Einstand mit Schrecken

Einstand mit Schrecken

Die Dreierkoalition macht sich an die Arbeit und erhält eine Lehrstunde auf der Burg

5. 2. 2014 - Text: Martin NejezchlebaText: Martin Nejezchleba; Foto: vláda.cz

Mehr als drei Monate musste Bohuslav Sobotka (ČSSD) auf diesen Tag warten – und dann ging schief, was schief gehen konnte. Am Mittwoch vergangener Woche, gegen zwei Uhr nachmittags, trat Miloš Zeman auf der Prager Burg vor die aufgereihten Kabinettsmitglieder der Dreier­koalition. Das verschmitzte Lächeln auf den Lippen des Präsidenten versprach nichts Gutes.

„Ich habe einen Brief vom Vorsitzenden der Regierung erhalten, in dem die einzelnen Kandidaten vorgeschlagen werden.“ Rhetorischer Schmatzer. „In drei Fällen habe ich mich entschlossen, diese Vorschläge nicht zu befolgen.“ Blitzlichtgewitter. Für einen kurzen Moment schien es so, als würden Sobotkas schlimmste Albträume und Zemans Drohungen, einzelne Minister abzulehnen, wahr.

Wer zu diesem Zeitpunkt den freudig wippenden Kanzler des Präsidenten, Vladislav Mynář, im Blick hatte, der ahnte aber: Was gerade unter den Kronleuchtern des Thronsaales abläuft, ist eine neue Folge der präsidialen One-Man-Show. Abgelehnt hat das Staatsoberhaupt schließlich diejenigen Minister, die in besagtem Brief fehlerhaft aufgeführt waren. Statt dem Umweltminister Brabec (ANO) stand dort Brabenec, Christdemokrat Jurečka wurde von Marian zu Martin umgetauft und statt zum Landwirtschaftsminister zum Gesundheitsminister nominiert.

„Lieber Herr Premierminister“, setzte Zeman zur finalen Pointe seiner schadenfreudigen Rede an, „sechs Fehler in einem anderthalbseitigen Dokument sind recht viel und zeugen nicht gerade von der Professionalität, die wir uns alle von dieser Regierung wünschen.“ Zeman wurde dabei auch nicht müde, auf einen fehlenden Bindestrich bei den zwei Namen der Arbeits- und Sozialministerin Marksová hinzuweisen, die in ihren offiziellen Dokumenten auf ihren Mädchennamen Tominová verzichtet.

Schlussendlich kamen alle 17 Kandidaten mit ihren Ernennungsurkunden davon, Sobotka mit dem Schrecken und mit einer Gewissheit: Zeman wird jeden noch so kleinen Deckungsfehler des Regierungschefs zum Angriff nutzen.

Dann ging es endlich an die Arbeit. Im Regierungsamt unterhalb der Burg trafen sich die Minister zur ersten Kabinettssitzung. Auf der Tagesordnung: Diskussionen zum Regierungsprogramm. Das soll so bald wie möglich stehen und den vage formulierten Koalitionsvertrag konkretisieren. Einig scheint sich die Koalition aus der Protestpartei ANO, den Christdemokraten und den Sozialdemokraten vor allem bei der Europapolitik: Man möchte die Tschechische Republik zu einem Kernland der Union machen, enger mit Deutschland zusammenarbeiten und zu einem aktiven EU-Mitglied werden. Dass das ernst gemeint ist, zeigen die ersten Ansagen an die Presse: In Prag wird wieder über über die Einführung des Euro gesprochen, Außenminister Zaorálek (ČSSD) wünscht sich einen Beitritt zur Fiskalunion – Tschechiens Beteiligung am Stabilitätspakt war unter Nečas (ODS) stets abgelehnt worden.

Weitere wichtige Ziele der Koalition: die Wirtschaft aus der zweijährigen Rezession katapultieren, bei gesteigerten Haushaltseinkünften. Ein ambitioniertes – viele Ökonomen sagen ein unrealistisches – Ziel. Bei der Frage nach der Umsetzung treffen drei Welten aufeinander: staatlich gelenkte, soziale Marktwirtschaft, christdemokratischer Liberalismus und pragmatische „Firmenführung“, wie sie Andrej Babiš mit seiner politischen Bewegung ANO propagiert. Das Konfliktpotential zwischen ANO und den beiden Traditionsparteien nennt der Politologe und Sozialdemokrat Lukáš Jelínek den Knackpunkt der ungewohnten Koalition: „Hier treffen zwei unterschiedliche Vorstellungen von Politik aufeinander. ANO wird neue Themen, neue Prioritäten auftischen. Die ČSSD wird sich mit ihnen nur schwer über die Anpassung des Steuer­systems einigen können und gemeinsame Mittel finden, wie die Haushaltseinkünfte gesteigert werden können.“ Mit Babiš und Sobotka treffen zwei Regierungsstile aufeinander – diese miteinander zu vereinbaren wird laut Jelínek zur härtesten Bewährungsprobe der Koalition. Und dann ist da noch die Zeman-Show.