So gut wie noch nie

So gut wie noch nie

Die tschechischen Athleten gewinnen acht olympische Medaillen. Trotzdem gibt es auch mahnende Stimmen

27. 2. 2014 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel

Sie schrieben tschechische Sportgeschichte, die 88 Sportler und Sportlerinnen, die ihr Land in Sotschi bei den Olympischen Winterspielen vertraten. Mit je zwei goldenen und bronzenen sowie vier silbernen Medaillen belegten sie in der Nationen-Wertung den achtbaren 15. Rang. Großer Star des tschechischen Teams ist die Eisschnellläuferin Martina Sáblíková, die Gold und Silber über 5.000 und 3.000 Meter gewann.

„Natürlich sind wir sehr zufrieden. Man kann ja nicht einmal sagen, unsere Athleten hätten bei ihren Erfolgen vor allem Wettkampfglück gehabt – eher im Gegenteil, es gab auch relativ viele vierte und fünfte Plätze“, äußerte sich der Vorsitzende des Nationalen Olympischen Komitees Jiří Kejval vergangenen Sonntag vor versammelter Presse in Sotschi. Der ehemalige Ruderprofi und heutige Spitzenfunktionär zeigte sich stolz, zugleich aber auch skeptisch. „Beim Blick auf den Medaillenspiegel läuft es mir kalt den Rücken runter. Wir müssen jedoch festhalten, dass eigentlich nur die Erfolge im Biathlon auf einem durchdachten System beruhen, alles andere ist das Ergebnis hervorragender Einzelkönner.“

Damit verwies Kejval auf einen wunden Punkt des tschechischen Sports. Es fehlt, nicht nur in den kleineren Winter-Randsportarten, oft an genügend finanziellen Mitteln, guter Infrastruktur und einer effizienten Nachwuchsförderung. In diesem Sinne mahnte Kejval in Richtung Politik an, dass mehr Gelder in den Sport fließen müssten. Es gibt kaum einen besseren Moment, um auf dieses Problem aufmerksam zu machen. Ob der Hilferuf bei den entsprechenden Stellen auch erhört wird, ist angesichts klammer Staatskassen mehr als fraglich. Einstweilen wird man weiterhin und in erster Linie auf den Ehrgeiz von Ausnahme­athleten setzen.

Vorbildliche Biathleten
Eine solche ist zweifelsohne die erst 20-jährige Eva Samková, die der Tschechischen Republik in der jungen Olympia-Disziplin Snowboard eine Goldmedaille bescherte. Sie ist sozusagen das Gegenstück professioneller Talentförderung durch einen nationalen Verband. Samková tourt meist alleine mit ihren persönlichen Trainern durch Nord­amerika, wo sich ihr Sport großer Beliebtheit erfreut. Finanziert und gesponsert wird sie dabei vom weltweit führenden Energy-Drink-Hersteller. Er tritt an die Stelle des Staates, der sich eine derart starke Förderung einer einzelnen Sportlerin kaum leisten würde.

Etwas besser sieht es im Biathlon aus. In Nové Město na Moravě steht eine moderne Anlage mit Ausbildungszentrum. Bei diesen hervorragenden Bedingungen mit professionellem Coaching erstaunt es nicht, dass Tschechiens Biathleten für den größten Edelmetall-Segen bei den Winterspielen sorgten. So herausragend wie überraschend gewann der 29-jährige Ondřej Moravec zwei Einzelmedaillen in der Verfolgung (Silber) und im Massenstart (Bronze). Zusammen mit Jaroslav Soukup, Veronika Vítková und Gabriela Soukalová belegte er zudem in der Mixed-Staffel den zweiten Rang. Soukup mit Bronze im Sprint sowie Soukalová mit Silber im Massenstart rundeten das erfreuliche Team-Ergebnis ab. Von einer ähnlichen Ausbeute konnte die Biathlon-Nation Deutschland nur träumen.

Als größter Trumpf der Tschechen stach Martina Sáblíková. Die Titelverteidigerin über beide Lang-Distanzen wiederholte ihren Coup von vor vier Jahren in Vancouver über 5.000 Meter. Im 3.000-Meter-Lauf musste sie sich einzig der Niederländerin Ireen Wüst geschlagen geben. „Wenn du bei der Sieger­ehrung dastehst und wartest, bis dein Name ausgerufen wird – das ist einfach einmalig, da rast der Puls auf 160 hoch“, schilderte die erst 26-jährige Mährerin ihre Emotionen nach dem dritten Olympiasieg ihrer Karriere.

Hadamcziks Rücktritt
Ihre Erfolge feierte sie nach der Heimkehr im Olympia-Park auf dem Prager Letná-Hügel zusammen mit den Fans. Bei Fragen zu ihrer Zukunft auf den Kufen verwies sie auf die große Konkurrenz in ihren Paradedisziplinen und private Lebensplanungen. „Ich plane nur für die kommenden vier Jahre. Somit werde ich sicher bei den nächsten Olympischen Spielen dabei sein. Was danach kommt, weiß ich nicht. Es ist hart, an der Spitze zu bleiben. Und irgendwann möchte ich vielleicht auch Mutter werden.“ Sáblíková ist wohl das beste Beispiel für Kejvals Verweis auf hervorragende Einzelkönner, die auch ohne gute Rahmenbedingungen Top-Leistungen erbringen. Sie trainiert meistens in Deutschland oder Holland, weil in der Heimat keine einzige Eisschnelllaufbahn existiert.

Keine Enttäuschung, aber dennoch einen kleinen Dämpfer musste Skirennfahrerin Šárka Strachová im Slalom hinnehmen. Nachdem sie in der Super-Kombination Bestzeit erzielt hatte, keimte unter den Fans berechtigte Hoffnung auf einen Podestplatz im Spezialrennen auf. Letztlich reichte es nach einem missglückten ersten Lauf aber nur zu Platz sieben.

Nur einen Rang besser schnitt das Eishockey-Nationalteam ab. Im Viertelfinale scheiterten Jaromír Jágr und Co. mit 2:5 an den Vereinigten Staaten. Für die eishockeyverrückten Tschechen kommt das einem Versagen gleich, obwohl man nicht wirklich mit einer Medaille rechnen konnte. Die Mannschaft hatte das höchste Durchschnittsalter aller Teilnehmer und verdeutlicht damit die aktuelle Krise im Nationalsport der Republik. Es fehlt an gutem Nachwuchs. Trainer Alois Hadamczik reagierte auf die heftige Kritik aus der Heimat mit dem sofortigen Rücktritt. „Die Berichterstattung war teilweise ehrverletzend. Die Kritik aus Medien und dem sportlichen Umfeld möchte ich mir nicht länger antun“, so der Coach, der insgesamt rund sieben Jahre lang der Nationalmannschaft vorstand.

Auch ließ er es sich nicht nehmen, auf mangelhafte Strukturen im Verband zu verweisen. Wenn nicht alles täuscht, so funkeln nach Sotschi zwar so viele tschechische Medaillen wie noch nie, eine glänzende Zukunft scheint allerdings nur den Biathleten vorbehalten.