Blick in die Presse

Blick in die Presse

Tschechische Pressekommentare zur Teilung der Tschechoslowakei, zu Sobotkas Haltung gegenüber der Ukraine-Krise, zum Streit über die veröffentlichten Hitlerreden und zu Komorowskis Rede im Bundestag

17. 9. 2014 - Text: Josef FüllenbachAuswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach

Dasselbe in Grün | Im Vorfeld des schottischen Referendums über die Unabhängigkeit erinnert die Prager „Hospodářské noviny“ an die Teilung der Tschechoslowakei vor mehr als 20 Jahren und sieht neben vielen Unterschieden auch Gemeinsamkeiten. „Die Forderung nach einem Sozialstaat war in der Slowakei viel stärker, was auch dem Wahlprogramm der siegreichen HZDS zu entnehmen war. Und wenn wir heute die Versprechungen der Schottischen Nationalpartei betrachten, sehen wir dasselbe in Grün (…), kurz nur Positives und soziale Sicherheiten. Aber wie kann es letztlich ausgehen? Schauen wir auf den slowakischen Sozialstaat heute, stellen wir mit Überraschung fest, dass die Slowaken für soziale Sicherheit 17,9 Prozent ihres BIP aufwenden. Das ‚rechte’ und ‚liberale’ Tschechien dagegen 21,9 Prozent. (…) Nach allen objektiven Maßstäben ist Tschechien der sozialere Staat, obwohl die Wähler es sich genau umgekehrt wünschten. Es kann also geschehen, dass das unabhängige Schottland sehr sparen wird: Senkung von Steuern und Sozialausgaben. Und nach 20 Jahren (oder früher) wird dann das schottische Wirtschaftswachstum England überholen. Ähnlich wie jetzt die Slowakei die von Steuern und Regulierungen überlastete tschechische Wirtschaft hinter sich lässt. Ironie der Geschichte.“

Peinliches Lavieren | Das Online-Medium „Echo24.cz“ glossiert das „peinliche Lavieren“ von Premier Sobotka in der Ukraine-Krise, da er wiederholt habe, „Sanktionen gegen Russland seien keine Lösung, weil sie auf seine Position gegenüber der Ukraine keinen Einfluss hätten. (…) Die EU und die USA müssten den politischen Dialog mit Russland fortsetzen. (…) Es ist lächerlich, dass der Premier die Lösung in etwas sieht, woran er sich nicht beteiligen kann. Der Kreml wird sich mit ihm nicht abgeben, Putin geht nur bei Merkel ans Telefon. Und es ist unerhört, dass die Unerlässlichkeit eines einheitlichen Vorgehens der EU von einem Politiker unterstrichen wird, der mit dem öffentlichen Versprechen nach Brüssel aufbricht, dass er dieses Vorgehen blockieren wird.“

Abstoßende Dokumente | Die Wochenzeitung „Respekt“ kommentiert das Brünner Gerichtsurteil, das die Klage gegen die Veröffentlichung eines Bandes mit Hitlerreden zurückwies, wonach der Herausgeber gleich weitere Bände ankündigte: „Das hört sich selbstverständlich nicht gut an. Man muss nicht überempfindlich sein, um das Gefühl zu haben, dass es ethisch höchst zweifelhaft ist, an solchem Schmutz zu verdienen. Sachlich betrachtet sind aber Hitlers Reden historische Dokumente, wie abstoßend sie auch sein mögen. (…) Das Problem ist das Vorwort, genauer gesagt, mit welchem Zusatz ein solches Buch zu versehen ist. Und in dieser Hinsicht hat die hiesige Fachöffentlichkeit sicher Fehler gemacht. Falls wir nicht wollen, dass sich zynische Geschäftemacher des Themas Hitler annehmen, sollte ein seriöser Verlag die Reden unter fachlicher Begleitung herausgeben. Historiker könnten nicht nur ein Vorwort hinzufügen, sondern gleich einen Kommentar zu den einzelnen Passagen.“

Mit Mut und Verständnis | Dem Wochenmagazin „Reflex“ hat die Rede des polnischen Präsidenten Komorowski im Deutschen Bundestag sehr gefallen, aus ihr „strahlt das, was im tschechischen Umfeld leider oft fehlt – Mut und Verständnis dafür, dass man aus der Geschichte vor allem lernen muss. (…) Ein Gedanke, der aus dem Munde Komorowskis (der übrigens der erste polnische Präsident ist, der vor dem Bundestag sprach) am meisten nachhallt, ist der Aufruf dazu, gegenseitig in Europa die gemeinsamen Werte, die Kultur und die anstrengende, wenn auch (zumindest von polnischer Seite) überwundene Geschichte zu teilen. Als Präsident eines geprüften, und doch stets stolzen Landes weiß er, wovon er spricht. Auch wenn Europa seine unstreitigen Schwächen habe, sei es nun nötig, die Aufmerksamkeit auf seine Einheit zu richten.“