenig beruhigen. Die beiden Prager­innen Dana und Linda Siedemová sind mit ihrem Unternehmen „BirdSong Coffee“ allerdings die Ersten, die Bohnen mit dem Gütesiegel „vogelfreundlich“ nach Mitteleuropa importieren. Was es damit auf sich hat, erklärt eine der beiden Schwestern im Interview mit PZ-Redakteurin Katharina Wiegmann.  

Was ist vogelfreundlicher Kaffee?

Dana Siedemová: Das erste Mal habe ich im Studium vom Label „vogelfreundlich“ gehört. Am Anfang dachte ich, dass es lustig klingt und wahrscheinlich beim Marketing der Produkte helfen soll. Aber dann habe ich mich in das Thema eingelesen. Das Label wurde von einem ornithologischen Forschungs­institut entwickelt, dem Smithsonian Migratory Bird Center in Washington. Dort haben sie beobachtet, dass jedes Jahr weniger Vögel im Frühling aus den tropischen Gegenden zurückkehren und fanden heraus, dass einer der Gründe dafür die Abholzung der Wälder ist. Dadurch verlieren die Vögel ihren Lebensraum. Wo früher Bäume standen, wird Landwirtschaft betrieben und immer öfter handelt es sich dabei um Kaffeeplantagen. Die Nachfrage nach Kaffee steigt weltweit. Die Wissenschaftler wollten ein Bewusstsein dafür schaffen und haben eine Zertifizierung für Plantagen entwickelt, die im Feldwaldbau-System anbauen.

Das heißt?

Siedemová: Der Kaffee wächst zwischen anderen Pflanzen und Bäumen – eben im Wald. In Äthiopien wuchs Kaffee ursprünglich schon dort, er war Teil des natürlichen Ökosystems. Die Pflanze braucht nicht viel Sonne. Im konventionellen Anbau dagegen steht Strauch an Strauch. Kurzfristig ist das effizienter, man kann mehr produzieren und die Ernte ist einfacher, wenn keine anderen Gewächse dazwischen sind. Allerdings erschöpft sich in solchen Monokulturen der Boden nach ein paar Jahren, da immer dieselben Nährstoffe entzogen werden. Danach werden oft chemische Düngemittel eingesetzt, damit die Pflanzen überhaupt noch wachsen können.

Wie verbreitet ist das Label schon?

Siedemová: Nicht besonders, vor allem nicht in Europa. Es waren ja amerikanische Ornithologen, die es entwickelt haben. Die Vogel-Migrationsströme verlaufen hier anders. Aber die Forscher haben auch nie besonders viel Werbung für die Zertifizierung gemacht. Sie sind Wissenschaftler und haben dafür wahrscheinlich einfach nicht die Kapazitäten.

Also haben Sie beschlossen, von Tschechien aus auf die Thematik aufmerksam zu machen?

Siedemová: Genau. Mir ist die Umwelt wichtig und das Label mit dem Konzept dahinter hat für mich sehr viel Sinn ergeben.

Trotzdem ist es ein ungewöhnlicher Schritt – vom Interesse an einem Thema zur Gründung eines Unternehmens. Wie kam es dazu?

Siedemová: Meine Schwester und ich wollten schon länger ein nachhaltiges, ein „grünes“ Unternehmen gründen. Der Kaffee kann vielleicht sogar als Nebenprodukt bezeichnet werden, obwohl das etwas ist, was uns begeistert und worüber wir mehr lernen wollen. Hauptsächlich geht es aber darum, ein Bewusstsein für Umweltthemen zu wecken. Wir kompostieren zum Beispiel den gebrauchten Kaffee und bieten Rabatte für Kunden an, die ihren eigenen Becher mitbringen, wenn wir auf dem Markt verkaufen.

Woher kommt der vogelfreund­liche Kaffee?

Siedemová: Ich bin immer gerne gereist und habe ein Jahr mit Freiwilligenarbeit für eine Umweltorganisation in Äthi­opien verbracht. Dort habe ich verschiedene Kaffeeplantagen besucht, darunter auch die erste vogelfreundliche Kaffeefarm. Ich habe mich mit den Leuten dort angefreundet und war während dieser Zeit natürlich auch mit meiner Schwester Linda in Kontakt. Es sah so aus, als wäre das die Gelegenheit, unseren Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Wir haben angefangen, am Konzept zu arbeiten – und letztes Jahr kamen die ersten grünen Bohnen aus Afrika in Tschechien an.  

Wie ging es dann weiter?

Siedemová: Wir hatten keine Ahnung, was zu tun ist, als wir den Kaffee bestellten. Wie lange die Bohnen haltbar sind, wie man sie lagern muss, oder welcher Preis angemessen ist. Und natürlich hat die dreiviertel Tonne Bohnen auch viel gekostet. Man muss zudem jemanden finden, der die Bohnen röstet. Ich wusste nicht, was für eine Alchemie das ist. Zum Glück gibt es in Prag gerade viele Leute, die sich damit beschäftigen und wir haben sehr nette Bekanntschaften gemacht.  Inzwischen bieten wir unseren Kaffee auf Bauernmärkten und Festivals an. Wir haben schon eine kleine Stammkundschaft gewonnen. Außerdem kann man „BirdSong Coffee“ in einigen Bio-Läden und Cafés kaufen. Und gerade arbeiten wir an unserem neuen Büro im fünften Prager Stadtbezirk, das gleichzeitig auch ein Café sein wird.

Hat der vogelfreundliche Kaffee einen speziellen Geschmack?

Siedemová: Die Ornithologen, die das Label entwickelt haben, sagen, dass die Pflanze im Schatten langsamer reift und mehr Geschmack entwickelt. Die Anbauweise macht es außerdem notwendig, dass die Kaffee­kirschen mit der Hand gepflückt werden, da die Maschinen im Wald nicht durchkommen würden. Auf den großen Plantagen werden oft auch unreife Kirschen gepflückt. Außerdem hängt der Geschmack vom Prozess nach der Ernte ab. Es gibt zwei verbreitete Methoden – die Früchte können gewaschen oder getrocknet werden, bevor die Kaffeebohne aus dem Fleisch geschält wird. Nach der Ankunft in Europa spielt die Röstung eine Rolle. Bei herkömmlichen Produkten aus dem Supermarkt wird oft mit Absicht zu stark geröstet, weil der Kaffee sonst kaum Aroma hätte. Die Menschen sind an den bitteren Geschmack gewöhnt und mildern ihn mit Milch und Zucker ab. Unser Kaffee hat einen interessanten Eigengeschmack, deshalb wollen wir ihn nicht verbrennen. Wir haben im Moment zwei Sorten von derselben Farm im Angebot, die beide ganz unterschiedlich schmecken. Für den einen wurden die Kirschen nach dem Pflücken getrocknet, er schmeckt ein bisschen wie Haselnuss. Der andere ist fruchtiger.

Berücksichtigt das Label „vogelfreundlich“ auch die an der Wertschöpfungskette beteiligten Arbeiter?

Siedemová: Es ist eine Umwelt-Zertifizierung. Aber wenn es der Umwelt nicht gut geht, geht es auch den Menschen nicht gut.