Züge und Gotteshäuser

Züge und Gotteshäuser

Für die Bahn ist Česká Třebová ist ein wichtiger Knotenpunkt. In der Stadt gibt es aber auch verborgene Schätze zu entdecken

29. 7. 2015 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: Wallfahrtskirche Mariahilf/Michal Horák, Česká Třebová

 

Der Bahnhof von Česká Třebová ist ziemlich groß für eine Stadt mit rund 15.000 Einwohnern irgendwo im Niemandsland zwischen Prag und Olomouc, zwischen Böhmen und Mähren. Mit den Glasdächern, Brunnen und Grünstreifen auf dem Vorplatz soll die Anlage auch nicht nur ein Bahnhof sein – sondern ein „multifunktionales Verkehrsterminal“, das 2011 als „Bau des Jahres“ im Kreis Pardubice ausgezeichnet wurde. Kaum zu übersehen sind die Tafeln, die hier und da darauf hinweisen, dass der Bahnhof mit Geldern aus EU-Töpfen modernisiert wurde. Das Projekt leiste einen großen Beitrag, um das tägliche Leben der Bürger in der gesamten Region zu verbessern, würdigte die Jury damals den „Bau des Jahres“; der Bahnhof sei ein „wichtiger Knotenpunkt“.

An einem Freitagnachmittag im Juli ist davon wenig zu spüren. Die freundliche Dame am Schalter druckt geduldig die nächsten Verbindungen nach Prag aus. Dreimal pro Stunde fährt ein Direktzug in 100 bis 120 Minuten in die Hauptstadt. Auf dem Vorplatz suchen wenige Wartende Schatten. Niemand möchte sich am multimedialen Bildschirm informieren, der bei Berührung Auskunft über die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten gibt. Wer wissen will, weshalb Česká Třebová (Böhmisch Trübau) einen so repräsentativen Bahnhof braucht, wird im Stadtmuseum eine Antwort finden. „Verkehrsknotenpunkt“ heißt dort die Dauer­ausstellung, die einen Schwerpunkt auf die Eisenbahn legt. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts treffen in der Stadt die Strecken aus Prag, Brünn und Olomouc aufeinander. Die strategisch günstige Lage brachte einen Rangierbahnhof und wirtschaftlichen Aufschwung. Aber auch andere Arten des Reisens haben ihre Spuren in der Gegend hinterlassen, erfährt man im Stadtmuseum: die Flugversuche des einheimischen Bildhauers und Konstrukteurs František Formánek (1888–1964) zum Beispiel, das dreirädrige Fahrzeug Velorex und die Pläne, über einen Donau-Oder-Elbe-Kanal drei Meere miteinander zu verbinden.

Wer genug hat von Zügen und Schienen, folgt am besten der Bahnhofstraße bis in die Stadtmitte. Nach dem Café 59, dessen selbst gemachtes Eis an heißen Tagen zu empfehlen ist, erreicht man in wenigen Minuten den Platz Staré náměstí, der allerdings als Parkplatz dient und daher weniger Flair hat als andere typisch tschechische Kleinstadt-Marktplätze. Lohnenswert ist es dagegen, dem Wegweiser zur Rotunde der Heiligen Katharina zu folgen. Sie liegt auf einem Hügel nordöstlich des Flusses Třebovka und ist das älteste Bauwerk der Stadt sowie die einzige erhaltene romanische Rotunde in Ostböhmen.

Um ihre Entstehung ranken sich bis heute Legenden – denn noch konnte niemand klären, wann, von wem und weshalb sie errichtet wurde. Manche erzählen, dass einst die Heilige Katharina von Alexandrien mit einer Schürze voller Steine an dem Ort erschienen sei, an dem heute die runde Kirche steht. Die Menschen kamen ihrem Wunsch, dort eine Kapelle zu bauen, nicht nach. Doch das, was sie an anderer Stelle an einem Tag erschufen, stürzte nachts wieder ein – sodass sie schließlich doch auf die Heilige hörten.

