Blick in die Presse

Blick in die Presse

Tschechische Pressekommentare zur Ukraine-Krise, zum Beamtengesetz, zum tschechischen EU-Kommissar und zu Zdeněk Škromach als potentieller Präsidentschaftskandidat

20. 8. 2014 - Text: Josef FüllenbachTextauswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach

Sandkastenspiele | Das Wirtschaftsmagazin „Ekonom“ hält nicht viel von Präsident Miloš Zemans Angebot, zur Beilegung der Ukraine-Krise ein Gipfeltreffen der maßgeblichen Länder in Prag abzuhalten. „Wie in der Vergangenheit gilt auch jetzt: Es würde sich lohnen, sich zunächst einmal darüber Klarheit zu verschaffen, was wir eigentlich selber wollen. Wir sind weder so reich noch so neutral oder international einflussreich wie beispielsweise die Schweiz oder Norwegen, dass ausgerechnet wir im diplomatischen Sandkasten Friedensküchlein backen könnten. (…) Für den Anfang reichte es, eine klar formulierte Außenpolitik zu haben und sie nicht so sprunghaft zu verändern, wie das derzeit das Außenministerium vor allem unter dem Taktstock des Vizeministers Petr Drulák vorführt.“

Politik mit Spaßfaktor | Die Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“ nimmt die Drohung Zemans, gegen das zwischen Koalition und Opposition im Prinzip vereinbarte Beamtengesetz ein Veto einzulegen, nicht ganz ernst: „Zeman ist nun schon allzu lange im Abseits und schweigsam gewesen, also gönnen wir ihm das Geplänkel mit dem Beamtengesetz. Vielleicht hat er einfach nur Spaß daran – wie sein Ausspruch vom Dezember 2012 nahelegt: ‚In der Politik habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich die Politiker, mich eingeschlossen, sehr gerne exhibitionieren. Vor den Kameras, aus Pressekonferenzen, einfach überall. Ohne Kameras aber lassen sich Vereinbarungen erzielen.‘ Sobald also die Kameras ausgeschaltet sind, kommt vielleicht auch der Präsident zu dem Schluss, dass es kaum Sinn hat, ein Gesetz aufzuhalten, das drei Viertel der Abgeordneten unterstützen.“

Keine Angst vor dem Winter! | Die Prager „Hospodářske noviny“ sieht eine mögliche Beschränkung der Gaslieferungen aus Russland gelassen, denn für Tschechien müsste das „keine augenblicklichen Komplikationen bedeuten. Der jährliche Gasverbrauch sinkt langfristig, und die Kapazitäten der Gasleitungen und Vorratsspeicher sind um etwa 23 Prozent höher bemessen als der tatsächliche Verbrauch. Zudem ist Tschechien an das Transportsystem für norwegisches Gas angeschlossen. Sollte es aber zum Totalausfall der russischen Gaslieferungen kommen, ist aus mittelfristiger Sicht damit zu rechnen, dass in den Wintermonaten für den Gasverbrauch der Industrie abgestufte Regulierungsmaßnahmen eingeführt werden. Die Bevölkerung oder Gesundheitseinrichtungen sollten von dieser Regulierung nicht betroffen sein.“

Verletzter Stolz | Die Prager „Literární noviny“ kommt noch einmal auf die Kandidatur der Ministerin Věra Jourová für den tschechischen Kommissarposten in Brüssel zurück, die „angeblich nur deshalb Kandidatin ist, weil sie eine Frau ist, und obendrein hat uns das Brüssel diktiert, womit es unseren Stolz gleich doppelt verletzt hat – den nationalen und den männlichen. Verständlich bei dieser unüberschaubaren Menge hervorragender männlicher Kandidaten!“

Intellektuelles Defizit | Das Magazin „Týden“ sorgt sich, der sozialdemokratische Senator Zdeněk Škromach könnte mit seinen frühzeitigen Ambitionen, Zeman 2018 als „Volkspräsident“ abzulösen, am Ende Erfolg haben: „Nach den Vorstellungen von Herrn Škromach ist offenbar derjenige ein „Volkspräsident“, der seine mangelnde Eignung zur Machtausübung mit Biederkeit und Jovialität überspielt (…). Wählt die tschechische Nation einen ‚Volkspräsidenten’? Wächst hier eine allgemeine Nachfrage nach einem Trottel mit intellektuellem Defizit, der nicht weiß, was er nicht weiß, und der auf internationaler Bühne zum Gespött seiner gebildeteren und kultivierteren Kollegen wird? Ja? Dann auf Wiedersehen an den Urnen.