Blick in die Presse

Blick in die Presse

Tschechische Pressekommentare zur Griechenlandkrise und der Flüchtlingsquote

1. 7. 2015 - Text: Josef FüllenbachTextauswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach

Stolzer Grieche | Die griechische Tragödie ist Thema Nummer eins in fast allen Blättern. Die „Hospodářské noviny“ meint, Premier Alexis Tsipras habe „sich entschieden, Vabanque zu spielen. Von seinen Wählern erhielt er die Vollmacht, mit der EU zu verhandeln. Es sollte ein Kampf stolzer und unnachgiebiger Griechen gegen eine europäisch-übernationale Hilfe mit sadistischer Einfärbung sein. Nur dass die Vollmacht, Europa Stärke zu zeigen, wohl keine Beschränkungen enthielt, über das eigene Geld zu verfügen. Die ursprüngliche Vorstellung lief vermutlich auf eine vernünftigere Vereinbarung und den Erlass eines großen Teils der Schulden hinaus. Das auszuhandeln misslang Tsipras jedoch, der sich als stolzer Grieche zu zeigen bemüht (und dazu gehört für ihn ganz offensichtlich grobes Benehmen, Unterkunft in ultraluxuriösen Hotels und allgemein in die Hacken derer zu treten, von denen er Unterstützung verlangt).“

Funkelnagelneue Währung | Da es bei der Krise ohne Präzedenz kaum gesichertes Wissen gibt, bedient die „Lidové noviny“ das Bedürfnis nach Verschwörungstheorien: „Es ist schwer, sich in die radikal linke Regierung hineinzuversetzen, und es lässt sich nicht vorhersehen, was sie wirklich tun wird. Es gibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, wenn auch eine kleine, dass neue Drachmen schon insgeheim gedruckt sind und in streng bewachten Kellern warten. Vielleicht tritt Premier Tsipras morgen oder übermorgen vor das Volk und verkündet den Beginn einer neuen Ära der Prosperität und sozialen Sicherheiten durch eine funkelnagelneue schöne Währung. Das passiert wohl nicht, aber man kann nicht in die Köpfe der Politiker schauen.“

Unsichere Lorbeeren | Der EU-Gipfel zur Frage der Verteilung der Flüchtlinge und der „Sieg der Quotenskeptiker“ ist ein weiteres wichtiges Thema in den Kommentarspalten. Die Tageszeitung „Právo“ meint: „Das erfolgreiche Geschäft mit dem Schleusen von Menschen erinnert daran, das es notwendig ist, mit diesem ganzen ‚Unternehmenszweig’ Schluss zu machen. Die Schleuser nutzen die Tatsache aus, dass man jemanden, der es mal in die EU geschafft hat, nicht so einfach wieder hinausschmeißt. Es ist notwendig einen Weg zu finden, wie man ungebetene Gäste taktvoll hinauswirft. Allein so kann man sicherstellen, dass nur die wirklichen Flüchtlinge Hilfe erhalten werden und nicht jeder, der sich mit Hilfe von Schleppern, Korruption, gefälschten Dokumenten und Lügen gegenüber den Behörden nach Europa durchgeschlagen hat.“

Angestachelte Emotionen | Die Wochenzeitung „Respekt“ findet dagegen, es sei „ein Fehler, dass die Politiker die Emotionen und Ängste nicht dämpfen. Flüchtlinge werden in der Debatte aus heiterem Himmel zu einem Schreckgespenst, das alles, was uns lieb und teuer ist, zu zerstören droht. Hauptsache ist, sie nicht hereinzulassen, gegebenenfalls vom Strand zu entfernen und den Urlaub zu genießen. (…) Vor allem in einer Zeit angestachelter Emotionen braucht Tschechien die Stimme von Politikern, die weiter schauen als bis zur nächsten Meinungsumfrage. Jemanden, der sich nicht scheut, die Dinge in den größeren Zusammenhang zu stellen. Der Präsident spielt diese Rolle nicht, er stachelt im Gegenteil die Erregung an. Auch deswegen nimmt die Rolle des Premiers und des Außenministers an Gewicht zu.