Blick in die Presse

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Pressekommentare zur Enthüllung der Havel-Büste in Washington D.C und zum ideellen Erbe Havels

26. 11. 2014 - Text: Josef FüllenbachTextauswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach

Macht und Mut | Der Besuch des Premier­ministers Sobotka in Washington, wo er gemeinsam mit Parlamentspräsident Hamáček an der Enthüllung der Büste Václav Havels im Kapitol teilnahm, bot erneut Gelegenheit, über den Umgang mit Havels Vermächtnis und die Grundausrichtung der tschechischen Außenpolitik nachzudenken. Die Prager Zeitung „Hospodářské noviny“ zitiert dazu die Worte Sobotkas in den USA, er sei „gekommen, um sich zu den Prinzipien Václav Havels zu bekennen“, merkt aber kritisch an: „Direkt in Washington ist Sobotka wiederholt einer Antwort auf die Frage ausgewichen, auf welche Weise, mit welchen Maßnahmen er seine Worte über die Prinzipien Havels in die tschechische Außenpolitik übertragen wolle. Und auch Hamáček sagte (…) dazu nichts Konkretes. Von selbst geschieht das nicht, und hohe Verfassungs- und politische Ämter sind dazu da, dass ihre Träger wirklich etwas durchsetzen. Der Premier und der Parlamentspräsident (…) hätten dafür genügend Macht. Eine andere Frage ist, ob sie dazu auch genügend Mut haben.“

Zwischen den Fronten | Die Tageszeitung „Právo“ sieht Tschechien zwischen den Fronten: „Formal sind wir Mitglieder der westlichen Allianzen und Organisationen, aber eigentlich haben wir schon von Beginn an zu verstehen gegeben, dass wir uns in ihnen nicht zuhause fühlen. Tschechische Politiker deuteten häufig an, dass uns der Westen nicht versteht, wobei in der Politik und in den Medien fast keine Debatte darüber geführt wurde, ob es zufällig nicht andersherum ist: dass nach 41 Jahren Kommunismus eher wir den Westen nicht verstehen. Einige unserer Politiker – angeblich unverstanden in Brüssel, in Berlin und in Washington – bemühen sich erneut, vornehmlich den Osten zu verstehen.“

Krämergeist | Die „Washington Post“ erinnert bewegt an Havel: „Als er gerade drei Monate nach der Revolution vor beiden Häusern des Kongresses auftrat, sprach Havel von der tief empfundenen Dankesschuld seines Landes gegenüber den Vereinigten Staaten (…). Havel betonte die Wichtigkeit der Moral in Politik und Wirtschaft und sagte, dass wir unser Handeln auf ‚Verantwortung gegenüber etwas Höherem als es meine Familie, mein Land, meine Firma, mein Erfolg darstellen’, gründen sollten“. Das Blatt schließt mit der Mahnung: „Diese Woche ehrt der Kongress einen Mann, der die große Geschichte der tschechischen Nation repräsentiert und der ihr Renommee in der Welt gewann. Möge die Zeremonie zum Andenken an Havel seinen Nachfolgern die Nachricht senden, dass sie ihrer Nation und deren Ansehen großen Schaden zufügen, wenn sie sich in Krämergeist zurückziehen zu einer Zeit, da sich draußen Wirbelstürme zu sehr gefährlicher Kraft verbünden.“

Vergangenheit und Zukunft | Zum gleichen Thema urteilt das Wochenmagazin „Respekt“: „Die vergangene Woche war in vieler Hinsicht symbolhaft. Klar zeigte sich: Während der lebende Miloš Zeman definitiv zum Mann der Vergangenheit wurde, wurde aus dem nichtlebenden Václav Havel ein Mann der Zukunft. Das mächtigste Land der Welt reihte ihn im Kongress unter Persönlichkeiten ein, die es in der unendlichen Sehnsucht nach Freiheit inspirieren. Paradoxerweise erhielt er seinen Platz neben Winston Churchill, den gerade Zeman noch im Oktober mit dem Hinweis würdigte, dass er im Unterschied zu Neville Chamberlain den Mut fand, sich dem um sich greifenden Bösen entgegenzustellen. Es ist mehr als offensichtlich, wen der Westen in Tschechien als Churchill und wen als Chamberlain wahrnimmt. Havels und Zemans Politik passen nicht zueinander; wir werden sehen, welche davon in Zukunft vorherrschen wird.“