Schreckgespenst Islam

Schreckgespenst Islam

Diplomaten warnen vor zunehmender Hetze gegen Muslime

21. 1. 2015 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: ČTK/Michal Kamaryt

In einer gemeinsamen Erklärung brachten Diplomaten muslimischer Länder zu Beginn dieser Woche ihre Sorge vor einer steigenden Islamfeindlichkeit in Tschechien zu Papier. Regierungsbeauftragte aus insgesamt 20 Staaten, darunter 13 Botschafter, unterzeichneten das Dokument, in dem es unter anderem heißt: „Es wird höchste Zeit, unserer kollektiven Pflicht nachzukommen und den negativen Vorurteilen (…) gegenüber dem Islam entgegenzutreten.“

Die islamfeindlichen Äußerungen, die Gleichsetzung ihrer Religion mit Gewalt und Terrorismus sowie die steigende Intoleranz und Hetze gegen Muslime müssten endlich aufhören, verkündeten die Prager Diplomaten, die in der Erklärung auch die sogenannte Pegida-Bewegung in Deutschland kritisierten. Dass so viele Menschen in Tschechien nach dem Anschlag auf die Redaktion des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ den Islam mit Terrorismus gleichsetzen, beunruhige sie sehr. Auch die Bemerkungen des Vorsitzenden der Parlamentspartei Úsvit, der seine Landsleute unter anderem dazu aufgerufen hatte, mit Hunden und Schweinen in der Nähe von Moscheen Gassi zu gehen, erfüllt die Diplomaten mit Sorge (die „Prager Zeitung“ berichtete in Ausgabe 1–2 vom 8. Januar).

Dass sie allen Grund dazu haben, zeigte auch eine am Freitag vor der Prager Burg abgehaltene Kundgebung, zu der die Initiative „Islám v České republice nechceme“ („Wir wollen keinen Islam in Tschechien“) aufgerufen hatte.
Die Polizei spricht von 600 Teilnehmern, die Organisatoren von „bis zu 2.000“. Viele von ihnen schienen gekommen zu sein, um ihr Vaterland zu verteidigen. Sie hielten Transparente hoch mit Aufschriften wie „Europa, erwache!“ oder „Der Islam ist das Böse“, andere schwenkten die Nationalflagge. Auf einem Plakat wurde der Prophet Mohammed als Lügner, Mörder und Pädophiler verunglimpft. Applaus gab es für die Redner, darunter Politiker wie Marek Černoch, Vizechef von Úsvit, und die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der einstigen Regierungspartei ODS, Jana Černochová.

Welche Ziele verfolgt diese Anti-Islam-Bewegung, die auf Facebook über 110.000 Anhänger hat? „Langfristig“, so heißt es auf ihrer Internetseite, „streben wir die Einstufung des Islam als feindselige Ideologie an, die (im Sinne des Strafgesetzbuchs) die Menschenrechte und die Freiheit unterdrückt.“ Daher müsse die Propagierung des Islam verboten werden.

Der Minister für Menschenrechte Jiří Dienstbier (ČSSD) zeigt für die Proteste auf dem Hradschin kein Verständnis. „Völlig unnötig werden hier Angst und Hass hervorgerufen, in einem Land, in dem gar keine islamistische Gefahr besteht“, sagte er im Tschechischen Fernsehen. Die Gefahr sieht er genau auf der anderen Seite: „Dieses Schubladen-Denken, das Prinzip der Kollektivschuld und die Intoleranz (…) gegenüber einer relativ kleinen Gruppe sind sehr gefährlich, da sie den Grundsätzen der Freiheit und einer demokratischen Gesellschaft widersprechen.“
Die Veranstalter der Demonstration lassen sich von solchen Sätzen nicht abschrecken, Politiker wie Dienstbier gehören zu ihren Feindbildern. In vier Wochen, so haben sie angekündigt, wollen sie eine weitere Kundgebung abhalten. „Und dann sind wir 5.000.“