„Andrej Kiska ist jetzt der Favorit“

„Andrej Kiska ist jetzt der Favorit“

Politologe Peter Spáč zu Überraschungen und Gefahren der Präsidentschaftswahlen in der Slowakei

19. 3. 2014 - Interview: Martin Nejezchleba

Das Ergebnis der ersten Wahlrunde in der Slowakei kann auch als Protest gegen das parteipolitische System gewertet werden, meint der Politologe Peter Spáč. Der Slowake beobachtet an der Masaryk-Universität in Brünn das politische Geschehen in seiner Heimat. Das Gespräch führte PZ-Redakteur Martin Nejezchleba.

Herr Spáč, hat Sie der Ausgang der ersten Wahlrunde überrascht?

Peter Spáč: Die Reihenfolge wurde so in den Wahlprognosen vorausgesagt: Robert Fico gewinnt, gefolgt von Andrej Kiska und danach die übrigen Bürgerkandidaten. Überrascht hat die mit etwa 43 Prozent sehr niedrige Wahlbeteiligung. Alle Prognosen gingen von über 50 Prozent aus. Auch die Verschiebungen der letzten Tage haben erstaunt: Konkret die Verluste für Fico. Im Gegensatz dazu gewann Radoslav Procházka fast doppelt so viele Stimmen wie ursprünglich erwartet.

Vor allem die parteilosen Kandidaten konnten punkten. Sagt das etwas über die politische Stimmung in der Slowakei aus?

Spáč: Ich denke ja. Vor den Parlamentswahlen 2012 hat die sogenannte Gorilla-Affäre für großen Wirbel gesorgt. Dokumente über die starke Verflechtung von Wirtschaft und Politik wurden öffentlich, was starke Kritik am Parteiensystem ausgelöst hat. Was wir jetzt bei den Präsidentschaftswahlen sehen, ist eine Fortsetzung dieses Trends. Die Kandidaten der Parteien mussten zum Teil empfindliche Niederlagen hinnehmen. Damit meine ich nicht nur den Premierminister, sondern auch Pavol Hrušovský. Der gemeinsame Kandidat der konservativen Opposition hat gerade mal 3,3 Prozent gewonnen. Das ist ein Fiasko. Die parteilosen Kandidaten konnten im Gegensatz dazu gute Ergebnisse einfahren. Allen voran Andrej Kiska. Er hat sich in nur zwei Jahren von einer relativ unbekannten Person zum faktischen Favoriten dieser Wahlen gemausert. Das Erstarken der Bürgerkandidaten kann man als Ausdruck der Kritik am parteipolitischen System lesen.

Ist auch die niedrige Wahlbeteiligung ein Ergebnis der Politikverdrossenheit?

Spáč: Zuhause geblieben sind vor allem die Wähler von Ficos SMER-Partei. Das mag mit einer gewissen Enttäuschung der SMER-Wähler über die Regierung zusammenhängen. Möglich ist aber auch, dass sie möchten, dass Fico weiter Premierminister bleibt. Das Amt wird von der Bevölkerung als weitaus wichtiger wahrgenommen als das des Präsidenten.

Im Vorfeld der Wahlen wurde davor gewarnt, dass sich Fico um einen Ruck hin zu einem präsidialen System bemühen könnte – ähnlich wie das Zeman in Tschechien versucht. Ist da etwas dran?

Spáč: Von der formalen Seite her geht das nicht. SMER hat keine Verfassungsmehrheit im Parlament. Aber ich gehe davon aus, dass Fico kein rein zeremonieller Präsident wäre, der Kränze verteilt und Ausstellungen eröffnet. Er wäre ein starker politischer Akteur. Aber so lange SMER die Regierung bildet, kann er faktisch kein Gegengewicht zur Regierung sein. Sobald aber Parteien mit einer anderen ideologischen Ausrichtung die Regierung bilden, kann ich mir gut vorstellen, dass er aktiv seine Befugnisse nutzen würde – in dem Ausmaß, wie es ihm die Verfassung erlaubt.

Sind die ähnlich schwammig definiert wie in Tschechien?

Spáč: Ja. Die Verfassung formuliert recht vage, was sich der Präsident herausnehmen darf. Sie geht von einem repräsentativen Präsidenten aus, der der Regierung in allem zustimmt. Sie rechnet nicht damit, dass der Präsident seine eigene Vorstellung durchsetzen möchte. Was Miloš Zeman in Tschechien versucht, kann also auch in der Slowakei passieren.