Blick in die Presse

Blick in die Presse

Tschechische Pressekommentare zum 70. Jahrestag der Auschwitz-Befreiung, zur Pegida-Bewegung, zum ukrainischen Präsidenten und zu Griechenland

28. 1. 2015 - Text: Josef FüllenbachTextauswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach

Weder Antisemitismus noch Zionismus | Die Prager „Lidové noviny“ schreibt aus Anlass der 70. Jahrestags der Befreiung des KZ Auschwitz: „Deutschland ist eine Ausnahme insofern, als es für die Sicherheit der Juden historische Verantwortung trägt. Diese politische Verpflichtung bezweifelt heute nicht eine Handvoll Antisemiten alten Schlages, sondern eine neue Generation europäischer Politiker. Die wollen nicht ‚eine Seite des Konflikts’ unterstützen. Zwar stören sie Antisemitismus und Auschwitz-Lüge, aber auch der Staat Israel (ein jüdischer Staat in postnationaler Zeit!) und die Tatsache, dass die europäischen Juden diesen Staat unterstützen. (…) Trefflich hat dies Ilmar Reepalu ausgedrückt, linksorientierter Bürgermeister der Stadt Malmö mit starker muslimischer Minderheit: ‚Wir akzeptieren weder Antisemitismus noch Zionismus’. Und fragen Sie noch, warum Juden auch 70 Jahre nach Auschwitz Europa verlassen?“

Tschechien im Sog | Die Prager „Hospodářské noviny“ wägt die Folgen eines möglichen Austritts Griechenlands aus der Eurozone: „Auch wenn die Bedeutung der griechischen Wirtschaft für die Eurozone nicht groß ist, wäre Griechenland ein gefährlicher Präzedenzfall. Der Anblick raschen Wertverlusts der Ersparnisse in den griechischen Banken würde die spanischen oder italienischen Sparer beunruhigen. Aus Vorsicht könnten sie beginnen, einen Teil des Geldes auf deutsche oder Schweizer Banken zu transferieren. Die Finanzkrise kehrte zurück und das derzeit schwache Wachstum könnte sich leicht in eine Rezession verwandeln. Auswirkungen spürten wir auch in Tschechien. Die direkte Verbindung mit Griechenland und den anderen peripheren Ländern ist zwar schwach, aber ein Niedergang des benachbarten Deutschland zöge Tschechien wahrscheinlich indirekt in eine leichte Rezession.“

Angreifer als Opfer | Die Tageszeitung „Právo“ regt sich über Geschichtsklitterungen des ukrainischen Regierungschefs Arsenij Jazenjuk auf, die er vor kurzem in Deutschland vorgetragen haben soll: „Er ging so weit zu sagen, dass 1943 ‚die Rote Armee zunächst die Ukraine und dann Deutschland überfallen habe’. Damit ignorierte er völlig die Tatsache, dass die Ukrainische SSR damals schon mehr als zwanzig Jahre untrennbarer Teil der Sowjetunion war, die im Juni 1941 von den Hitlerfaschisten angegriffen wurde (…). Und seine faktische Behauptung, das Dritte Reich sei Opfer eines der Verbündeten der antifaschistischen Koalition geworden? (…) Die Darstellung des von der ganzen Welt in den Nürnberger Prozessen verurteilten Aggressors als Opfer lässt sich nicht anders bezeichnen als einen Versuch, die grundlegenden Ergebnisse der Kriegsgeschichtsschreibung umzuschreiben.“

Einfältiges Buch | Nachdem ein Berufungsgericht die Herausgabe von Hitlers Reden in tschechischer Übersetzung gestattet hat, meint die Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“: „In gewisser Hinsicht ist das eine gute Nachricht: Die Freiheit des Wortes hat gesiegt. (…) Umso mehr, da die Herausgeber behaupten, dass sie den Genozid nicht gutheißen und dem Leser nur historische Dokumente vorlegen wollen. Übersetzt also: daran verdienen wollen. (…) Es ist gut, sich bewusst zu machen, dass die schärfste Strafe für die Herausgeber Hitlers nicht Kriminalisierung ist, Gefängnis oder Geldstrafe, sondern Desinteresse. Wenn sich dieses einfältige Buch aus aufgeklaubten Texten billiger Propaganda niemand kauft.“

Nicht unter den Teppich kehren | Das Online-Magazin „Česká pozice“ meint zur Pegida-Bewegung in Deutschland: „Pegida wird in den nächsten Tagen vielleicht auseinanderfallen, vielleicht auch nicht. Die deutschen Politiker aber sollten sich mit ihrem baldigen Ende nicht trösten. Denn die Bewegung hat klar gezeigt, dass das Land wirkliche Probleme hat (…). Aufgabe der derzeitigen politischen Repräsentation ist es nun, die Diskussion über diese Probleme nicht unter den Teppich zu kehren, sondern sie von der Straße ins Parlament zu tragen.“