Verfallender Friedhof
Historiker dagegen sehen einen Zusammenhang zwischen der Rotunde und der Geschichte der Stadt. Der Rundbau könnte demnach einem Adeligen, der zu Beginn des 13. Jahrhunderts mit der Gründung von Česká Třebová betraut war, als Privatkapelle gedient haben und erst später von den neu angesiedelten Bewohnern genutzt worden sein. Gesichert ist jedoch nur die erste schriftliche Erwähnung – in einem Brief aus dem Jahr 1335 – und dass die Rotunde mehrfach umgebaut wurde. Die jüngsten Arbeiten wurden 2002 abgeschlossen, seitdem finden in der Kapelle wieder Gottesdienste statt. Nachdem vier Jahre später auch die barocke Orgel restauriert wurde, dient die Kapelle außerdem als Veranstaltungsort für Konzerte. In deutlich schlechterem Zustand als die Rotunde selbst ist der angrenzende Friedhof, der 1905 geschlossen wurde. Heute spazieren Besucher über eine Wiese mit hoch wachsendem Gras, aus dem gelegentlich alte Grabsteine in die Höhe ragen; die meisten sind stark beschädigt und dem Verfall ausgesetzt, die Inschriften kaum zu entziffern.

Neben der Rotunde der Heiligen Katharina können in Česká Třebová und Umgebung drei weitere öffentliche Denkmäler besichtigt werden. Die Wallfahrtskapelle Mariahilf liegt auf einem Hügel westlich der Stadt bei einer Quelle, deren Wasser der Legende nach heilende Kräfte haben soll. Die Kirche Sankt Bartholomäus befindet sich südlich von Česká Třebová im Ort Semanín. Ihre heutige Gestalt erhielt sie Ende des 17. Jahrhunderts; etwas früher entstanden der Friedhof und der eigenständige Glockenturm. Seit 2012 können Besucher der Kirche auch die Ausstellung „Renaissance in Semanín“ besuchen, die eine Bürgerinitiative mit Hilfe des Stadtmuseums entwickelt hat.

Nordwestlich von Semanín liegt das Landhaus des Malers Max Švabinský (1873–1962). Die Umgebung von Česká Třebová soll den Künstler verzaubert und zu vielen seiner Landschaftsbilder inspiriert haben. Nach seiner Hochzeit mit Ela Vejrychová richtete deren Familie in ihrem Haus in Semanín ein Arbeitszimmer für den Maler ein. Nach der Trennung von Švabinský lebte Ela ohne ihren Mann in dem Landhaus, wo sie unter anderem den Komponisten Bohuslav Martinů, die französische Pianistin Blanche Selva und den Geiger Stanislav Novák als Gäste empfing. Heute erinnert eine Ausstellung an die Geschichte des Gebäudes und seiner Bewohner.

Als Reiseziel kann Česká Tře­bová zwar nicht mit Touristenhochburgen wie Kutná Hora oder Český Krumlov mithalten. Aber wer auf der Suche nach Ruhe und verborgenen Kleinoden ist, dem kann ein Abstecher in die ostböhmische Stadt empfohlen werden – zumal sie sich auch als Ausgangspunkt für Wandertouren durch sanftes Hügelland anbietet. Wer die Unterschiede zwischen Böhmen und Mähren erkunden möchte, kann einen Ausflug ins etwa 30 Kilometer südöstlich gelegene Moravská Třebová machen, eine Stadt die als Mährisch Trübau bis 1945 Teil der deutschen Sprachinsel Schönhengstgau (Hřebečsko) war.

Sehenswertes in und um Česká Třebová

Rotunda svaté Kateřiny | Trávník 140, geöffnet: im August Dienstag bis Sonntag 9–12 und 13–17 Uhr oder auf Anfrage beim Stadtmuseum (Tel. 465 534 516), Eintritt: 30 CZK (ermäßigt 20 CZK)
Poutní kaple Panny Marie Pomocné | Hory, geöffnet: im August Samstag und Sonntag 9–12 und 13–17 Uhr oder auf Anfrage beim Stadtmuseum, Eintritt: 30 CZK (ermäßigt 20 CZK)

Kostel svatého Bartoloměje | Semanín, geöffnet: im August Freitag 13–17 Uhr, Samstag und Sonntag 9–17 Uhr, Eintritt: 20 CZK (ermäßigt 10 CZK)

Chaloupka Maxe Švabinského | Česká Třebová 50, Kozlov, geöffnet: im August Dienstag bis Sonntag 9–17 Uhr oder auf Anfrage beim Stadtmuseum, Eintritt: 30 CZK (ermäßigt 20 CZK)
Městské muzeum | Klácelova 11, geöffnet: Dienstag bis Sonntag, 10–18 Uhr, Eintritt: 40 CZK (ermäßigt 30 CZK), www.mmct.cz