Aufschwung in Sicht

Aufschwung in Sicht

Tschechiens Wirtschaft kommt langsam wieder in Schwung. Für 2015 wird ein Wachstum von zwei Prozent erwartet. Nun will die Regierung investieren

9. 4. 2014 - Text: Martin NejezchlebaText: Gerit Schulze und Martin Nejezchleba; Foto: Ondra Anderle

Tschechiens Wirtschaft hat die Talsohle durchschritten. Nach einem zweijährigen Abwärtstrend sagt das Finanzministerium für 2014 ein Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent voraus, 2015 soll es sogar auf 2 Prozent ansteigen. Damit könnte der Konjunkturabschwung ein Ende finden, der vor allem durch die niedrigen Investitionen des Staates und die geringe Binnennachfrage hervorgerufen wurde. Hier möchte die neue Regierung ansetzen.

Finanzminister Andrej Babiš (ANO) kündigte in einem Interview mit dem Privatsender „Frekvence ­1“­ vergangene Woche an: „Wir möchten die Renten erhöhen, die Löhne von Staatsbediensteten anheben und wir müssen Autobahnen bauen, wir brauchen Geld für Investitionen.“ Zugleich möchte Babiš an den Ministerien sparen. Ziel ist ein Haushaltsdefizit von 100 Milliarden Kronen (etwa 3,65 Milliarden Euro). Laut David Marek, Wirtschaftsanalyst von „Patria Finance“, sollte sich die Regierung angesichts der Wachstumsindikatoren höhere Ziele stecken.

So sollen die Einkommen in diesem Jahr wesentlich schneller steigen als die Preise. Das wird dem privaten Verbrauch helfen. Zwar bleiben die Anlage­investitionen laut Prognosen noch knapp unter dem Niveau des Vorjahres. Doch der weiterhin starke Export und die erwachte Konsumfreude der Haushalte dürften Tschechiens Konjunktur 2014 antreiben.

Zuvor waren die Löhne im Gleichschritt mit der Rezession zwei Jahre in Folge real gesunken. Für 2013 ermittelte das Statistikamt nach vorläufigen Zahlen ein Durchschnittsgehalt von 25.128 Kronen (rund 970 Euro) im Monat. Für 2014 sagt das Finanzministerium einen leichten Anstieg der Reallöhne voraus.

Der Arbeitsmarkt zeigte sich weniger beeindruckt von den Konjunkturdellen der Vorjahre. Im Jahresdurchschnitt 2013 lag die Arbeitslosenquote laut Berechnungsmethode der Internationalen Arbeitsorganisation ILO bei 7 Prozent.

Früchte trägt bislang auch die umstrittene Währungsintervention der Nationalbank ČNB. Damit wollte die Notenbank vor allem einer drohenden Deflation entgegenwirken. „Über den Kurs erhöhen wir die Wachstumsfähigkeit der Wirtschaft“, erklärte ČNB-Chef Miroslav Singer im November 2013 und ließ die Tschechische Krone abwerten. Der Kurs gegenüber dem Euro ist daraufhin um bis zu 7 Prozent auf 27,6 Kronen abgesackt. Inzwischen ist der Verfall der Währung gestoppt und das Verhältnis Krone-Euro schwankt um einen Wert von 27,3 bis 27,5 Kronen.

Wie befürchtet sind damit etwa die Lebensmittel teurer geworden. Doch im Durchschnitt blieben die Verbraucherpreise stabil: Sie stiegen im Januar und Februar 2014 jeweils nur um 0,2 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode.

Ein positiver Effekt der Währungsabwertung für die Volkswirtschaft sind die verteuerten Importe, die den Preisvorteil einheimischer Produkte verbessern. Gleichzeitig kann Tschechien seine Exportwaren günstiger im Ausland anbieten. Nach Meinung der Unternehmen hält sich der Effekt aber in Grenzen, weil besonders in den wichtigsten Ausfuhrgütern Autos und Elektronik ein großer Anteil importierter Komponenten steckt.

Wegen der Abwertung der Krone sind die Außenhandelsumsätze 2013 in Euro gerechnet zwar leicht geschrumpft. Unter dem Strich bleibt aber ein neuer Rekord beim Handelsüberschuss von 13,5 Milliarden Euro.
„Der Aufwärtstrend eröffnet der Regierung Möglichkeiten, das Haushaltsdefizit wieder zu verringern und so die öffentlichen Kassen einem langfristig tragbaren Zustand anzunähern“, sagt der Ökonom David Marek. Kritik hagelt es auch von Ex-Finanzminister Miroslav Kalousek (TOP 09). „Obwohl die Wirtschaft anfängt zu wachsen, möchte die Regierung das Verschuldungstempo nicht bremsen. Das ist keine gute Nachricht für die Zukunft“, kommentierte Kalousek den Haushaltsvorschlag seines Nachfolgers.

Die tschechischen Verbraucher sehen die Lage etwas gelassener. Laut den Meinungsforschern von CVVM bewerten sie die wirtschaftliche Lage ihres Landes am besten seit über drei Jahren.

Der Abdruck des Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung von Germany Trade & Invest, der Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing, die regelmäßig über ausländische Märkte informiert. Der Autor Gerit Schulze ist Korrespondent für Tschechien und die Slowakei. Der Artikel wurde von der Redaktion der Prager Zeitung ergänzt und bearbeitet.